Ankunftszentrum Heidelberg

Grüne jetzt auch für Wolfsgärten

Damit zeichnet sich eine Mehrheit für die Verlagerung des Ankunftszentrums nach Wieblingen ab.

04.03.2020 UPDATE: 05.03.2020 06:00 Uhr 1 Minute, 27 Sekunden
Die Wolfsgärten am Rande des Stadtteils Wieblingen. Foto: Rothe

Von Denis Schnur

Heidelberg. Das Ankunftszentrum für Geflüchtete wird wohl auf die Wolfsgärten am Rand von Wieblingen verlagert. Denn mit den Grünen spricht sich nun auch die klar größte Fraktion im Gemeinderat (16 Stadträte) für den Standort aus. Da auch die CDU-Fraktion sowie mehrere der kleineren Gruppierungen die Wolfsgärten favorisieren, sieht derzeit alles danach aus, dass eine entsprechende Mehrheit in der Gemeinderatssitzung vom 26. März zustande kommt. Auch Oberbürgermeister Eckart Würzner befürwortet die Verlegung nach Wieblingen.

Noch vor einem guten Jahr sah die Situation völlig anders aus. Damals war eine klare Mehrheit der Stadträte gegen eine Verlagerung auf den Standort zwischen Autobahn und Gleisen, viele Stadträte bezeichneten ihn als "inhuman" und selbst Befürworter hielten den Plan für "politisch tot".

Doch nachdem die Stadtverwaltung auch den Standort "Gäulschlag" im Südwesten Kirchheims ins Gespräch gebracht hatte, kam wieder Bewegung in die Debatte – und auch die Grünen haben sich nun auf das Wieblinger Areal festgelegt. In einem Antrag, der am gestrigen Mittwochabend im Stadtentwicklungsausschuss erstmals behandelt wurde, fordern sie die Verlagerung dorthin unter drei Bedingungen: Die landwirtschaftliche Fläche, die dafür versiegelt wird, müsse eins zu eins ausgeglichen werden, das Zentrum müsse in "in anspruchsvoller, nachhaltiger und zeitgemäßer Architektur" errichtet werden und an den öffentlichen Nahverkehr angebunden werden.

Das sind alles Punkte, bei denen wohl auch die meisten der sieben CDU-Stadträte mitgehen können: "Sie sind auf jeden Fall diskutabel", sagt deren Fraktionschef Jan Gradel gegenüber der RNZ. Seine Partei ist zwar eigentlich gegen den Neubau eines Ankunftszentrums in Heidelberg. Wenn es für diesen jedoch eine Mehrheit im Gemeinderat gebe, bevorzuge man klar den Standort Wolfsgärten. Ähnlich sehen es mehrere Stadträte kleinerer Gruppierungen – etwa der FDP, der "Heidelberger" und der Freien Wähler.

Und doch ist die Mehrheit noch nicht zu 100 Prozent sicher. Denn nach RNZ-Informationen können sich offenbar nicht alle Grünen-Räte mit dem Standort anfreunden. Und die Sozialdemokraten, die ebenfalls sieben Ratsmitglieder stellen, sind bislang strikt gegen eine Verlagerung nach Wieblingen. Sie haben deshalb auch erneut den Antrag eingebracht, das Ankunftszentrum lediglich innerhalb von Patrick-Henry-Village zu verlagern. Auch die Bunte Linke und die Linke sprechen sich dafür aus.

Aufatmen können dagegen wohl die Landwirte in Kirchheim. Denn für den Standort Gäulschlag spricht sich bislang kein Stadtrat öffentlich aus.

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Heidelberg. (dns) Geht es nach der Heidelberger SPD, dann zieht das Ankunftszentrum für Geflüchtete weder auf den Gäulschlag noch in die Wolfsgärten. Diese Position haben die Sozialdemokraten bereits im Dezember

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Heidelberg. (dns) Geht es nach der Heidelberger SPD, dann zieht das Ankunftszentrum für Geflüchtete weder auf den Gäulschlag noch in die Wolfsgärten. Diese Position haben die Sozialdemokraten bereits im Dezember im Gemeinderat vertreten, jetzt hat sie auch eine große Mehrheit bei der Kreisdelegiertenkonferenz der Sozialdemokraten am Mittwoch bestätigt. Stattdessen soll die Landeseinrichtung auch weiterhin in Patrick-Henry-Village (PHV) bleiben – wenn auch an anderer Stelle.

Kreisvorsitzende Nina Gray freute sich über diese Entscheidung: "Ein zentrales Anliegen der Heidelberger Sozialdemokraten ist es, Landwirtschaftsflächen im Norden und Süden der Stadt zu erhalten und daher ist PHV für ein Ankunftszentrum der geeignete Standort", wird sie in einer Pressemitteilung zitiert.

Schließlich würden sowohl im Gäulschlag als auch in den Wolfsgärten Ackerflächen wegfallen. "Aber auch humanitäre Aspekte wie eine menschenwürdige Unterbringung und der Raum für ausreichende Kapazitäten spielen bei dieser Entscheidung eine wichtige Rolle", so Gray.

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Von Denis Schnur

Heidelberg. So viel Aufmerksamkeit bekommen Bezirksbeiräte selten: Als das Kirchheimer Stadtteilgremium am Donnerstag zusammenkam, standen acht Traktoren vor der Tür des Bürgerzentrums, daneben ein riesiges Plakat mit der Aufschrift

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Von Denis Schnur

Heidelberg. So viel Aufmerksamkeit bekommen Bezirksbeiräte selten: Als das Kirchheimer Stadtteilgremium am Donnerstag zusammenkam, standen acht Traktoren vor der Tür des Bürgerzentrums, daneben ein riesiges Plakat mit der Aufschrift "Regionale Lebensmittel – oder Beton?". Drinnen saßen zudem rund 80 Gäste – vor allem Landwirte, aber auch viele Stadträte. Und auch von Seiten der Stadt kam Prominenz: Oberbürgermeister Eckart Würzner leitete die Sitzung selbst – sonst übernehmen das Mitarbeiter der Sitzungsdienste – und hatte auch Sozialbürgermeister Joachim Gerner dabei.

"Sie sehen, wir behandeln heute große Themen", eröffnete Würzner die Sitzung. Denn der Bezirksbeirat machte am Donnerstag den Auftakt bei der Diskussion über den künftigen Standort des Ankunftszentrums für Geflüchtete. Ende März soll der Gemeinderat entscheiden, ob er dem Land dafür das Gewann Wolfsgärten bei Wieblingen anbietet – oder das Gewann Gäulschlag, das südlich von Patrick Henry Village auf Kirchheimer Gemarkung liegt.

Doch so groß das Interesse an der Sitzung war, so einig waren sich fast alle Anwesenden. Denn Würzner befürwortet eine Verlagerung auf die Wolfsgärten – und sieht sich durch die detaillierte Gegenüberstellung der beiden Standorte darin bestätigt: Vor allem, weil in Wieblingen nur ein Landwirt aus Edingen-Neckarhausen seine Ackerfläche verlieren würde. In Kirchheim wären es nicht nur mehr, es wären Heidelberger, die dadurch zudem ihre Existenz bedroht sehen – zumal in unmittelbarer Nähe 18 Hektar Acker für die Erweiterung von PHV wegfallen sollen.

Dagegen – und gegen ein Ankunftszentrum im Gäulschlag – gibt es in Kirchheim große Vorbehalte. Das zeigten auch die 800 Unterschriften gegen den Verbrauch landwirtschaftlicher Flächen, die der Stadtteilvereinsvorsitzende Jörn Fuchs dem OB übergab.

Deshalb war es kaum verwunderlich, dass der Bezirksbeirat mit großer Mehrheit dem Antrag der Stadtverwaltung zustimmte, dem Land die Wolfsgärten vorzuschlagen. Dagegen stimmte lediglich der Vertreter der AfD (seine Partei lehnt ein Ankunftszentrum in Heidelberg grundsätzlich ab), die beiden SPD-Räte enthielten sich – ihre Partei war immer vehement gegen die Wolfsgärten.

Die restlichen 13 Räte votierten für den Wieblinger Standort – und damit gegen den Kirchheimer. "Mein erster Impuls war, das kann man den Leuten nicht antun", erklärte Fritz Engbarth-Schuff (Grüne). Doch da man sich einig sei, dass das Zentrum in Heidelberg bleiben soll, und es keine echte Alternative gebe, stimme er "schweren Herzens aber doch mit einer gewissen Überzeugung" für die Wolfsgärten. Da die Stadt das genauso sehe und die Argumente eindeutig seien, ist er sicher: "Der Gäulschlag ist vom Tisch."

Anders werden das vermutlich seine Kollegen in Wieblingen am Dienstag sehen: Dann tagt der dortige Bezirksbeirat (18 Uhr, Evangelisches Gemeindehaus, Mannheimer Straße 252), der sich bereits Ende 2018 einstimmig gegen eine Verlagerung auf die Wolfsgärten ausgesprochen hatte.

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Von Denis Schnur

Heidelberg. Wer gestern auf der Bundesstraße 535 unterwegs war, konnte schon von Weitem die Flammen und vor allem die Traktorenscheinwerfer sehen. Und genau das war auch der Plan der gut 70 Landwirte aus Kirchheim und Umgebung, die sich

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Von Denis Schnur

Heidelberg. Wer gestern auf der Bundesstraße 535 unterwegs war, konnte schon von Weitem die Flammen und vor allem die Traktorenscheinwerfer sehen. Und genau das war auch der Plan der gut 70 Landwirte aus Kirchheim und Umgebung, die sich unter dem Motto "Der Gäulschlag brennt" mit etwa 50 Traktoren auf dem Gewann südlich von Patrick Henry Village (PHV) um ein großes Mahnfeuer versammelt hatten. Jeder sollte sehen, dass sie frustriert sind und dass sie sich wehren wollen gegen die drohende Versiegelung von Ackerflächen. Denn die Stadt will nicht nur PHV um 18 Hektar erweitern, sondern auch das Ankunftszentrum für Geflüchtete, das sich derzeit noch in PHV befindet, auf eine landwirtschaftlich genutzte Fläche verlegen – entweder auf die Wolfsgärten bei Wieblingen oder eben auf das Gewann Gäulschlag.

Um diese Pläne war es auch beim Bürgerfest der Stadt am Sonntag in PHV gegangen. Dort hatte Oberbürgermeister Eckart Würzner erklärt, dass es "keine andere Option" gebe. "Damit sind wir nicht einverstanden", ärgert sich Volker Kaltschmitt vom Kreisbauernverband. "Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg." Außerdem sei durch den Abzug der US-Army eigentlich genug Fläche frei geworden: "Optionen hat es 180 gegeben", so Kaltschmitt mit Blick auf die 180 Hektar Konversionsflächen.

Die Kircheimer Landwirte waren nach dem Bürgerfest schockiert, "wie wenig die Beteiligten in Politik und Stadtverwaltung von der Landwirtschaft und den wertvollen Kulturflächen wissen, wie leichtfertig bei der Erschließung von PHV mit Kulturlandschaft umgegangen wird" – so schrieben sie nun in einem offenen Brief an Würzner. Ein städtischer Mitarbeiter habe sogar gesagt: "In zehn Jahren wird sowieso jeder zweite Hof schließen!"

Für die Bauern ist die Behauptung nicht nachvollziehbar: "Die Höfe haben alle eine Perspektive", so Kaltschmitt. "Und wenn nicht, braucht man die Fläche trotzdem. Man muss ja die Bevölkerung versorgen." Zudem seien die landwirtschaftlichen Betriebe in Kirchheim fast ausschließlich Familienbetriebe, die seit Generationen am selben Standort arbeiten und leben. Die Heidelberger profitierten bei Obst und Gemüse vom Direktverkauf vor Ort. Und auch das Freizeitangebot bedienten die Landwirte mit Pferdehöfen. Nicht zuletzt fördere man den Naturschutz in Zusammenarbeit mit dem Umweltamt der Stadt.

"Mit Blick auf künftige Generationen Heidelberger Bürger und die aktuelle dramatische Klimaentwicklung muss der Erhalt der Kulturlandschaft in der Region oberste Priorität erhalten", fordern die Bauern. Deshalb dürfe das "in Heidelberg herzlich willkommene Ankunftszentrum" keinen Platz auf der "grünen Wiese" versiegeln. "Und PHV darf nicht auf Kosten der seit Generationen ansässigen Kultur erweitert werden."

Und vor allem wollen die Bauern künftig mitreden dürfen: "Wie bei der Agrarreform haben wir hier auch das Gefühl, dass man über die Landwirte, aber nicht mit ihnen spricht", so Kaltschmitt. "Wir wünschen, dass auch der äußerste Rand Heidelbergs die gleiche Beachtung erhält wie Flächen im Zentrum, bei denen die Bürger aktiv mitentscheiden durften", betonen deshalb auch die Kirchheimer Bauern.

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