Diskutiert werden aktuell nur noch zwei Standorte: Die Wolfsgärten liegen am Rand von Wieblingen zwischen zwei Autobahnen und den Bahngleisen. Das Areal ist bereits als Gewerbefläche ausgewiesen. Foto: Alex
Von Denis Schnur
Heidelberg. Kommt nach mehr als 1,5 Jahren endlich die Entscheidung? Ab dem morgigen Donnerstag beraten die städtischen Gremien, wohin das Landesankunftszentrum für Geflüchtete umziehen soll. Zur Diskussion stehen die beiden Areale "Wolfsgärten" und "Gäulschlag". Ende März soll sich der Gemeinderat für eines der beiden entscheiden, sodass dieses dem Land als Standort angeboten werden kann. Dazu hat die Stadtverwaltung nun beide Grundstücke ausführlich verglichen. Die RNZ beantwortet die wichtigsten Fragen:
Warum kann das Zentrum nicht einfach in Patrick Henry Village bleiben? Die Einrichtung zog 2014 auf das ehemalige Kasernengelände, war dort aber immer nur als Provisorium gedacht. Entsprechend wurden die Gebäude dafür nur notdürftig saniert. In naher Zukunft wären bei einem Weiterbetrieb wohl größere Investitionen fällig. Vor allem nimmt das Ankunftszentrum derzeit aber rund 30 Hektar Fläche in Anspruch – deutlich mehr als bei einem Neubau benötigt würde – und es liegt an der zentralen Zufahrtsstraße nach PHV. Bliebe es dort, wäre es kaum möglich, PHV zum eigenständigen Stadtteil zu entwickeln. Entsprechend war dies im Gemeinderat auch nie Thema. Diskutiert wurde dagegen eine Verlegung an einen kleineren Standort am Rand von PHV – wie das Gebiet um die Middle School im Südwesten. Doch im Dezember sprach sich die Mehrheit des Gemeinderates dagegen aus, dort weiter zu planen.
Wolfsgärten und Gäulschlag – was sind das für Standorte? Beide liegen am Rand von Heidelberg westlich der Autobahn A5. Die Wolfsgärten bei Wieblingen wurden 2018 vom Land vorgeschlagen. Sie sind knapp acht Hektar groß und im Besitz der Stadt. Der Gäulschlag südlich von PHV kam im Herbst 2019 bei Gesprächen zwischen Land und Stadt als Idee auf. Das Areal ist mehr als doppelt so groß (17,4 Hektar), die Besitzverhältnisse sind jedoch komplexer: 73 Prozent sind im Eigentum der evangelischen Stiftung Pflege Schönau, 25 Prozent gehören der Stadt, der Rest einem Privatbesitzer.
Wie soll das neue Ankunftszentrum aussehen? Für die Wolfsgärten hat das Land einen Musterentwurf an die Stadt geschickt: Er zeigt, dass acht Hektar ausreichen, um sowohl Wohnungen als auch Verwaltungsgebäude, eine Kantine und eine Außenanlage mit Freizeitangeboten zu errichten. In viergeschossigen Wohngebäuden soll Platz für bis zu 2500 Menschen geschaffen werden, damit eine Belegung mit 1500 Menschen konfliktfrei möglich ist. Registrierung, Antragstellung und Untersuchungen fänden in fünfgeschossigen Bürogebäuden an der Autobahn statt. Für den Gäulschlag hat die Stadt einen ähnlichen Entwurf erarbeitet. Demnach müsste dort nur die Hälfte der Fläche genutzt werden, neben der Autobahn blieben acht Hektar landwirtschaftliche Fläche. Damit wäre dort theoretisch eine Erweiterung des Ankunftszentrums möglich, die jedoch städtebaulich nicht gewünscht sei.
Die zweite Option ist der Gäulschlag zwischen Patrick Henry Village und der Siedlung Neurott. Das Areal wird von Bauernhöfen in der unmittelbaren Nähe bewirtschaftet. Foto: RotheWie werden die Areale aktuell genutzt? Beide Grundstücke sind an Landwirte verpachtet. Die Wolfsgärten bewirtschaftet ein Bauer, der nicht aus Heidelberg stammt, im Nebenerwerb. Auf dem Gäulschlag sind laut Landwirten acht Bauernhöfe aus der unmittelbaren Nähe aktiv. Bei beiden Arealen können die Pachtverträge jährlich gekündigt werden. Jedoch gelten die Böden rund um Heidelberg als besonders gut – wobei der Gäulschlag laut Stadt für die Landwirtschaft bedeutender ist: Die Fläche kann beregnet werden und liegt vor allem in direkter Nähe zu den Höfen, die sie bewirtschaften.
Welche Auswirkungen hätte ein Neubau auf die Natur? Heidelberg hat sich striktem Klimaschutz verschrieben – eine Versiegelung von Flächen ist da nicht hilfreich. Zudem haben beide Areale eine hohe ökologische Wertigkeit als Lebensraum für geschützte Tierarten. Laut Stadt könnte man diesen aber durch unbebaute Randbereiche erhalten.
Wie sind die Areale angebunden? Beide liegen am Rand der Stadt und – zumindest aktuell – recht abgeschieden. Von den Wolfsgärten sind es 2,2 Kilometer bis zur Wieblinger Ortsmitte, in der direkten Nachbarschaft ist nur das Gewerbegebiet "In der Gabel". Einkaufsmöglichkeiten gibt es in Eppelheim nach 1,9 Kilometern Weg. Der Gäulschlag liegt zwar neben der Siedlung Neurott, ansonsten befindet sich in der Nähe nur PHV, das noch unbewohnt ist. Doch bis zur Fertigstellung des Zentrums dürften etwa fünf Jahre vergehen – und bis dahin soll gerade der benachbarte Süden von PHV belebt sein. Deswegen wird sich auch die Anbindung des Gäulschlags an den öffentlichen Nahverkehr deutlich verbessern: Aktuell ist diese kaum vorhanden, aber die Stadt plant bereits einen Pendlerschnellbus von Schwetzingen nach Heidelberg, der auch im Süden von PHV halten könnte. Die Wolfsgärten sind dagegen jetzt schon halbwegs gut angebunden: Der S-Bahnhof Pfaffengrund / Wieblingen ist nach einem etwa zehnminütigen Fußweg (ein Kilometer) erreichbar. Das wichtigste Verkehrsmittel für die Bewohner des Zentrums dürfte aber ohnehin der Shuttlebus des Landes sein. Dieser bringt die Asylsuchenden schon jetzt zum ehemaligen Bauhaus in der Weststadt und dürfte auch den künftigen Standort anfahren.
Wie sieht es mit der Versorgung mit Strom, Wasser, Wärme und Internet aus? Die wäre bei beiden Standorten laut Stadt problemlos möglich. Bei den Wolfsgärten lägen jedoch die Kosten der Erschließung um etwa eine Million Euro höher als beim Gäulschlag – vor allem wegen des Fernwärmeanschlusses, bei dem man von Kosten von 1,5 bis 2,5 Millionen Euro ausgeht.
Beide Grundstücke liegen an der Autobahn. Ist das nicht zu laut? Das ist bei den Wolfsgärten seit 2018 ein Hauptkritikpunkt. Schließlich liegt das Areal direkt am Autobahnkreuz und neben der Bahnstrecke nach Mannheim. Der Gäulschlag liegt dagegen zwischen Autobahn, Bundesstraße B535 und der Kreisstraße K9711. Tatsächlich müssten bei beiden Grundstücken Lärmschutzmaßnahmen ergriffen werden. Ein Ausschlusskriterium ist das für die Stadt aber nicht, schließlich sei die Lärmbelastung in Eppelheim und in PHV in der Nähe der Autobahn vergleichbar.
Wo könnte schneller gebaut werden? Beide Areale sind frei, jedoch sind die Wolfsgärten komplett im Besitz der Stadt und bereits als Gewerbefläche ausgewiesen, planungsrechtlich wäre die Nutzung für das Ankunftszentrum daher kein Problem. Der Gäulschlag steht dagegen im Flächennutzungsplan als Landwirtschaftsfläche. Eine Umwidmung wäre laut Stadt zeitaufwendig und dürfte einen möglichen Baubeginn verzögern.
Welches Areal ist politisch durchsetzbar? "Egal, wo wir das Ankunftszentrum hinverlagern wollen, es wird immer Widerstand geben", sagte Oberbürgermeister Eckart Würzner im Dezember 2019. Und bei beiden Standorten trifft das zu: Die Anwohner wehren sich jeweils gegen die große Einrichtung in ihrer Nähe, das gilt für die Wieblinger ebenso wie für die Bewohner der Kirchheimer Außenposten. Doch auch darüber hinaus gibt es bei beiden Standorten Einwände: So kritisieren Flüchtlingsorganisationen die Wolfsgärten als "inhuman", dem hatten sich Anfang 2019 auch viele Fraktionen im Heidelberger Gemeinderat angeschlossen, der Standort galt als "politisch tot". Jedoch spricht sich Würzner noch immer für die Fläche aus und auch die Grünen stimmten gegen einen SPD-Antrag, das Areal auszuschließen. Den Gäulschlag halten dagegen zwar die Flüchtlingsorganisationen für vertretbarer, hier ist jedoch der Widerstand von Landwirten und Naturschützern stärker. Schließlich ist die Existenz einzelner Höfe – die zudem im Naturschutz engagiert sind – bedroht, wenn die Anbaufläche wegfällt. Sollte das Ankunftszentrum hier errichtet werden, müsste es zwingend Kompensationen für die Bauern geben, machte Würzner klar.