175 Jahre Deutsche Revolution

Beinahe hätte es einen bewaffneten Aufruhr gegeben

Im April 1848 zogen bewaffnete Sinsheimer Revolutionäre nach Heidelberg. Einheimische und ein Studentenkorps hielten sie in Schach.

24.04.2023 UPDATE: 24.04.2023 06:00 Uhr 2 Minuten, 44 Sekunden
Das Bild zeigt die Entwaffnung der Sinsheimer Revolutionäre durch die Bürgerwehr und Studenten in Heidelberg. Illustration: Kurpfälzischen Museum

Heidelberg. (RNZ) Dieses Jahr jährte sich der Beginn der Deutschen Revolution im März 1848 zum 175. Mal. In dieser losen RNZ-Serie beleuchtet der Heidelberger Geschichtsprofessor Frank Engehausen die bedeutendsten revolutionären Ereignisse in Heidelberg. Im heutigen vierten Teil geht es um den Zug der Sinsheimer Revolutionäre nach Heidelberg.

Nach der Versammlung auf dem Schloss am 26. März 1848, auf der die Liberalen mit Mühe und Not eine Erklärung zugunsten der Republik verhindert hatten, herrschte in Heidelberg für einige Wochen politische Stille.

Die Kontroversen zwischen den Demokraten, die unter Arbeitern, Handwerkern und Studenten Rückhalt fanden, und den gemäßigten Bürgern waren aber nicht ausgeräumt.

Dass sie nicht offen ausgetragen wurden, lag auch an der ungleichen Verteilung der Machtressourcen: Die Liberalen konnten sich auf die lokalen Obrigkeiten und auch auf die in der Revolution neu gebildete Bürgerwehr stützen. Dies zeigte sich deutlich am 24. April 1848, dem Tag, an dem Heidelberg einem bewaffneten Aufruhr weit näherkam als sonst in den Revolutionsmonaten.

An diesem Tag wurde Heidelberg von einem Ausläufer des Heckeraufstands erfasst, der weit über die Grenzen Badens hinaus mit Spannung beobachtet wurde.

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Zwar war dieser Freischarenzug, der am 13. April in Konstanz begonnen hatte, um ganz Deutschland für die Republik zu erobern, bereits am 20. April in einem Gefecht bei Kandern von Militär gestoppt worden; allerdings kam es in den Tagen danach noch an verschiedenen Orten, am heftigsten in Freiburg, zu Auseinandersetzungen zwischen Revolutionssympathisanten und Ordnungskräften.

Eines der lokalen Zentren des Radikalismus in Nordbaden war Sinsheim, wo eine von Apotheker Karl Gustav Mayer angeführte Gruppe von Demokraten am frühen Ostermontag, dem 24. April, das Rathaus besetzte. Dem Ruf, sich zu einem Freischarenzug zu versammeln, folgten 200 bis 300 Männer, die sich bewaffneten, um nach Heidelberg zu ziehen und dort die Republik zu proklamieren.

Der Zug der Sinsheimer erreichte Heidelberg am Nachmittag. Nachdem er das Karlstor passiert hatte, versuchte der Kommandant der Heidelberger Bürgerwehr, Friedrich Rummer, die auswärtigen Revolutionäre zu stoppen.

Diese reagierten jedoch nicht auf seine Frage, was sie nach Heidelberg führe, und zogen weiter bis zum Marktplatz, wo sie auf bewaffnete Ortsansässige trafen.

Über das Folgende berichtete die Zeitung "Die Republik", die die Sinsheimer mit dem Hinweis entschuldigte, sie seien durch die "falsche Nachricht", Heidelberg und Mannheim seien bereits in Aufruhr, zu ihrem Zug veranlasst worden: Bürgermeister Christian Friedrich Winter habe sie "auf das ungesetzliche ihres bewaffneten Zuzugs aufmerksam gemacht" und sie aufgefordert, ihre Waffen abzugeben.

Als dies nicht alle sofort taten, wäre es fast zu einer "förmlichen Schlacht" gekommen: Die "hiesige Bürgerwehr nebst einem freiwilligen Studentencorps hatte diese kleine Schaar Sinsheimer auf den Marktplatz in ein Viereck eingeschlossen; schußfertig und mit gefälltem Bajonett wurden sie sofort von allen Seiten nochmals aufgefordert, die Waffen zu strecken.

Noch einen Moment der Weigerung – und Hunderte von scharf geladenen Büchsen und Flinten wären unter die Bürger selbst und unter die umstehenden Tausende von Zuschauern abgefeuert worden. Ein zufällig losgehender Schuß hätte das Zeichen zu einer allgemeinen Metzelei geben können".

Zwar sei diese durch die Kapitulation der Sinsheimer und das besonnene Vorgehen von Bürgermeister und Bürgerwehrkommandant vermieden worden; wie man anschließend mit den entwaffneten Sinsheimern umgegangen sei, hielt "Die Republik" aber für skandalös: Einige, "die geängstigt durch eine solche unerwartete Demonstration die Flucht ergriffen, wurden noch in den Straßen eingeholt und mißhandelt. So weit geht bei uns der Haß gegen die Republikaner, die man sehr oft analog mit Räuber und Mörder zu nennen beliebt".

In der Tat nutzte die liberale Presse den Vorfall, der mit dem friedlichen Abzug der Sinsheimer endete, dazu, die Sache der Republik in scharfen Worten zu schmähen.

So sah die "Deutsche Zeitung" die Teilnehmer des Zuges "ein eigentümliches Schlaglicht auf die Elemente der sogenannten republikanischen Partei" werfen: Weder "der Bürger noch der Bauer war vertreten, wohl aber eine schlimme Gattung des Proletariats, die man im Gegensatz zur arbeitenden Klasse die faulenzende nennen könnte, und die in den sogenannten gebildeten Ständen ebensoviel Vertreter zählt, wie in den unteren Schichten der Gesellschaft".

Dieses Zerrbild der Möchtegernrevolutionäre kontrastierte das Blatt mit einem Lob der wehrhaften Heidelberger Bürgerschaft, "die es vorzog, nicht neutral zu bleiben", sich damit selbst "den größten Dienst erwiesen und dem übrigen Deutschland gezeigt" habe, "daß auch in Baden der Sinn für Ordnung und gesetzliche Freiheit noch stark genug ist, der frechen Wühlerei zu widerstehen".

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