Als sich rund 25.000 Menschen für die Demokratie versammelten
Am 26. März 1848 fand eine der größten Volksversammlungen des Landes in Heidelberg statt. Ein Streit zwischen Liberalen und Radikalen entbrannte.

Heidelberg. (RNZ) Diesen Monat jährt sich der Beginn der Deutschen Revolution im März 1848 zum 175. Mal. In dieser losen RNZ-Serie beleuchtet der Heidelberger Geschichts-Professor Frank Engehausen die bedeutendsten revolutionären Ereignisse in Heidelberg. Heute geht es um die Versammlung auf dem Schloss am 26. März 1848.
Während andernorts in Deutschland 1848 die Anfänge der Revolution von Konflikten zwischen der Opposition und den Monarchen gekennzeichnet waren, zog sich im Südwesten von Anfang an ein deutlicher Riss durch die Gruppe derer, die politische Veränderungen forderten. In Heidelberg gaben zunächst die gemäßigten Liberalen den Ton an: auf der Bürgerversammlung in der Universitätsaula am 29. Februar und beim Treffen überregional prominenter Oppositioneller am 5. März, als sie darauf setzten, die Neuordnung Deutschlands einem Nationalparlament zu überlassen anstatt selbst den Weg der Revolution zu beschreiten.

Die Demokraten ließen sich nicht entmutigen und warben in den folgenden Wochen auf mehreren Volksversammlungen für die Republik. Die größte Veranstaltung fand am 19. März mit angeblich 25.000 Teilnehmern in Offenburg statt, wo für die Gründung und den überregionalen Zusammenschluss demokratischer Vereine geworben wurde. Das hierfür aufgestellte Programm war ein Kompromisspapier – dieses Mal allerdings mit einem deutlichen radikalen Einschlag, ohne dass jedoch explizit der Sturz der monarchischen Ordnungen gefordert wurde.

Die beiden nächsten großen Volksversammlungen waren in Freiburg und am 26. März in Heidelberg. An diesem Tag zogen "von allen Enden die Haufen herbei mit klingendem Spiel und schwarz-rot-goldenen Fahnen. Sogar die Schwaben kamen", berichtete die Mannheimer Abendzeitung, die die Teilnehmerzahl ähnlich groß schätzte wie in Offenburg. Nach der Begrüßung auf dem Marktplatz durch Bürgermeister Christian Friedrich Winter zog man aufs Schloss, wo mehrere Reden gehalten wurden: von den beiden ortsansässigen Liberalen Karl Theodor Welcker, kurz nach Revolutionsbeginn zum badischen Bundestagsgesandten ernannt, und Karl Joseph Anton Mittermaier, Präsident der Zweiten Kammer des badischen Landtags, sowie für die Demokraten vom Heidelberger Philosophieprofessor Christian Kapp und dem Mannheimer Verleger Heinrich Hoff.
Hoff hatte ein Programm vorbereitet, über das er die Versammelten per Akklamation beschließen lassen wollte. Anlass zur Kontroverse bot vor allem ein Programmpunkt: eine deutsche Verfassung "auf den freiesten Grundlagen, ohne Berücksichtigung der bestehenden Verhältnisse, nach Art der Nordamerikanischen Föderativrepublik". Da dies den Liberalen viel zu weit ging, wurden gleich Alternativformulierungen vorgebracht. Schließlich fand Winter den Kompromiss, man solle bei der Neuordnung Deutschlands die "amerikanische Konförderativverfassung berücksichtigen"; damit wurde das Wort "Republik" vermieden und die "Berücksichtigung" war unpräzise genug, so dass auch die Gemäßigten zustimmen konnten. Als Erfolg konnten die Demokraten immerhin verbuchen, dass die Versammlung die Offenburger Beschlüsse der Vorwoche bekräftigte, obwohl einige von ihnen – die progressive Einkommenssteuer oder die Abschaffung des Adels – ein ganzes Stück weit über die liberalen Ziele hinausgingen.
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In einem Nachspiel der Versammlung zog am Folgetag eine größere Gruppe von Heidelberger Bürgern unter Führung des radikalen Studenten Karl Morel vor das Haus des Bürgermeisters und dankte Winter für "sein kräftiges Wirken in der Volksversammlung zugunsten der republikanischen Verfassung". Die Liberalen hielten am 30. März eine Bürgerversammlung in der Universitätsaula ab, auf der die Bildung einer Bürgerwehr diskutiert wurde. Deren Aufgabe sollte es sein, "jede Gefahr von Innen oder Außen zurückzuweisen" – konkret bedeutete dies, sich gegen ein Übergewicht des demokratischen Radikalismus in der Stadt zu rüsten.
Eine scharfe Deutungskontroverse um die Schlossversammlung wurde in der Presse ausgetragen: In der Deutschen Zeitung klagte der liberale Heidelberger Historiker Ludwig Häusser über eine hinterhältige Taktik der Mannheimer Radikalen, die mit Hoffs Programm die Versammelten hatten überrumpeln wollen, und die demokratischen Konstanzer Seeblätter meinten, auf dem Schlosshof hätten "bezahlte oder blödsinnige Schreier" vergeblich versucht, "den Beschluß des Volkes über die republikanische Verfassung zu beirren". Auch Welcker und Mittermaier sei es nicht gelungen, "mit ihrem historischen und wissenschaftlichen Wasser die hochauflodernde Flamme der Begeisterung auszulöschen".
