175 Jahre Deutsche Revolution

Die Heidelberger Versammlung war "ein Markstein in der Geschichte"

In der Stadt wurde der erste Schritt zur Nationalversammlung gemacht. Das war bedeutend für die Revolution.

03.03.2023 UPDATE: 03.03.2023 06:00 Uhr 2 Minuten, 21 Sekunden
Im Hotel „Badischer Hof“ in der Altstadt tagten Politiker drei Stunden lang hinter verschlossenen Türen. Abbildung: zg

Heidelberg. (RNZ) In diesen Tagen jährt sich der Beginn der Deutschen Revolution im März 1848 zum 175. Mal. In dieser losen RNZ-Serie beleuchtet der Heidelberger Geschichts-Professor Frank Engehausen die bedeutendsten revolutionären Ereignisse in Heidelberg. Heute geht es um die "Heidelberger Versammlung" am 5. März 1848.

Es war das bedeutendste Ereignis der Revolutionszeit in dieser Stadt: Die Heidelberger Versammlung am 5. März 1848 im Hotel Badischer Hof. Wo heute – gegenüber vom Tegut-Supermarkt – eine Volksbank-Filiale ist, wurde damals der erste Schritt auf dem Weg zur Nationalversammlung gemacht, die gut zehn Wochen später, am 18. Mai 1848, in der Frankfurter Paulskirche zusammentrat, um einen deutschen Nationalstaat mit einer modernen Verfassung zu gründen.

Von oben links: Der Liberale Heinrich von Gagern, der Demokrat Gustav Struve, der LiberaleFriedrich Römer, der Historiker Gott-fried Gervinus (unten links) und der DemokratFriedrich Hecker (unten rechts). Abbildungen: zg

Die Versammlung im Badischen Hof war eine unmittelbare Reaktion auf die Nachrichten von der Februarrevolution in Paris, die den französischen König Louis-Philippe seinen Thron gekostet hatte. Seit Ende Februar fanden ausgehend von Mannheim und Heidelberg überall in Deutschland Volksversammlungen statt, auf denen durchgreifende politische Reformen gefordert wurden, darunter auch die Einsetzung einer "Nationalvertretung" beim Deutschen Bund. Wie man diese zustande bringen könne, war das zentrale Thema des Gesprächs, zu dem sich 49 oppositionelle Politiker aus Baden, Württemberg, Hessen, Bayern und der preußischen Rheinprovinz trafen.

Die Einladungen waren auf Initiative des württembergischen Liberalen Friedrich Römer verschickt worden. Heidelberg als Tagungsort war keine Zufallswahl: Die Stadt war mit der Eisenbahn gut zu erreichen, vor allem saß hier die Redaktion der weithin gelesenen liberalen "Deutschen Zeitung", die die Beschlüsse der Versammlung schnell in die Welt tragen könnte.

Die Zusammenkunft im Badischen Hof dauerte drei Stunden und verlief überaus kontrovers. Einige Teilnehmer um die Demokraten Friedrich Hecker und Gustav Struve wollten unmittelbar eine Revolutionsregierung einsetzen, um die Geschicke der rasch wachsenden Protestbewegung zu lenken, während die Gemäßigten um den Historiker Georg Gottfried Gervinus und Heinrich von Gagern den in Frankfurt ansässigen Bundestag mit Volksvertretern aufstocken und in Kooperation mit den Fürsten eine Verfassungsreform bewerkstelligen wollten.

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Mehrheitsfähig war keine der beiden Positionen, sodass die Versammelten nichts beschlossen, was eine Vorentscheidung über die Gestalt des neuen Deutschlands bedeutet hätte. Stattdessen verständigte man sich darauf, eine größere und repräsentativere Versammlung vorzubereiten, der die weiteren Schritte vorbehalten waren.

Dies sollte das später sogenannte Vorparlament sein, das am 31. März 1848 in der Frankfurter Paulskirche zusammentrat und die Modalitäten für die Wahl der Deutschen Nationalversammlung festlegte. Die Vorbereitung des Vorparlaments übernahm ein in Heidelberg eingesetzter Siebener-Ausschuss.

Die in Heidelberg Versammelten beschränkten sich nicht auf organisatorische Dinge wie das Einladungswesen, sondern warben in einem in der Presse veröffentlichten Aufruf für ihre Anliegen: Deutschland dürfe sich nicht militärisch in die inneren Angelegenheiten Frankreichs einmischen, sondern solle sich selbst gegen innere und äußere Gefahren rüsten.

Dafür sei die "Versammlung einer in allen deutschen Landen nach der Volkszahl gewählten Nationalvertretung" nötig. Nur durch sie sei die "Entwickelung der Kraft und Blüthe deutschen Nationallebens" möglich. Den Weg dorthin wollte man aus eigener Kraft beschreiten – ohne Mitwirkung des Bundestages, da die "traurigsten Erfahrungen über die Wirksamkeit der deutschen Behörde das Vertrauen zu derselben so sehr erschüttert haben".

Allerdings sollte das Nationalparlament nicht zwangsläufig in einem revolutionären Akt zustande kommen, denn immerhin die einzelstaatlichen Regierungen forderte man noch auf, "das gesamte deutsche Vaterland und die Throne mit diesem kräftigen Schutzwalle zu umgeben".

Schon die Zeitzeugen würdigten die Bedeutung der Heidelberger Versammlung für die Revolution. Christian Friedrich Wurm, württembergischer Abgeordneter in der Paulskirche, meinte, dass die Heidelberger Erklärung "in der deutschen Verfassungsgeschichte immer denkwürdig bleiben" werde, und sein liberaler Kollege Rudolf Haym hielt in seiner Chronik der Nationalversammlung fest, dass in Heidelberg der "Grund zu dem deutschen Nationalparlamente" gelegt worden sei. Seit 1998 erinnert am Ort des Geschehens am Gebäudeteil in der Schiffgasse eine Gedenktafel an diesen "Markstein in der Geschichte des deutschen Parlamentarismus".

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