Zum Wesen des Pilgerns

Die Länge des Weges ist nicht alles

Eine Woche Pilgern auf dem Jakobsweg, das reicht vielen. Aber entgeht einem durch diese Kürze nicht das Wesentliche?

17.03.2023 UPDATE: 17.03.2023 10:37 Uhr 2 Minuten, 18 Sekunden
Pilger in Saint Jean Pied de Port: Viele machen sich in Gruppen auf den Weg. Foto: Florian Schuh/dpa-tmn​

Von Angelika Mayr

Der Jakobsweg ist anders. Seine Individualität unterscheidet ihn von den übrigen Pilgerwegen. "Man kann ihn gestalten wie man möchte - und auch nur eine Woche entlanglaufen. Das macht unter anderem seine Attraktivität aus", sagt Prof. Klaus Herbers, der Präsident der deutschen St. Jakobus-Gesellschaft.

Nach zögerlichen Anfängen in der Franco-Diktatur erlebte der klassische Jakobsweg durch Nordspanien, der Camino Francés, in den 90er Jahren wieder einen Boom. Noch mehr Zulauf erhielt er 2006 durch Hape Kerkelings Pilger-Bestseller "Ich bin dann mal weg".

Nach einem coronabedingten Einbruch waren die Deutschen im vergangenen Hochsommer in Santiago de Compostela laut Herbers wieder drittstärkste Pilger-Nation. Doch eines hat sich in den Jahrzehnten verändert: die zurückgelegte Strecke der Wanderer.

100 oder 2000 Kilometer

Das Jakobswege-Netz ist groß, viele Routen führen aus Mitteleuropa Richtung Santiago. "Von Deutschland aus sind es – je nachdem, wo man anfängt – nach Santiago gut 2000 Kilometer", sagt Herbers. Ein guter Läufer braucht dafür drei bis vier Monate. Manche möchten aber "nur" die letzten 100 Kilometer meistern und dafür die Urkunde des Pilgerbüros erhalten.

Wo eine Pilgerreise anfängt, ist eigentlich immer individuell gewesen. "Die Vorstellung eines Startpunkts ist erst in den 1980er Jahren entstanden", erklärt Christian Kurrat, Pilgerforscher von der Fern-Universität in Hagen. "Ursprünglich gab es keinen Anfangspunkt." Der Weg zum Grab des Apostels Jakobus habe zu Hause begonnen. "Und natürlich musste man dorthin wieder zurücklaufen."

Stückchenweise den gesamten Weg

Viele Gruppen pilgern ein bis zwei Wochen, setzen aber in den folgenden Jahren immer dort an, wo sie davor aufgehört haben. Am Ende schaffen sie auf diese Weise den gesamten Weg. Auch Klaus Herbers hat mit dem "Stückeln" Erfahrung: "Ich kann das nur empfehlen, wenn man nicht die Zeit hat, den gesamten Weg in einem Zug zu pilgern."

Warum das Aufteilen beliebt ist, dazu gibt es keine empirischen Daten. Pilgerforscher Kurrat vermutet einfache Gründe: verfügbare Zeit, körperliche Fähigkeiten und traditionelle Gepflogenheiten.

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