Von Franz Lerchenmüller
Die große Schlacht ist voll im Gang. Verstoßene Brummer dröhnen wütend durch die Luft, versuchen, sich durch das Tor zurückzukämpfen ins gelobte Zuhause, in dem sie bis zu diesem Zeitpunkt einen so sorglosen Sommer verbracht haben. Aber entschlossen verwehren die Amazonen den Kerlen den Zugang, und entkräftet und verzweifelt taumeln diese schließlich zu Boden, wo schwarz-gelb gestreifte Räuber sich heißhungrig auf sie stürzen. "Die Drohnenschlacht", sagt Arno Kronhuber mit leuchtenden Augen, "ist natürlich auch ein Fest für die Wespen". Mit ihm verfolgen ein Dutzend Zuschauerinnen und Zuschauer fasziniert, wie sich die Stock- und Wächterbienen rechtzeitig vor der Winterruhe der Drohnen, der längst überflüssig gewordenen männlichen Fresser entledigen, die nur dazu gut waren, die Königin zu befruchten.
Einen besseren Pfadfinder ins Reich der Bienen könnte man sich kaum denken, als den drahtigen 31-Jährigen, der mit seiner Tolle und dem Lausbubencharme ein wenig an Tim ohne Struppi erinnert. Mit drei Jahren sammelte er Hummelnester, zum siebten Geburtstag wünschte er sich sein erstes Bienenvolk. Inzwischen ist er Imker-Wanderlehrer und hat in seiner Pension eine kleine Schauimkerei eingerichtet. Wer immer will, kann an seinen zweistündigen Schnupperkursen teilnehmen - gratis.
Sie beginnen mit etwas Theorie über die Anatomie und den Lebenszyklus der Bienen. Dann geht es hinaus zum Bienenvolk, das in einem einfachen Holzkasten haust. Wer will, zieht einen Schleier über den Kopf. Aber die Vertreter der Gattung Apis mellifera carnica erweisen sich tatsächlich als so sanft, wie er sie angekündigt hatte. Weder der Imker, der mit bloßen Händen Rahmen mit dichten Trauben von Bienen heraushebt, um die etwas größere Königin zu zeigen, die zudem mit einem roten Punkt markiert ist, noch irgendein Zuschauer werden gestochen.
Das 7000-Einwohner-Städtchen Hermagor, in dem Arno Kronhuber Zuhause ist, liegt im Gailtal in Kärnten. In der Ebene wachsen Mais und grasen Kühe, in luftigen Stadeln trocknet das Heu. An den Rändern aber steigen die Hänge rasch an und sind bedeckt von Fichten, Tannen und Lärchen - weshalb hier vor allem der dunkle Waldhonig geerntet wird.
Genau das passiert jetzt im weiß gekachelten Arbeitsraum. Aus einem Holzbehälter zieht der Lehrer "reife" Waben. Jetzt darf jeder versuchen, mit der Entdeckelungsgabel die oberste Wachsschicht abzukratzen - ohne dass zu viel Honig verloren geht. Dann kommen die Waben in die Edelstahlschleuder. Ein Knopfdruck und sie beginnt sich zu drehen - zehn Kilo Honig fließen schließlich aus dem Hahn.
Anschließend wird verkostet: Der eben geschleuderte Waldhonig ist dick, dunkel, herb und kratzt am Ende ein wenig im Hals. Der andere dagegen, in dem die Alpenrose dominiert, fließt hell und dünn vom Löffel und schmeckt eher lieblich und fruchtig. "Aber noch fehlen uns die echten Kenner", sagt Arno Kronhofer, "Menschen, die einen Kastanien-, Akazien- oder Lindenblütenhonig so exakt schmecken und beschreiben können, wie die Önologen es beim Wein vermögen."
Gelegentlich müssen sich Arno Kronhofer und seine Kollegen mit unerwünschter Konkurrenz auseinandersetzen. "Klar, dass Bären zugreifen, wenn sie auf einen ungesicherten Bienenstock treffen", sagt die Zoologin Manuela Siller anderntags am benachbarten Weißensee bei ihrer "Lebensraumbegehung von Bär, Luchs, Bart- und Gänsegeier." In den wenig zugänglichen Waldhängen sind mindestens zwei Braunbären Zuhause, um die zehn soll es in ganz Kärnten geben. Zwar ernähren sie sich überwiegend vegetarisch, reichern ihren Speiseplan aber gern mal mit einem Quantum saftiger Bienenlarven an - es ist gar nicht so sehr der Honig, der sie lockt.
Um noch mehr Öffentlichkeit für die Bienen herzustellen, veranstalten Arno Kronhuber und seine Mitstreiter seit 2003 in Hermagor ein Honigfest. Die Blasmusik spielt, der Pfarrer segnet die neue Ernte und hungern muss an diesem Wochenende auch niemand. Es gibt Honigzwieback, Kirchtagskrapfen und Krapfenbrezn, und aus einem eisernen Ofen duftet es würzig nach Wildschwein. Auch an lokalen Mitbringseln herrscht kein Mangel: Arnikaschnaps, Zirbenlikör, Lärchenmassageöl. Und Propolis-Balsam gegen trockene Lippen, Bienenwachskerzen für den guten Duft, Honigwein und Honigschnaps zur besseren Verdauung - alles dreht sich um die Bienen.
Im gläsernen Schauhaus nimmt Arno Kronhofer eine Wabe aus einem Stock, zeigt frische Brut und eine Biene, die gerade schlüpft, schüttelt die Bienentraube ab, dass der frische Nektar spritzt - und die Tiere lassen alles mit sich geschehen, ohne erkennbar ärgerlich zu werden. Als er ins Freie tritt, prasseln die Fragen nur so auf ihn ein: "Warum werden Sie nicht gestochen? Wie viele Königinnen hat ein Volk? Ist es nicht ungerecht, den Bienen den Honig wegzunehmen?"
Jeder Verein hat Gläser mit der neuen Ernte mitgebracht, überall darf man kosten. Und jetzt bräuchte es tatsächlich jemanden, der konzentriert seinen Löffel ableckte, die flüssige oder cremige Masse ein wenig im Mund hin und herschöbe, kaute und dann mit gerunzelter Stirn konstatierte: "Der diesjährige Gailtaler Jahrgang zeichnet sich aus durch eine kräftige Grundnote frischer Tanne, umrankt von zarten Schwarzbeeraromen und Anflügen von Himbeerduft. Anmutungen von Apfelblüte und Löwenzahn spielen hinein, Erinnerungen an Birne zünden, im Einklang mit früher Alpenrose, ein kleines Geschmacksfeuerwerk am Gaumen. Im Abgang verfestigt sich dann die Gewissheit ..."