Gefahrenzone Haushalt

Wenn zu Hause Unfälle passieren

Zu Hause kommt es öfter zu Unfällen, als man denkt. Beherzigt man einige Tipps, kann man im Notfall wirksam Erste Hilfe leisten.

04.09.2019 UPDATE: 04.09.2019 10:50 Uhr 3 Minuten, 17 Sekunden
Bei Kindern kommt es im Haushalt häufig zu Vergiftungen. Foto: dpa

Von Aline Dammel

Während die Risiken des Straßenverkehrs allgemein bekannt sind, werden Gefahren im eigenen Heim häufig unterschätzt. Dabei geht es keineswegs bloß um kleine Kratzer: Nicht selten enden Unfälle im Haushalt sogar mit dem Tod. So sind nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2017 in Deutschland etwa 11 000 Menschen durch Haushaltsunfälle ums Leben gekommen - im Vergleich zu rund 3300 Verkehrstoten.

Und eine weitere Zahl springt ins Auge: "Jährlich haben vier Millionen Menschen in Deutschland Arztkontakt nach einem Haushaltsunfall", sagt Tobias Helfen. Er ist Facharzt für Orthopädie, Unfallchirurgie und Notfallmedizin am Klinikum der Universität München (KUM). Die Fälle reichten von Stürzen von der Leiter beim Fensterputzen über abgetrennte Finger beim Rasenmähen bis hin zu dem Kind, das unbemerkt Reinigungsmittel trinkt.

Kinder und Ältere besonders gefährdet

"Insgesamt sind besonders Kinder und Ältere gefährdet", sagt Prof. Peter Sefrin. Kinder, weil sie die Gefahren noch nicht kennen, und Ältere, weil sie nicht mehr so sicher und widerstandsfähig seien, erläutert der Bundesarzt des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). "Bei Kindern kommt es häufig zu Verbrennungen und Vergiftungen. In beiden Fällen kann es lebensgefährlich werden."

Aber auch die Gefahr durch Stürze ist nicht zu unterschätzen. Unter den Haushaltsunfällen kommen sie mit großem Abstand am häufigsten vor, sagt Susanne Woelk. "Die Verletzungen reichen von harmlosen Prellungen über Knochenbrüche an Armen und Beinen bis zum Schädelbasisbruch", so die Geschäftsführerin der Aktion "Das Sichere Haus" (DSH). Am stärksten seien Ältere ab 65 Jahren gefährdet.
"Das Sturzrisiko steigt mit dem Alter."

Jedes Jahr sind also millionenfach Ärzte gefragt, weil in privaten Haushalten verheerende Missgeschicke passieren. Aber wenn die Großmutter auf dem Teppich ausrutscht oder der Sohnemann in den Gartenteich fällt, ist in der Regel erst einmal kein Mediziner zur Hand. Abwarten, bis der Arzt kommt, ist aber in vielen Fällen keine Option. Im Gegenteil: Erste Hilfe kann lebenswichtig sein, auch in den eigenen vier Wänden.

Wie man zu Hause Erste Hilfe leistet

Was also ist zu tun? Zunächst sollte man immer die richtige Notrufnummer parat haben. "Die Nummer 112 kennt jeder, sinnvoll ist es aber auch, die Telefonnummer des nächstgelegenen Gift-Informationszentrums gut sichtbar in der Nähe des Telefons zu haben", rät Woelk. Für den Giftnotfall - typischerweise mit Kindern - spielen nicht nur Chemikalien eine Rolle. "Es können auch Pflanzen im Garten sein, zum Beispiel Tollkirsche oder Stechapfel, und dabei reichen schon geringe Mengen", erklärt Sefrin.

Auch Eigenschutz kann in den ersten Momenten nach einem Unfall entscheidend sein, insbesondere bei Strom- und Gasunfällen. "Sonst will ich helfen und liege dann auch daneben", sagt Helfen.

Ist der Notarzt auf dem Weg und die eigene Sicherheit gewährleistet, kann es mit den eigentlichen Hilfsaktionen losgehen. Dafür gehören laut Helfen in das Repertoire jedes Ersthelfers: die Herz-Lungen-Wiederbelebung, die stabile Seitenlage und die Blutstillung. Das sind die Maßnahmen, die mitunter zwischen Leben und Tod entscheiden.

Allerdings können je nach Verletzung in den etwa zehn Minuten, die zwischen Notruf und Eintreffen der Rettungskräfte durchschnittlich vergehen, auch andere Hilfsaktionen notwendig sein: So kommt es in Haushalten regelmäßig zu Verbrennungen, beispielsweise wenn ein Kind eine Tasse mit heißem Kaffee vom Tisch zieht oder ein Familienvater beim Grillen kräftig mit Spiritus einheizt. Bei Brandverletzungen gilt für die Erste Hilfe: Kühlen, aber nicht zu viel.

Nicht alles aus alten Kursen noch aktuell

Helfen weist darauf hin, dass betroffene Patienten oft unterkühlt in der Klinik ankommen: "Es wird fast schon zu gut gekühlt". Weil durch die verletzte Hautbarriere ohnehin schon mehr Wärme verloren geht, sollte man es mit der Kühlung nicht übertreiben. Der Münchner Arzt empfiehlt gemäßigtes Kühlen: "Normal temperiertes Wasser reicht, es muss nicht der Eisbeutel sein". Und nach zehn Minuten sei der Nachbrenneffekt vorbei, dann reiche es auch.

Genauso gilt es bei Knochenbrüchen, alte Annahmen zu überdenken: "Früher dachte man, man müsse schienen. Heute ist das aber nicht mehr erforderlich", sagt Sefrin. Der Rettungsdienst habe da bessere Möglichkeiten. Für die Erste Hilfe durch den Laien reicht es aus, anderweitig zu stabilisieren. So rät Sefrin bei einem Beinbruch: "Man kann eine Decke oder einen Gegenstand ans Bein legen, um Bewegung zu verhindern". Damit vermeide man Schmerz und weitere Verletzungen.

Mehr als nur ein Erste-Hilfe-Kurs

Wer sich nicht mehr ganz sicher ist, in welchem Rhythmus man Herzmassage und Mund-zu-Mund-Beatmung am besten ausführt oder wie man einen Druckverband anlegt, kann sein Wissen bei einem Erste-Hilfe-Kurs auffrischen. Denn was man einmal für den Führerschein gelernt hat, bleibt nicht über Jahre präsent.

Auch für spezielle Zielgruppen werden Kurse angeboten: "Es gibt zum Beispiel Erste-Hilfe-Kurse für Eltern", sagt Sefrin. Den Besuch eines solchen Kurses lege er Eltern besonders ans Herz. "Erste-Hilfe-Kurse speziell für Leute, die sich um Senioren kümmern, gibt es auch", sagt Helfen. Aber eigentlich solle jeder einen machen.

Noch besser ist es aber, wenn es gar nicht erst zu einem Unfall kommt: "Nicht erst handeln, wenn's passiert ist, sondern schon vorher präventiv aktiv werden", mahnt Helfen. So kann eine umsichtig platzierte Anti-Rutsch-Matte, die angemessene Schutzkleidung beim Heimwerken oder der sicher verriegelte Putzmittelschrank gewiss das eine oder andere Unglück abwenden.