ABS fürs Velo

Mehr Sicherheit für Elektrofahrräder

Bei Autos und Motorrädern zählt das Antiblockiersystem schon zur Normalausstattung. Jetzt stoppen die ersten Elektrofahrräder mit der Stotterbremse. Ein neuer Trend?

05.07.2019 UPDATE: 05.07.2019 09:50 Uhr 2 Minuten, 56 Sekunden
Mountainbiker könnten vom ABS besonders profitieren: Auf Schotter und anderem rutschigen Untergrund, blockieren die Räder beim Bremsen besonders rasch. Foto: dpa

Von Fabian Hoberg

Berlin/München (dpa) - Plötzlich kullert ein Fußball auf die Straße. Die Radfahrerin zieht zu fest am Bremshebel, das Vorderrad blockiert, rutscht weg - und sie liegt auf dem Asphalt. Mit ABS wäre der Unfall nicht passiert. Während bei neuzugelassenen Motorrädern das Antiblockiersystem Pflicht ist, kommen nun auch Elektrofahrräder mit dem Bremsassistenten auf den Markt. Sinnvolles Zubehör oder Technik-Schnickschnack für verwöhnte Radler?

ABS soll ein Blockieren der Räder verhindern. Während die Stotterbremse bei Autos vor allem für Lenkfähigkeit bei einer Vollbremsung sorgt, soll sie bei Zweirädern in erster Linie Stürze verhindern.

"Blockierende Vorderräder führen unweigerlich zum Sturz, da die Drehbewegung des Rades für die Stabilität verantwortlich ist", sagt Siegfried Brockmann von der Unfallforschung der Versicherer (UDV). In kritischen Situationen werde das ABS zum Lebensretter. Es stellt, so der Experte, den "höchstmöglichen Bremsdruck bereit, ohne dass das Rad blockiert". So werde bis zum Hindernis maximal Geschwindigkeit abgebaut, während ein rutschendes Rad gar nicht verzögern würde.

Kein Wunder also, dass die Technik auch für Fahrräder interessant wird. Gerade bei Modellen mit starken Trommel- oder Scheibenbremsen kann das Vorderrad schon bei wenig Bremshebel-Druck blockieren, vor allem auf Schotter und feuchter Fahrbahn.

Für Pedelecs sei das Assistenzsystem sinnvoll und vernünftig, weil diese im Durchschnitt auch schneller fahren als normale Räder, findet Brockmann. Zudem passieren auf Pedelecs viele Alleinunfälle - an denen also keine weiteren Fahrzeuge beteiligt sind. Das hänge auch mit den oft älteren Nutzern von Elektrofahrrädern zusammen, die oftmals das Gewicht und die Geschwindigkeit der Räder unterschätzen würden.

Fahrrad-ABS hat allerdings seinen Preis. Rund 500 Euro Aufpreis muss man einkalkulieren.

Die Funktionsweise des ABS ist ähnlich wie beim Motorrad: ein Drehzahlsensor erkennt eine Blockade und löst durch ein Magnetventil den Druck in der hydraulischen Leitung. "Ein echtes ABS funktioniert nur bei einem hydraulischen Bremssystem", sagt Brockmann. Und für die Aufgabe benötige es eine stabile Stromversorgung. Deshalb komme ABS auch eher für Elektrofahrräder in Frage.

Bei konventionellen Fahrrädern ohne Stromversorgung sieht Brockmann dagegen auch in Zukunft kein ABS - aber eine mechanische Kombibremse, die den Bremsdruck zwischen Vorder- und Hinterrad variieren könnte. Bei einer Vollbremsung und einem blockierenden Vorderrad würde das System die Bremskraft auf die hintere Bremse leiten. Noch sind solche Systeme aber nicht auf dem Markt.

Schon Anfang der 1990er Jahre zogen die ersten Bremshilfen in Fahrräder ein. Damals sollten sie jedoch die Bremskraft im Hinterrad bei Mountainbikes steuern und ein Blockieren verhindern. Später kamen sogenannte Bremskraftvernichter für Vorderbremsen hinzu, weil selbst moderne Seilzugbremsen wie die V-Brake von Shimano eine höhere Hebelwirkung aufbauen und damit stärker bremsen konnten.

Eigene Antiblockiersysteme für Fahrräder haben unter anderem die deutschen Hersteller Bosch und Brakeforceone entwickelt, vorwiegend für Pedelecs. Denn diese verfügen bereits über ausreichend Energie in ihren Batterien, damit das ABS funktioniert. Das eBike ABS genannte System von Bosch wiegt rund 800 Gramm. Es wird vom Radhersteller montiert, zum Nachrüsten gibt es das System nicht.

"ABS für Pedelecs und E-Bikes können sinnvoll sein, da das ABS gefährliche Stürze verhindern kann", sagt auch René Filippek vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC). Doch seien erst wenige Systeme auf dem Markt und noch teuer. Filippek rechnet daher vorerst mit einem Einsatz bei hochwertigen Rädern.

"Sobald die Systeme günstiger und leichter werden, wird ABS auch für preiswertere Elektroradklassen interessant", schätzt Filippek. Das könne schon in drei bis fünf Jahren passieren.

Bei konventionellen Fahrrädern benötigen die Bremshilfen eine externe Stromversorgung und sind nicht nur teuer, sondern auch schwer. Daher rechnet Filippek hier nicht mit einer hohen Einbaurate.

Eine unabhängige Einschätzung, wie viele Unfälle durch ABS bei Fahrrädern verhindert werden können, gibt es laut dem ADFC-Experten nicht. Laut einer Studie der Bosch-Unfallforschung ließe sich mit dem System aber fast jeder vierte Pedelec-Unfall vermeiden und das Risiko von Stürzen und Überschlägen verringern.

Den möglichen Nutzen von ABS bei Pedelecs sieht auch Rudolf Bergen vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR): "Bei Fahrradtrainings sehen wir, dass richtiges Bremsen geübt werden muss", erklärt er. Viele Radfahrer bremsten aus Angst vor einem Sturz zu sanft oder überbremsten das Rad, was zu Überschlägen führen kann. "Mit einem ABS wird das Bremsen vereinfacht - und die Sicherheit steigt."

Die technische Verbreitung und Weiterentwicklung von Sicherheitssystemen am Fahrrad sei zu begrüßen, sagt der DVR-Experte. Noch wichtiger aber seien umsichtige Radler. Damit meint er vorausschauendes und rücksichtsvolles Fahren ebenso wie das Beachten der Verkehrsregeln.

Eine Hauptunfallursache beim Radfahren sei unter anderem das Fahren auf der falschen Straßenseite. Mit einer umsichtigen Fahrweise seien Radfahrer sicherer unterwegs. Auch ohne ABS.