IW-Chef im RNZ-Interview

Atomkraft kann Alternative für russisches Gas sein

IW-Direktor Michael Hüther reichen Habecks Pläne für mehr Unabhängigkeit vom russischen Gas nicht aus.

21.06.2022 UPDATE: 22.06.2022 06:00 Uhr 1 Minute, 46 Sekunden
Gedrosselte Gaslieferungen und Sorge um Energie-Engpässe: Die Folgen des Ukraine-Kriegs heizen die Debatte über mögliche Laufzeitverlängerungen der deutschen Atommeiler immer wieder an. Foto: dpa
Interview
Interview
Michael Hüther
Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW)

Berlin. (geh) Ein Interview mit Professor Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW).

Russland kappt die Gas-Lieferungen mehr und mehr. Bedeutet das für die deutsche Wirtschaft den Absturz in die Rezession?

Wir sind auf dem Wege dahin. Die Anpassungen der Industrie weg vom Gas ist nicht einfach von heute auf morgen zu machen. Und selbst im ambitionierten Plan von Minister Habeck sind ja für das Jahr 2024 immer noch zehn Prozent russisches Gas dabei. Die Abhängigkeit ist aber schon etwas runtergefahren. Wir müssen jetzt sehen, dass wir stärker umschichten, indem wir, wie der Minister es vorschlägt, weniger Gas für die Verstromung umsetzen. Und wir müssen schauen, ob wir kurzfristig nicht mehr als zwei Flüssiggas-Terminals nutzen können.

Verfolgt Wirtschaftsminister Habeck die richtige Strategie, indem er auf weniger Gaseinsatz beim Strom setzt?

Ja. Man muss pragmatisch vorgehen und sehen, wo man die größten Hebel hat. Natürlich sind auch die privaten Haushalte beim Sparen gefragt und mit im Boot. Aber die kann man im Grunde nur moralisch ansprechen, etwa indem man an sie appelliert, die Raumtemperatur im Herbst und Winter etwas zu senken. Den Gaseinsatz beim Strom zu senken, ist sicherlich der richtige Ansatz. Allerdings frage ich mich, ob der Ersatz von Gas- durch Kohlekraftwerke der richtige Weg ist oder klimatechnisch nicht mehr dafür spricht, die noch aktiven Atomkraftwerke länger laufen zu lassen.

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Muss Habeck stärker auf Vorgaben setzen statt auf Appelle und Anreize?

In der Tat. Ich denke, dass wir in einer Situation sind, in der man überlegen muss, wie und auf welcher gesetzlichen Basis man konkrete Vorgaben machen kann. Aber wir sind ja nicht freiwillig in dieser Lage, sondern unter Druck geraten. Das bedeutet, dass man jetzt sehr zügig Dinge machen muss, ohne alle nötigen Instrumente zu haben. Wenn sich das, was wir von russischer Seite erleben, allerdings so fortsetzt, werden wir nicht um klare Vorgaben herumkommen, um uns widerstandsfähig zu machen. Das Grundproblem ist, dass wir vor allem in der Grundstoffindustrie nicht so schnell auf der Gasnutzung herauskommen.

Habeck will zum Ersatz für Gas beim Strom Kohlekraftwerke aus der Reserve holen. Sind auch längere Kernkraftwerkslaufzeiten Alternativen?

Wenn man drei Atomkraftwerke länger laufen ließe, hätte man schon einen nicht unerheblichen Beitrag zur Stromerzeugung. Man muss das ja nicht dauerhaft machen. Ich habe immer dafür geworben, die Atomkraft mit ins Spiel zu bringen, um sie als eine Art Rückversicherung für den Fall der Fälle, wenn wir sie brauchen, nutzen zu können. Wir müssen alle Optionen nutzen. Das gleiche gilt für das Fracking. Wir können nicht Gas aus anderen Ecken der Welt kaufen, etwa in den USA Fracking-Gas mit damit verbundenen Umweltfolgen, und uns selbst die Hände nicht dreckig machen. Insofern müssen wir in Deutschland Gasvorkommen da, wo sie sie haben, auch selbst nutzen.

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