Gekündigter Betriebsrat

Arbeitsgericht bestätigt Einigung bei SAP (Update)

Überraschende Wende im Rechtsstreit bei der Güterichterverhandlung in Mannheim

16.01.2020 UPDATE: 17.01.2020 12:12 Uhr 3 Minuten, 33 Sekunden
Symbolfoto: dpa

Von Matthias Kros

Gekündigter SAP-Betriebsrat offenbar zurückgetreten

Mannheim. Nach der erfolgreichen Güterichterverhandlung vor dem Arbeitsgericht Mannheim ist das von SAP gekündigte Betriebsratsmitglied offenbar mit sofortiger Wirkung von seinem Posten zurückgetreten. Das verlautete am Freitag aus dem Umfeld der Arbeitnehmervertretung. Der Rücktritt könnte Teil der Einigung sein, die beide Seiten am Donnerstag erzielt hatten und spricht dafür, dass der Betroffene nicht mehr ins Unternehmen zurückkehren wird.

Die grundsätzliche Verständigung von SAP und dem gekündigten Betriebsratsmitglied hatte das Arbeitsgerichts Mannheim am Freitag bestätigt (Aktenzeichen 11 Ca 434/19). "Die Parteien haben am Donnerstag im Rahmen einer Güterichterverhandlung eine gemeinsame Lösung gefunden", erklärte eine Sprecherin. "Die Vorwürfe konnten ausgeräumt werden." Über die Inhalte der Vereinbarung hätten beide Parteien allerdings Stillschweigen vereinbart. Auch die SAP und die Christliche Gewerkschaft Metall (CGM), die den Betroffenen vertritt, nannten keine Details und verwiesen stattdessen auf die kurz gehaltene Mitteilung des Arbeitsgerichts. Nicht einmal eine allgemeine Bewertung der erzielten Ergebnisse wollten die Konfliktparteien vornehmen.

Der Walldorfer Softwarekonzern hatte Anfang August das Betriebsratsmitglied außerordentlich und fristlos entlassen, obwohl er - wie andere Arbeitnehmervertreter auch - einen besonderen Kündigungsschutz besitzt. Grund waren Massen-E-Mails, sogenannte Newsletter, die er regelmäßig an eine Vielzahl von SAP-Mitarbeitern verschickt hatte und die laut Arbeitgeber zum Teil unwahre und diffamierende Äußerungen enthielten. Damit soll der Betriebsfrieden gestört worden sein. In den Rundschreiben ging es unter anderem um die angeblich ungerechte Beförderungspraxis bei der SAP.

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Der Betroffene klagte umgehend vor dem Arbeitsgericht Mannheim auf Wiedereinstellung. Bei einem ersten Gütetermin Mitte Oktober vergangenen Jahres regte Richterin Claudia Fath wegen der hohen Komplexität des Falles eine außergerichtliche Einigung an. Die Kontrahenten verständigten sich schließlich auf die Güterichterverhandlung.

Sie ist grundsätzlich aus dem normalen Prozessablauf herausgenommen. Es handelt sich um eine Art Mediation, die den Parteien ermöglichen soll, in formloser Atmosphäre und ohne Rechtsanwälte selbst eine Lösung für ihren Streit zu finden. Geleitet wurde sie im Fall SAP von der Arbeitsrichterin Kerstin Miess, die über die spezielle Qualifikation einer Güterichterin verfügt.

Ohne die erzielte Einigung bei der Güterichterverhandlung hätte der Fall gerichtlich geklärt werden müssen. Der Ausgang eines Verfahrens wäre dabei völlig offen gewesen. Richterin Fath hatte bei dem Gütetermin im Oktober gesagt, sich an keinen vergleichbaren Fall erinnern zu können. "Ich habe die Sache tagelang durchdacht, ohne mir zumindest eine vorläufige Meinung dazu bilden zu können", hatte sie gesagt und die Chancen auf den Ausgang des Rechtsstreits auf "50:50" beziffert.

Die SAP war lange ohne einen Betriebsrat ausgekommen, erst im Jahr 2006 wurde das Gremium gegen große Widerstände gegründet. Mittlerweile ist der Betriebsrat bei den Walldorfern zwar etabliert und verfügt über einen entsprechenden Rückhalt in der Belegschaft. Das 43-köpfige Gremium ist allerdings stark zersplittert, derzeit gibt es elf verschiedene Gruppierungen.

Regelmäßig prallen daher unterschiedliche Einzel-Meinungen aufeinander, immer wieder ist von hitzigen Diskussionen innerhalb des Betriebsrates die Rede. Teilweise wurden diese in der Vergangenheit sogar von gegenseitigen öffentlichen Diffamierungen begleitet. Eine Kündigung von Betriebsräten hatte es bei den Walldorfern in der Vergangenheit allerdings noch nicht gegeben.

Update: Freitag, 17. Januar 2020, 17 Uhr


Von Matthias Kros

Mannheim. Die Güterichterverhandlung um das gekündigte Betriebsratsmitglied bei der Walldorfer SAP hat am Donnerstag offenbar eine Einigung gebracht. Ein Unternehmenssprecher widersprach dem nicht, wollte aber auf Anfrage noch keine Details nennen. Die Christliche Gewerkschaft Metall (CGM), die das Betriebsratsmitglied vertritt, teilte lediglich mit, dass man eine gütlichen Einigung grundsätzlich begrüße und kündigte eine Stellungnahme für Freitag an. Dem Vernehmen nach haben sich die Kontrahenten auf eine Vorruhestandsregelung für den Betroffenen geeinigt.

Der Softwarekonzern hatte Anfang August dem Betriebsratsmitglied außerordentlich und fristlos gekündigt. Grund waren Massen-E-Mails, sogenannte Newsletter, die er regelmäßig an eine Vielzahl von SAP-Mitarbeitern verschickt hatte und die laut Arbeitgeber zum Teil unwahre und diffamierende Äußerungen enthielten. Damit soll der Betriebsfrieden gestört worden sein.

Der Betroffene klagte umgehend vor dem Arbeitsgericht Mannheim auf Wiedereinstellung. Bei einem ersten Gütetermin Mitte Oktober vergangenen Jahres regte Richterin Claudia Fath wegen der hohen Komplexität des Falles eine außergerichtliche Einigung an. Die Kontrahenten verständigten sich schließlich auf die Güterichterverhandlung.

Sie ist grundsätzlich aus dem normalen Prozessablauf herausgenommen. Es handelt sich um eine Art Mediation, die den Parteien ermöglichen soll, in formloser Atmosphäre und ohne Rechtsanwälte selbst eine Lösung für ihren Streit zu finden. Geleitet wurde sie im Fall SAP von der Arbeitsrichterin Kerstin Miess, die über die spezielle Qualifikation einer Güterichterin verfügt.

Ein Festhalten an der Kündigung wäre für SAP rechtlich fraglos riskant. Denn wegen ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben genießen Betriebsratsmitglieder in Deutschland einen besonderen Kündigungsschutz. Ein Rauswurf ist grundsätzlich nur bei einer schwerwiegenden Verletzung von Arbeitnehmerpflichten möglich.

Voraussetzung ist außerdem, dass die Mehrheit des Betriebsrats der Kündigung im Vorfeld zugestimmt hat. Bei SAP sind derartige Abstimmungen auf einen siebenköpfigen Ausschuss delegiert, der im vorliegenden Fall tatsächlich mit knapper Mehrheit eingewilligt hatte. Auch auf dieser Basis hatte SAP argumentiert, dass die Kündigung rechtens sein müsse.

In den umstrittenen Newslettern ging es unter anderem um vier einzelne Fälle, in denen Mitarbeitern eine angeblich fällige Beförderung verwehrt worden sein soll. Das Betriebsratsmitglied vermutet dahinter eine Systematik der Geschäftsführung, um Geld zu sparen und prangerte das in den Rundschreiben entsprechend an. Sogar den eigenen Betriebsratsmitgliedern warf er in diesem Zusammenhang eine subversive Zusammenarbeit mit dem Management vor.

Die Geschäftsführung argumentierte, man habe einschreiten müssen, schon weil eine "Fürsorgepflicht" für die Belegschaft bestehe. Deshalb sei das Betriebsratsmitglied vor der Entlassung bereits zweimal abgemahnt worden, das Vertrauensverhältnis sei zerstört.

Update: 16. Januar 2020, 20.30 Uhr

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