SAP stellt Russland-Geschäft komplett ein – BASF tritt auf die Bremse
Die Konzerne der Region unterstützen die Sanktionen wegen des Ukraine-Krieges. Nun werden Alternativen zu russischem Gas gesucht.

Heidelberg. (mk/dpa) Der Krieg in der Ukraine hält die Wirtschaft weiter in Atmen. Jetzt haben – von den Sanktionen gebremst – auch die ersten Konzerne der Region ihre Russland-Aktivitäten heruntergefahren.
SAP stoppt Russland-Geschäft: Die Walldorfer SAP stellt sich voll hinter die aktuellen Sanktionen gegen Russland: "Wirtschaftssanktionen gegen Russland sind ein wichtiger Mechanismus bei den Bemühungen um die Wiederherstellung des Friedens", schreibt Konzernchef Christian Klein in einer öffentlichen Stellungnahme. Man stehe in ständigem Austausch mit Regierungen auf der ganzen Welt, habe vollstes Vertrauen in ihre Führung und unterstütze die bisher ergriffenen Maßnahmen voll und ganz. "Im Einklang mit den Sanktionen stellen wir das Geschäft in Russland ein und pausieren darüber hinaus alle Verkäufe von SAP-Dienstleistungen und -Produkten in Russland", so Klein.
Für die Invasion Russlands in die Ukraine hat der Manager nicht das geringste Verständnis: "Wie der Rest der Welt beobachten wir den Krieg in der Ukraine mit Entsetzen und verurteilen die Invasion aufs Schärfste", so Klein. "Eine derart unmenschliche und ungerechtfertigte Handlung ist ein Angriff auf die Demokratie und die Menschlichkeit. Ihre Folgen betreffen uns alle".
Da Hunderttausende von Menschen auf der Flucht seien, sei es von entscheidender Bedeutung, schnell eine Unterkunft zu finden und bereitzustellen. Man habe deshalb zunächst eine Million Euro an humanitärer Hilfe für die Menschen in der Ukraine bereitgestellt und arbeite mit nationalen Rotkreuzorganisationen, dem UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) und anderen Organisationen zusammen, um die SAP-Technologie zur Unterstützung ihrer Bemühungen anzubieten. "Beispielsweise können unsere Softwarelösungen Organisationen dabei helfen, Flüchtlinge zu registrieren, Freiwilligeneinsätze zu koordinieren und humanitäre Güter zu beschaffen". Darüber hinaus arbeite man mit der US-Tochter Qualtrics zusammen, um es Organisationen und regionalen Behörden zu ermöglichen, Unterkunftsangebote auf Bedürftige abzustimmen, sowie bei Verwaltungsverfahren, Rechtsverfahren und Sprachunterstützung zu helfen. "Wir haben auch angeboten, unsere Büroflächen an Standorten in ganz Europa in Lager und Unterkünfte für Flüchtlinge umzuwandeln".
Die Sicherheit und der Schutz der Kollegen in der Region sei darüber hinaus von größter Bedeutung. "Für die Kollegen, die sich entschieden haben, die Ukraine zu verlassen, stellen wir finanzielle und logistische Unterstützung bereit, um diesen unglaublich schwierigen Schritt so einfach wie möglich zu machen", so Klein. Wie groß und wichtig der russische Markt für die SAP ist, sagte ein Unternehmenssprecher am Donnerstag auf Anfrage nicht.
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BASF auf der Bremse: Auch die Ludwigshafener BASF steht hinter den Sanktionen gegen Russland, zieht sich aber nicht vollständig aus dem Markt zurück: "Mit sofortiger Wirkung wird BASF in Russland und Belarus nur noch Geschäfte tätigen, mit denen bestehende Verpflichtungen im Einklang mit den geltenden Gesetzen, Vorschriften und internationalen Regeln erfüllt werden", teilte eine Sprecherin auf Anfrage mit. Neue Geschäfte in Russland und Belarus werd BASF nicht abschließen – mit Ausnahme von solchen, die der Nahrungsmittelproduktion im Rahmen humanitärer Maßnahmen dienen. Änderungen sind dabei möglich: "BASF wird diese Entscheidungen und andere Aspekte in dieser sich ständig weiterentwickelnden Lage fortlaufend bewerten".
Alternativen zu russischem Gas gesucht: Wegen der Spannungen mit Russland sucht die EU-Kommission neue Wege, um die europäischen Gasspeicher bis Oktober zu mindestens 80 Prozent zu füllen. Das kündigte Energiekommissarin Kadri Simson am Donnerstag an. "Das ist eine riesige Aufgabe", sagte sie in einer Anhörung des Europaparlaments. Nächste Woche will die Behörde einen Plan vorlegen, der auch den Anstieg der Gaspreise unter Kontrolle bringen soll. Geplant sind verpflichtende Mindestfüllstände der Gasspeicher.
Volkswagen zieht sich zurück: Auch Volkswagen setzt sein Russland-Geschäft wegen des Krieges gegen die Ukraine aus. "Vor dem Hintergrund des russischen Angriffs hat der Konzernvorstand entschieden, die Produktion von Fahrzeugen in Russland bis auf weiteres einzustellen", hieß es am Donnerstag. Auch sämtliche Exporte der größten europäischen Autogruppe in die Russische Föderation würden "mit sofortiger Wirkung gestoppt". Einzelne Marken wie Porsche äußerten sich ebenso. VW betreibt in Kaluga südwestlich von Moskau und im weiter östlich gelegenen Nischni Nowgorod eine eigene Fertigung. An den Standorten werde die Produktion jetzt vorerst beendet, teilten die Wolfsburger mit. Ebenso sollen keine Autos mehr nach Russland ausgeführt werden.
Viel Diesel aus Russland: Der Krieg in der Ukraine treibt die Preise an den Zapfsäulen nach oben, insbesondere Diesel hat sich verteuert. Laut Institut der deutschen Wirtschaft (IW) ist ein Grund dafür, dass Russland ein wichtiger Lieferant für Diesel ist: 15 Prozent des in Deutschland vertankten Diesels stammten im Jahr 2019 aus russischen Raffinerien, wie das IW am Donnerstag mitteilte. Aufgrund der vielen Diesel-Pkw in Deutschland und Europa besteht in der gesamten EU eine Produktionslücke - die europäischen Raffinerien können nicht genug Diesel herstellen, um den Bedarf zu decken, wie das IW ausführte.
Twitter sperrt Konten: Nach dem Verbot von RT und Sputnik durch die EU hat der Kurznachrichtendienst Twitter die Konten der beiden russischen Staatsmedien gesperrt. Die Accounts der Medien können seit Donnerstag in der EU nicht mehr aufgerufen werden. Wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine hatte die EU den Staatsmedien am Mittwoch sowohl im Fernsehen als auch im Internet untersagt, ihre Inhalte zu verbreiten.
Die Entscheidung betrifft sowohl Inhalte auf Deutsch als auch auf Englisch, Französisch und Spanisch. Brüssel wirft den beiden russischen Staatsmedien vor, Desinformation zu verbreiten. Facebook und Instagram, die beide zum US-Unternehmen Meta gehören, hatten bereits am Montag die Sperrung von RT und Sputnik in Europa angekündigt. Am Dienstag unternahm auch die Videoplattform Youtube diesen Schritt.
Börse stoppt Handel: Die Londoner Börse hat seit der Einführung britischer Sanktionen nach eigenen Angaben den Handel mit 28 Wertpapieren gestoppt, die in Verbindung mit Russland stehen. Das gab Börsenchef David Schwimmer am Donnerstag bekannt. Die Maßnahme gründe sich auf Sanktionen und solle es ermöglichen, die Geschäfte geordnet weiterzuführen. Unter anderem hatte die London Stock Exchange in der vergangenen Woche die Aktien der zweitgrößten russischen Bank VTB aus dem Handel genommen. Sie gehört zu den Instituten, deren Ausschluss aus dem Banken-Kommunikationssystem Swift inzwischen beschlossen wurde.
Update: Donnerstag, 3. März 2022, 20.37 Uhr