Start-Up

Große Kuppeln mit kleinem ökologischen Fußabdruck

Das Mannheimer Unternehmen "Vision Domes" baut Festivalzelte, Wintergärten oder Tiny Houses, die dank ihrer besonderen Struktur Ressourcen schonen.

29.11.2021 UPDATE: 30.11.2021 06:00 Uhr 3 Minuten
Die Gründer von Vision Domes (von links): Leo Schleith, Jonas Krüger und Philipp Jungk. Durch die Entwicklung einer geodätischen Struktur machen sie es möglich, ressourcenschonend Räume zu entwickeln. Foto: Vision Domes/Lerato

Von Marco Partner

Ein Hochzeitspavillon aus ausgedienten Lattenrosten, ein Festivalzelt in Kugelform, das schon mit ein paar Handgriffen auf- und wieder abgebaut ist: Was einst als Schlaf- und Schlummerunterlage diente, kann nun vor Regen, Sturm und Kälte schützen – oder einfach schick aussehen. Mit ihrer Idee von vielseitig einsetzbaren Kuppel-Konstruktionen aus nachhaltigen Ressourcen hat sich das Mannheimer Start-Up-Unternehmen "Vision Domes" gegründet, und ist mit seinen Iglu-artigen Bauwerken nicht nur für mehrere Kreativpreise nominiert, sondern hat auch beim Reeperbahn-Festival in Hamburg für Aufsehen gesorgt.

In der kleinen Werkhalle im Honeycamp auf dem Taylor-Gewerbegebiet stapeln sich schmale Bettenbalken. Große Holzlatten, Dämmplatten und Abdeckplanen ruhen daneben. Und sternenartige Gebilde, mit Schrauben verzahnt, die sich wie ein Fächer zu Kugeln aufziehen lassen. "Mit geodätische Strukturen lässt sich mit wenig Materialien eine große Fläche erzielen", betont Start-Up-Gründer Philipp Jungk – und muss erstmal den Begriff erklären.

Geodätisch, das sind aus unzähligen Dreiecken bestehende, sphärische Kuppeln, ähnlich wie man sie von der dunklen Raumfahrt-Achterbahn im Europa Park in Rust kennt. Vor allem in den 1960er Jahren waren die kugelrunden Konstruktionen als Science-Fiction-Vision beliebt, gerieten aufgrund ihrer aufwendigen Bauweise jedoch irgendwann in Vergessenheit.

Kleiner ökologischer Fußabdruck

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Aber geodätische Formen seien sehr stabil, erläutert Jungk. "Sie halten Stürme von bis zu 320 km/h aus, gelten als erdbebensicher und sind auch bei starkem Schneetreiben robuster als ein Giebeldach." Beim Reeperbahn-Festival in Hamburg mit durchaus rauem Wetter boten die Mannheimer Domes der Umwelt-Organisation Greenpeace und einer Wahrsagerin bereits Unterschlupf. Die eigene Zukunftsprognose? "Einen möglichst kleinen ökologischer Fußabdruck zu hinterlassen: Wir setzen auf Upcycling, arbeiten mit regionalen Sägewerken, Schreinereien, einer Glaserei oder auch Gartenfirmen und Dachdeckern zusammen", sagt Kollege Leo Schleith, der in Innsbruck Architektur studierte.

Bei den ersten, selbst entworfenen Domes kramten die Gründer sogar im heimischen Keller und Dachboden nach Lattenrosten, fragte bei Freunden und Bekannten nach. Aber wie kam es überhaupt zur Wiederentdeckung geodätischer Strukturen?

Man ahnt es fast: durch die Pandemie. Philipp Jungk ist seit 2003 Mitorganisator des Happiness-Festivals bei Pforzheim und leitete einen Ticketbetrieb. Doch mit Corona stoppte das musikalische Live-Erlebnis, und somit auch der Kartenverkauf. "Ich kam in eine Sinnkrise, wurde krank und kramte mit Fieber im Bett in meinem Bücherregal", erinnert er sich.

Dann zog er seine alte Masterarbeit über nachhaltige Gebäudestrukturen hervor, und der einstige Kultur- und Wirtschaftsstudent der Mannheimer Uni erfuhr eine Art Erweckungserlebnis. "Ich sah mir Videos vom Architekten Richard Buckminster Fuller an, dem modernen Erfinder der geodätischen Kuppeln", so Jungk. Am nächsten Morgen rief er ein paar Freunde an, sie sollten mit ihren Werkzeugkoffern erscheinen. "Und als der erste Dome auf der Dachterrasse stand, war’s um mich geschehen", verrät Jungk, der auch seine Familie mit der Idee infizierte. Sein Vater, Diplom-Ingenieur und Mathe-Ass, brachte den geodätische Bauplan auf eine einfache Formel – und löste damit nicht weniger als ein Grundproblem der niedlichen Kuppelbauten.

Wintergarten, Gewächshaus, Tennishalle oder Tiny House

Der große Nachteil war nämlich, dass keiner der 60 bis 70 Elemente, aus welchen sich die Halbkugeln zusammensetzten, identisch war. Dank der Jungk`schen Formel aber gleichen sich nun alle Dome-Dreiecke wie ein Ei dem anderen. "Das bedeutet, sie sind dank Schablonen nicht nur schneller konstruiert und aufgebaut, sondern lassen sich auch mit beliebigen Materialien füllen oder überspannen", erklärt der 36-Jährige. Mit Glas-Fenstern, Stofflaken, bunten Paneelen oder Dämmplatten. Ob Wintergarten, Gewächshaus, Tennishalle oder Tiny House: inzwischen werden immer größere Formate gefertigt, die längst nicht mehr aus ausgedienten Bettlatten, sondern stabilen Holzmaterialien bestehen.

Für ihre ästhetische und ökologische Idee wurde das erst im Juni von Philipp Jungk und Jonas Krüger gegründete Unternehmen nun mit dem Kreativpreis von "Ideenstark" – eine Auszeichnung des Landes Baden-Württemberg für gesellschaftliche Bewegungen – gewürdigt. Gerade erst gewann das Gründer-Team zudem den Mannheimer Existenzgründungspreises MEXI in der Kategorie "Social Economy". Damit zieht Vision Domes ins Landesfinale des Gründungswettbewerbs "Start-up BW Elevator Pitch" des baden-württembergischen Wirtschaftsministerium ein.

Inzwischen laufen bei Vision Domes Aufträge und Anfragen aus ganz Deutschland ein. Sogar in Mexiko hat die Idee bereits Interesse geweckt.

Und bei genauerem Hinsehen lassen sich auch in Mannheim ein paar geodätische Muster erkennen. Die in den 1990er Jahren erbauten Kuppelhäuser im Aufeld in Neckarau gehen nämlich auch auf die Science-Fiction-artigen Visionen des US-Architekten Buckminster Fuller zurück. Und auch die größte freitragende Holzgitterschalenkonstruktion der Welt, die Multi-Halle im Herzogenriedpark, weist geodätische Strukturen auf.

"Um ehrlich zu sein, dachte ich zunächst, dass wir mit unseren Domes ganz neue Ideen in Deutschland verbreiten", erzählt Jungk. "Aber", fügt er hinzu, "dass es ausgerechnet in Mannheim schon eine kleine Tradition gibt, macht es umso schöner."

Info: Vision Domes bietet auch Workshops für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahre an, um eine kreative Zusammenarbeit, handwerkliches Geschick und Umweltbewusstsein zu fördern. www.vision-domes.de 

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