Wie die BASF für mehr Nachhaltigkeit sorgen will
Der Chemieindustrie wird eine wichtige Rolle zugesprochen. Der Chemiekonzen verfolgt verschiedene Ansätze.

Von Barbara Klauß
Ludwigshafen. Die Welt muss nachhaltiger werden. Und dabei, meint Melanie Maas-Brunner, Mitglied des Vorstands und Chief Technology Officer der BASF, führe an der Chemieindustrie kein Weg vorbei. "Wir werden die Transformation hin zur Klimaneutralität nur mit innovativen Lösungen aus der Chemie schaffen", sagte sie kürzlich bei der Forschungspressekonferenz der BASF. "Ohne unsere Branche wird es nicht gehen."
Das sehen auch andere so: Bei der Unternehmensberatung PwC heißt es: "Um die großen gesellschaftlichen Herausforderungen wie Klimawandel, eine ausreichende Ernährung der Weltbevölkerung und den Kampf gegen Plastikmüll zu lösen, spielt die Chemiebranche eine zentrale Rolle." So müssen die Unternehmen, die noch immer stark von fossilen Energieträgern abhängen, zum einen ihren eigenen CO2-Fußabdruck verbessern. Die energie- und rohstoffintensive Herstellung chemischer Grundstoffe setzten jährlich rund 37 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente frei, erklärt das Kompetenzzentrum Klimaschutz in energieintensiven Industrien. Und damit etwa 19 Prozent der gesamten Emissionen der Industrie in Deutschland.

Zudem müssen die Chemiekonzerne auch ihren Kunden nachhaltigere Lösungen anbieten. Firmen wie die BASF beliefern Unternehmen aus nahezu allen Industriebranchen. Von Düngemitteln für die Felder bis hin zu Leichtbaumaterialien für Autos: Am Beginn unzähliger Wertschöpfungsketten steht eine kleine Zahl chemischer Grundstoffe.
Aus Sicht der BASF sind die Ansatzpunkte für mehr Nachhaltigkeit daher die Erschließung alternativer Rohstoffquellen sowie die Entwicklung klimaschonender Herstellungsprozesse und Produkte.
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Technologien, bei denen Mikroorganismen für mehr Nachhaltigkeit sorgen: Um Lösungen für eine klimaneutrale Chemie zu entwickeln, gewinnt laut BASF die "weiße Biotechnologie" an Bedeutung. "Das sind Werkzeuge aus der Natur", erklärt Doreen Schachtschabel, Vice President White Biotechnology Research bei BASF. "Menschen nutzen sie schon seit langer Zeit und entwickeln sie kontinuierlich weiter." Wir alle kennen diese Bioverfahren – auch Fermentation oder Biokatalyse genannt – von Produkten wie Wein, Brot oder Käse. Dabei werden Mikroorganismen wie Bakterien oder Pilze genutzt, um verschiedene organische Materialien in andere Produkte umzuwandeln. Oder eben auch Substanzen für die chemische Industrie. "Für uns ist die weiße Biotechnologie mittlerweile eine unserer Schlüsseltechnologien, mit der wir auf Basis unterschiedlichster Rohstoffe effizient, ressourcenschonend und vor allem auch flexibel produzieren können", sagt Schachtschabel.
Die Liste der Chemikalien und Produkte, die BASF mit dieser Methoden herstellt, ist lang: Biopolymere, essenzielle Inhaltsstoffe für die Ernährung von Menschen und Tieren wie Vitamine und Enzyme, Pflanzenschutzmittel, Aroma- und Duftstoffe oder auch Enzyme für Waschmittel und Inhaltsstoffe für Kosmetika. Mehr als 3000 Produkte stellt der Konzern inzwischen her, die zur Biotechnologie zählen oder biologisch abbaubar sind. Mehr als 3,5 Milliarden Euro haben sie Angaben des Unternehmens zufolge im Jahr 2021 zum Umsatz beigesteuert, Tendenz steigend.
Gasförmiger Kohlenstoff als alternative Rohstoffquelle: Neben der klassischen Fermentation, die meist auf nachwachsenden Rohstoffen basiert, arbeiten BASF und das US-Unternehmen LanzaTech gemeinsam an speziellen Verfahren, bei denen Bakterien gasförmige Kohlenstoffquellen wie Kohlenmonoxid und Kohlendioxid als Rohmaterial nutzen. Der Kohlenstoff kann dabei von Abgasen aus Stahlwerken, Raffinerien und chemischen Anlagen stammen, aber auch aus Haushaltsabfall, der in Gas umgewandelt wird. "Wir möchten das Potenzial der Gasfermentation erschließen, um Chemikalien für die chemischen Wertschöpfungsketten herzustellen", erklärt Prof. Michael Helmut Kopf, Director Alternative Fermentation Platforms bei BASF. Es gibt bereits Produktionsanlagen von LanzaTech in China, die mit dieser Technologie Ethanol herstellen. Eine weitere Anlage wird in Kürze in Belgien in Betrieb gehen. Die beiden Unternehmen möchten nun mittels gas-fermentativer Verfahren höhere Alkohole und weitere Zwischenprodukte herstellen.
"Unsere Bakterien sind speziell designt, so dass sie kohlenstoffhaltige Abgase in eine Vielzahl gewünschter Zwischenprodukte umwandeln können", erläutert Sean Simpson, Gründer und Chief Scientific Officer von LanzaTech.
BASF wiederum bringt in das Entwicklungsprojekt ihre Expertise in der Chemie- und Verfahrenstechnik sowie der Prozessintensivierung ein und entwickelt den Aufarbeitungsprozess, bei dem die Produkte aus der Fermentationsbrühe abgetrennt und gereinigt werden und in die Wertschöpfungsketten eingefügt werden.
Es gebe weltweit mehr als genug alternative Kohlenstoffquellen, die für die Gasfermentation genutzt werden können. "Dafür brauchen wir aber ein Umdenken, um Projekte mit branchenübergreifendem Charakter zu ermöglichen und die Chemieindustrie beispielsweise mit Stahlwerken oder den Abfallverwertern zusammenzuschließen", betont Simpson. Denn je mehr alternative Rohstoffquellen dieser Art zur Verfügung stehen, desto weniger neue fossile Rohstoffe werden benötigt werden, um Chemikalien zu produzieren.
"Technologien zur Gasifizierung von Reststoffen, Gasfermentation – zusammen mit nachhaltigem Wasserstoff und erneuerbaren Energien zur Produktsynthese – sowie effiziente Reinigungsverfahren der so hergestellten Produkte können in Zukunft einen wichtigen Beitrag leisten, um die Nachhaltigkeit unserer Wertschöpfungsketten zu verbessern", fasst Kopf die Potenziale der Technologie zusammen.
Abbau der Produkte nach Verwendung: Bakterien und Pilze spielen bei der BASF aber nicht nur bei der Herstellung nachhaltiger Produkte eine wichtige Rolle. "Für uns bedeutet Nachhaltigkeit auch genau zu wissen, wie und warum Mikroorganismen in der Umwelt unsere Produkte nach deren Verwendung abbauen", erklärt Andreas Künkel, Vice President Research Biopolymers. Diese Bioabbaubarkeit bedeutet, dass Mikroorganismen komplexe organische Verbindungen zu Energie, Wasser, Kohlendioxid und Biomasse verstoffwechseln.
Um diese Methode der Natur zu nutzen und vollständig biologisch abbaubare Produkte zu entwickeln, ist aus Sicht des Unternehmens nicht nur ein fundamentales Verständnis der Chemie, sondern auch der biologischen Prozesse notwendig. "Dieses unglaublich komplexe Thema kann man nur als interdisziplinäres Team zusammen meistern", betont Künkel. Wichtig seien neben internen auch externe Kooperationen mit Kunden sowie Universitäten und Forschungsinstituten. "Wir schauen uns bis ins Detail an, wie wir Materialien designen sollten, damit sich unsere Produkte im Boden und in technischen Systemen wie Kompost- und Kläranlagen abbauen."
Als Beispiel führt Künkel eine Mulchfolie an, die seinen Angaben nach biologisch abbaubar ist und dem Landwirt sogar hilft, höhere Erträge zu erzielen. Nach der Ernte werde die Folie einfach untergepflügt und im Boden von Mikroorganismen abgebaut, heißt es bei der BASF. In Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der ETH Zürich sei nachgewiesen worden, dass der Kohlenstoff aus der Folie biologisch in Kohlendioxid und Biomasse umgewandelt werde.
Ein weiteres wichtiges Anwendungsfeld für biologisch abbaubare Materialien sind laut der BASF Inhaltsstoffe von Waschmitteln, Geschirrspülmitteln und Kosmetika, die am Ende des Lebenszyklus in die Kläranlage gelangen.
Weniger Ausstoß von Treibhausgas: Die Nachhaltigkeit, betont CTO Maas-Brunner, sei Kern der BASF-Strategie. "Zwischen 1990 und 2018 haben wir den Ausstoß an Treibhausgas halbiert – und gleichzeitig die Produktion verdoppelt", sagt sie. Und es gehe genauso ambitioniert weiter: Bis zum Jahr 2030 sollen die globalen CO2-Emissionen im Vergleich zu 2018 um 25 Prozent sinken. "Bis 2050 lautet unser Ziel: Netto-Null-Emissionen", so die Vorständin. Unser Weg geht hin zu erneuerbaren Energiequellen."
Als einen ersten Schritt auf diesem Weg bezeichnet sie einen Windpark mit einer Leistung von 1,5 Gigawatt, den der Chemiekonzern zusammen mit Vattenfall und der Allianz in der Nordsee vor der niederländischen Küste baut. 2023 soll er vollständig ans Netz gehen – als größter Offshore-Windpark der Welt. "Wir brauchen große Mengen an erneuerbaren Energien, beispielsweise für die Elektrifizierung von energieintensiven Prozessen", so Maas-Brunner.
Zudem setzte der Konzern vermehrt auf die Kreislaufwirtschaft: "Bis 2025 wollen wir jährlich rund 250.000 Tonnen recycelte Rohstoffe verarbeiten", erklärt sie. Der Umsatz mit Kreislauflösungen soll bis 2030 verdoppelt werden. "Wir haben viel vor", fügt sie hinzu – "und wir sind bereits auf einem guten Weg."
Das Unternehmen: Die BASF ist der weltweit größte Chemiekonzern mit Sitz in Ludwigshafen, wo sich auch der größte Verbundstandort befindet. Weltweit beschäftigt das Unternehmen fast 112.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, in Ludwigshafen sind es mehr als 39.000. Im Jahr 2021 erwirtschaftete die BASF einen Umsatz in Höhe von 78,6 Milliarden Euro.
Die Innovationen: Weltweit arbeiten Unternehmensangaben zufolge rund 10.000 Menschen bei der BASF in Forschung und Entwicklung. Im Jahr 2021 hat der Konzern laut CTO Melanie Maas-Brunner etwas mehr als 2 Milliarden Euro in diesen Bereich investiert. "Damit entwickeln wir neue nachhaltige Produkte, erschließen aber auch neue Technologiefelder wie beispielsweise das Recycling von Batteriematerialien", erklärt sie.
Die Patente: Ihren Angaben zufolge erwirtschaftete die BASF mit Produkten, die in den vergangenen fünf Jahren aus Forschung und Entwicklung auf den Markt kamen, einen Umsatz von über 11 Milliarden Euro. 2021 entfielen 45 Prozent der Patentanmeldungen des Konzerns auf Erfindungen mit besonderen Fokus auf Nachhaltigkeit – Tendenz steigend.
Die Technologien: "Viele der Technologien, die zukünftig eine klimaneutrale Gesellschaft ermöglichen werden, sind heute noch nicht erfunden", sagt Maas-Brunner. Wichtig sei es daher, die Herausforderungen der Zukunft technologieoffen zu meistern und alternative Technologiekonzepte einzubeziehen. "Dafür brauchen wir Allianzen mit allen Akteuren in der Industrie, der Wissenschaft, in Politik und Gesellschaft", meint die Vorständin.
Die Chancen: Bei der Pressekonferenz spricht sie von vielen Herausforderungen für das Unternehmen gleichzeitig: klimaneutral produzieren, in Kreisläufen handeln, viele Produkte auf den Prüfstand stellen und die digitale Transformation bewältigen. Und all das während einer nie dagewesenen Energiekrise und steigenden Inflation in Europa. "Unser Unternehmen stellt sich dieser Herkules-Aufgabe", sagt Maas-Brunner. "Und bei aller Besorgnis sehen wir jede Menge Chancen für eine nachhaltigere Zukunft." Was es dazu brauche, sei klar: Innovationen.