Hoffnung für Sportwettenverlierer
Der BGH prüft. Mit einem Urteil könnten Gerichte Klägern den Rücken stärken.

Von Jacqueline Melcher und Marco Krefting
Karlsruhe. Wer vor Jahren bei unerlaubten Sportwetten falsch getippt hat, kann auf eine Rückerstattung der verspielten Wetteinsätze hoffen. Nachdem sich zahlreiche deutsche Gerichte mit ähnlichen Fällen beschäftigt haben, verhandelte am Donnerstag der Bundesgerichtshof (BGH) zu der Frage, ob ein Anbieter von Online-Sportwetten ohne gültige deutsche Lizenz die Verluste eines Spielers erstatten muss. Warum sich ein Urteil auf Tausende Fälle auswirken könnte und wieso die Zeichen für Spieler gut stehen – die wichtigsten Fragen und Antworten:
Seit wann sind Sportwetten in Deutschland erlaubt? Bis Mitte 2012 sei es abgesehen von vereinzelten Fällen alter DDR-Lizenzen nur staatlichen Anbietern erlaubt gewesen, in Deutschland Sportwetten zu veranstalten, sagt Rechtsanwalt und Experte für Glücksspielrecht, Lennart Brüggemann. Um den Schwarzmarkt auszutrocknen, führten die Bundesländer 2012 einen neuen Glücksspielstaatsvertrag ein, der auch private Anbieter vorsah. "Das Problem war jedoch, dass es über acht Jahre nicht gelang, eine einzige Sportwettenkonzession an die interessierten privaten Anbieter zu erteilen", so Brüggemann. Grund waren Bedenken der Verwaltungsgerichte am behördlichen Verfahren. Anbieter blieben jahrelang in einem rechtlichen Schwebezustand. Erst 2020 erhielten die ersten die Lizenz. Im Jahr darauf trat der heute gültige Glücksspielstaatsvertrag in Kraft, der die Sportwetten unter Auflagen offiziell legalisierte.
Worum geht es im konkreten Fall? Am Donnerstag ging es am BGH um die Klage eines Mannes gegen den Wettanbieter Tipico. Der Mann hatte von 2013 bis 2018 an Sportwetten von Tipico teilgenommen und dabei mehr als 3700 Euro verloren, die er zurückverlangte. Seiner Ansicht nach waren die Sportwetten unzulässig und die Wettverträge unwirksam, weil der Anbieter nicht die erforderliche Erlaubnis der zuständigen deutschen Behörde hatte. Tipico hatte eine Konzession zwar beantragt, erhielt sie aber erst 2020. Wann der BGH eine Entscheidung verkündet, blieb zunächst offen. (Az. I ZR 90/23)
Wie stehen die Erfolgschancen der Klage? Bislang hatte die Klage des Spielers keinen Erfolg. Das Landgericht Ulm argumentierte, Tipico habe zwar gegen Vorschriften des damaligen Glücksspielstaatsvertrags verstoßen, die Wettverträge seien aber wirksam. In der Verhandlung vor dem BGH erklärte der Vorsitzende Richter des ersten Zivilsenats, Thomas Koch, am Donnerstag, der Senat neige nach vorläufiger Einschätzung dazu, solche Verträge ohne sogenannte Konzession als nichtig anzusehen, auch wenn eine Erlaubnis zur Veranstaltung der Sportwetten schon beantragt worden war. Spieler könnten dann Anspruch auf eine Rückerstattung haben.
Welche Auswirkungen könnte das BGH-Urteil haben? Ein verbraucherfreundliches Urteil des BGH könnte eine noch größere Klagewelle lostreten. Tausende ähnliche Verfahren laufen bereits an deutschen Gerichten. Das liegt auch daran, dass sich Kanzleien und einige Unternehmen auf diese Art von Klagen spezialisierten. Die Unternehmen vermitteln den Spielern Anwälte und übernehmen die Kosten der Rechtsverfolgung gegen eine Provision im Erfolgsfall.