Leere Flaschen, Unrat und Müllberge. So sieht es in vielen Messie-Wohnungen aus. Um den Betroffen zu helfen, sollen nun "Messie-Hilfe-Fachkräfte" ausgebildet werden. Foto: dpa
Von Paul Winterer
Gauting/Freiburg. Helfer können ein Lied davon singen: Sie sperren eine Wohnung auf und stoßen meterhoch auf Müll. Oft krabbelt Ungeziefer zwischen Essensresten und Papierbergen herum. Meistens zeugt ein unausstehlicher Gestank von der totalen Verwahrlosung. In solchen Wohnungen hausen seelisch kranke Menschen, genannt Messies. Sie können nichts wegwerfen, müssen alles zwanghaft horten. Am Ende sind sie in einer ausweglosen Situation und brauchen Hilfe. Experten gehen davon aus, dass an die zwei Millionen Menschen in Deutschland unter dem Messie-Syndrom leiden.
Die Zahl der Hilfsangebote ist überschaubar. Michael Schröter will das ändern. Der 64-Jährige hat 14 Jahre Erfahrung mit vermüllten Wohnungen und deren Inhabern. An diesem Freitag ist die Gründungsfeier seiner Messie-Akademie in Gauting bei München, in der künftig "Messie-Hilfe-Fachkräfte" ausgebildet werden. Veronika Schröter beschäftigt sich in Freiburg mit dem Thema Messie. Sie betreibt dort das Institut für Messie-Therapie und in Stuttgart ein Messie-Kompetenz-Zentrum.
Michael Schröter - er ist nicht mit Veronika Schröter verwandt - geht es dabei um praktische Hilfe, um Wohnraumarbeit, wie er es nennt. "Wenn wir Zutritt in die Wohnung eines Messies haben, geht es erst einmal darum, Platz zu schaffen, uns regelrecht eine Schneise durch den Müll zu schlagen." Der nächste Schritt sei, die Böden freizubekommen, um Durchgänge zu schaffen und danach Zimmer für Zimmer aufzuräumen.
Ein weiteres Problem sei die "schlimme Atemluft" in vermüllten Wohnungen. Denn Messies lüften nicht, sie können es nicht, weil alles in der Wohnung zugestellt ist. Dazu kommt nicht selten der Gestank von verdorbenen Lebensmitteln.
Doch mit dem Wegbringen von Unrat ist es nicht getan. Zu Schröters Arbeit gehört auch, zusammen mit dem Messie ein Konzept zu entwickeln, damit sich nicht wieder Papierberge und Gegenstände aller Art ansammeln. Ohnedies weiß er, dass hinter dem Messie-Syndrom eine seelische Krankheit steckt. Meist seien die Betroffenen vereinsamt und fühlten sich ausgegrenzt. Sie lassen aus Scham über ihre Unordnung niemanden mehr in ihre Wohnung. "Es braucht oft erst einen Zwischenfall, etwa einen Wasserrohrbruch, damit jemand die Räume des Messies betritt", weiß der 64-Jährige.
Der Gründer und Leiter der Messie-Akademie will die Hilfe für Betroffene nun auf ganz Deutschland ausweiten. In mehrwöchigen Kursen bildet er Messie-Hilfe-Fachkräfte aus. Er will dazu in größere Städte kommen und die Seminare dort abhalten. "Wir haben die Messie-Akademie als Reise-Akademie konzipiert", erläutert Schröter. Die Helfer sollen in Messie-Wohnungen aktiv werden. "Es geht nicht um Therapie, die wir gar nicht leisten können, es geht um praktische Unterstützung in der Wohnung selbst", bekräftigt er. Für die Therapie seien Psychotherapeuten gefragt.
Schröters Akademie-Gründung stößt nicht überall auf Gegenliebe. Veronika Schröter aus Baden-Württemberg sagt: "Wie kann er es wagen, eine Akademie zu gründen?" Dafür fehle dem 64-Jährigen der wissenschaftliche Hintergrund. Der Name sei zu hoch gegriffen. Denn Schröters Unternehmen sei nichts anderes als ein Entrümpelungsdienst. "Vielleicht braucht man diesen Mut", argwöhnt die Expertin, die von 2010 bis 2012 an einer wissenschaftliche Studie der Uni Freiburg zum Messie-Syndrom beteiligt war. Trotz aller Skepsis sagt die Inhaberin einer sozialpsychologischen Praxis aber an die Adresse ihres Namensvetters: "Ich wünsche ihm alles Gute."