FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke fordert "Klarnamenpflicht" im Internet
Bedrohung durch Terrorismus und Kriminalität - Im Interview spricht der Politiker darüber, welche Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden sollten

FDP-Fraktionschef Rülke attackiert die Grünen scharf: Mit Maghreb-Staaten als sicheren Herkunftsstaaten "wäre man möglicherweise diesen Terrorattentäter frühzeitig losgeworden", sagt er mit Blick auf Berlin. Foto: Bernd Weißbrod
Von Sören S. Sgries
Heidelberg/Stuttgart. Hans-Ulrich Rülke (55) ist Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion.
Herr Rülke, das Thema der Zeit ist die Bedrohung durch Terrorismus und Kriminalität. Brauchen wir schärfere Sicherheitsgesetze?
Zunächst müssen wir die existierenden Gesetze richtig auslegen. Sie geben uns weitreichende Möglichkeiten. Und diejenigen, die sie nicht beachten, müssen mit aller Härte bestraft werden. Dafür brauchen wir auch die entsprechenden Regelungen auf Bundes- und europäischer Ebene. Schauen wir uns die Vorfälle in Berlin an: Das war ein abgelehnter Asylbewerber aus den Maghreb-Staaten. Wenn die Grünen nicht die Ausweisung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsstaaten seit Monaten blockieren würden, wäre man möglicherweise diesen Terrorattentäter frühzeitig losgeworden.
Dann fehlt immer noch die Bereitschaft dieser Staaten, Auslieferungsabkommen zuzustimmen…
Zunächst muss man sie als sichere Herkunftsländer ausweisen. Dann erst macht es Sinn, über Auslieferungsabkommen zu verhandeln. Eins nach dem anderen. Da empfehle ich, den Maghreb-Staaten in aller Deutlichkeit zu sagen: Wenn sie nicht bereit sind, ihre Staatsbürger wieder aufzunehmen, ist Ende mit der Wirtschaftshilfe. Ich bin sicher, dass man unter diesen Umständen weiter kommt.
Justizminister Guido Wolf fordert eine Ausweitung der DNA-Analyse bei Strafermittlungen. Schreckt da nicht die Bürgerrechtspartei FDP auf?
Dass man bei einem Tatverdächtigen die Haarfarbe herausfinden darf, ist keine Frage des Datenschutzes, sondern eine Frage, wie man den Strafverfolgungsbehörden ermöglicht, Schwerstkriminelle dingfest zu machen. Die FDP steht im Zweifel für Bürgerrechte - aber in diesem konkreten Fall habe ich keinen Zweifel. Wir schützen keine Straftäter.
Brauchen wir mehr Videoüberwachung öffentlicher Plätze?
Wir brauchen möglicherweise mehr Videoüberwachung. Ganz sicher aber brauchen wir ganz klare Regeln, die begründen, warum man an einer Stelle eine Kamera aufstellt. Das kann nur anlassbezogen geschehen, an Gefahrenschwerpunkten, wo es nachweislich zu mehr Vorfällen kommt. Wir wehren uns gegen eine flächendeckende Videoüberwachung des öffentlichen Raums.
Kameras allein klären noch keine Verbrechen auf. Reicht das Personal?
Nein. Im Polizeibereich haben wir zu wenig Personal. Deswegen müssen die personellen Möglichkeiten von Polizei und Verfassungsschutz aufgestockt werden.
Ihr Parteichef Michael Theurer befürwortet eher eine Überprüfung der polizeilichen Aufgaben und eine Neustrukturierung.
Wir haben im Landtagswahlkampf mindestens 1000 zusätzliche Polizisten gefordert. Dabei bleiben wir. Das bedeutet aber nicht, dass man nicht die Aufgaben einer Kritik unterziehen darf.
Ein Punkt: die Sicherung von Fußballspielen. Sollten die Vereine zur Kasse gebeten werden?
Nein. Das ist eine Polizeiaufgabe. Wenn wir damit anfangen, die Sportvereine zur Finanzierung der Sicherung solcher Veranstaltungen heranziehen, wird das einen langen Rattenschwanz nach sich ziehen. Am Ende steht dann als Ergebnis, dass jeder, der ein Grillfest veranstaltet, zu dem die Polizei kommen muss, weil jemand gewalttätig wird, auch den Polizeieinsatz zahlen muss.
Muss die Polizei auch verstärkt gegen Hass und Gewalt im Internet vorgehen?
Natürlich ist auch das Internet ein Bereich, den die Polizei und der Verfassungsschutz verstärkt in den Blick nehmen müssen. Das tun sie aber auch.
Wird in zweierlei Maß gemessen bei Drohungen und Beleidigungen im Internet und im "realen" Leben?
Im Prinzip nicht. Aber im Internet ist es leichter, anonym zu beleidigen. Deshalb fordere ich auch, dass beispielsweise Tageszeitungen damit aufhören, ihren Lesern die Möglichkeit zu geben, online Artikel unter Pseudonym zu kommentieren. Wir brauchen eine Klarnamenpflicht. Wer öffentlich etwas kommentieren möchte, soll sich dazu bekennen - oder die Klappe halten.
Erleben wir nicht, dass im Schatten von Pegida und AfD die Scheu verloren geht, sich auch zu Hetze und fragwürdigen Positionen offen zu bekennen?
Wenn jemand als AfD-Anhänger meint, irgendwelche Parolen äußern zu müssen, dann soll er das tun. Wenn er das unter Klarnamen tut, kann man - sofern die Äußerung einen Straftatbestand erfüllt - auch dagegen vorgehen.
Letzter Punkt: Der EuGH hat gegen die Vorratsdatenspeicherung geurteilt. Ein Erfolg für Ihre Linie?
Es ist ein Urteil, das wir gerne sehen. Ich habe gemeinsam mit dem Kollegen Wolfgang Kubicki im Frühjahr beim Verfassungsgericht eine Klage gegen die anlasslose Vorratsdatenspeicherung eingereicht. Für die Vorratsdatenspeicherung gilt dasselbe wie für die Videoüberwachung: Wir wollen sie nicht flächendeckend, können sie uns aber im konkreten Verdachtsfall vorstellen - beispielsweise bei jemandem, der als Gefährder gilt. Der im Umfeld von Sympathisanten des Islamischen Staats verkehrt. Oder bei Kontakten zu Gruppen, die der Verfassungsschutz beobachtet. Dort halte ich es für sinnvoll und den Verdacht für ausreichend, Vorratsdaten zu erfassen.