Atomkraftgegnerin muss zahlen
Gericht reduziert Bußgeld nach Castor-Protesten am Neckar auf 200 Euro - Tumultartige Szenen

Juni 2017: Castor-Gegner seilen sich von der Wimpfener Brücke ab. Archiv-Foto: Schmidt
Von Hans Georg Frank
Heilbronn. Eine Atomkraftgegnerin, die Castortransporte auf dem Neckar behindern wollte, muss wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz 200 Euro Bußgeld zahlen. Das hat das Amtsgericht Heilbronn am gestrigen Mittwoch entschieden. Die 36-jährige gehbehinderte Aktivistin der Organisation "Robin Wood" hatte Widerspruch gegen zwei Bußgeldbescheide über insgesamt 450 Euro eingelegt.
Vor Gericht spielten sich tumultartige Szenen ab. Richter Michael Reißer musste die Verhandlung mehrmals unterbrechen, da Atomkraftgegner mit Zwischenrufen und Konfetti störten. Sie mussten nach einer Stunde den Saal verlassen. Auch "Eichhörnchen", wie die kampferprobte Frau in der Szene heißt, wurde samt Stuhl wegen "ungebührlichen Verhaltens" von Wachtmeistern hinausgetragen. Erst nach der Beweisaufnahme durfte sie wieder an der Verhandlung teilnehmen.
Der 36-Jährigen aus Lüneburg, die einen französischen Pass hat, wurde vorgeworfen, dass sie einmal als Schwimmerin bei Gundelsheim gegen die Überführung des Atommülls demonstriert habe. Bei der anderen Aktion soll sie sich bei Bad Wimpfen von einer Brücke abgeseilt und das Schiff zwei Stunden lang aufgehalten haben. Ein Höheninterventionsteam der Polizei holte zwei von vier Kletterern von der Brücke. Die Vorfälle ereigneten sich im Juni und Oktober 2017.
In beiden Fällen habe die Polizei durch drei Durchsagen "laut und deutlich" die Versammlungen für aufgelöst erklärt, sagten Zeugen vor Gericht. Die 36-Jährige beschrieb sich dagegen als Opfer juristischer Willkür. Ihr werde rechtliches Gehör versagt, sie habe keine Akteneinsicht bekommen, weil die Unterlagen an eine falsche Adresse geschickt worden seien. Ihr Einsatz sei geschützt durch die Grundrechte auf Versammlungs- und Kunstfreiheit. Einen Antrag auf Befangenheit wies der Richter als Verschleppungstaktik ab.
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Das Amtsgericht Heilbronn befasst sich in 15 Verfahren mit Aktionen gegen die Castortransporte, bei denen in fünf Tranchen insgesamt 342 Brennelemente aus dem stillgelegten Atomkraftwerk Obrigheim ins Zwischenlager Neckarwestheim geschafft worden sind. Der Widerstand gegen diese "Atommüllverschieberei" solle als "sozial adäquates Verhalten" verstanden werden, betonte die verurteilte Aktivistin. Sie stand seit 2006 nach eigenen Angaben in weit über 100 Verfahren vor Gericht. Ihre schwere Behinderung wegen Rheumas kann sie nicht von medienwirksamem Protest abhalten. "Schwimmen ist ja gesund für die Gelenke", sagte sie.
Die beiden Geldbußen reduzierte das Gericht auf 200 Euro. Das Urteil ging allerdings im Geschrei unter.
Info: Az. 32 OWi 13 Js 6810/18