Millionenschweres Klimaschutzpaket

So will Stuttgart die Energie- und Verkehrswende schaffen

Weg mit den Heizpilzen - Auch andere Kommunen reduzieren ihre Emissionen

11.07.2019 UPDATE: 12.07.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 6 Sekunden

In Stuttgart sollen bald mehr Bahnen fahren, um den Klimaschutz in der Landeshauptstadt voranzutreiben. Foto: dpa

Von Martin Oversohl

Stuttgart. Grüner soll es werden und leiser, sauberer, nachhaltiger, mehr von diesem und weniger von jenem - getrieben nicht zuletzt auch durch die "Fridays-for-Future"-Bewegung schnüren immer mehr Großstädte in Baden-Württemberg millionenschwere Pakete für den Klimaschutz. Nun will sich auch die Stadt Stuttgart nach dem Willen ihres Oberbürgermeisters besser für die Energie- und Verkehrswende aufstellen.

Das neue 200 Millionen Euro schwere Paket von Rathauschef Fritz Kuhn (Grüne) ergänzt einen schon veröffentlichten "Masterplan" und greift auch auf Forderungen von Umweltverbänden zurück. Der Gemeinderat der schwäbischen Metropole muss noch darüber entscheiden.

"Die Diskussionen der vergangenen Monate machen deutlich, dass wir zusätzlich etwas machen sollen und wollen", sagte Kuhn. Sein "Aktionsprogramm Klimaschutz" sieht unter anderem Änderungen beim Bau, bei der Stadtbepflanzung, bei der Nutzung des Solarstroms und im Straßenverkehr vor.

Hintergrund

Die Begriffe Wetter und Klima werden häufig synonym verwendet, doch es gibt einen Unterschied. Das Wetter bezeichnet den Zustand an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitraum. Das Klima dagegen ist die Statistik des Wetters über einen längeren Zeitraum

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Die Begriffe Wetter und Klima werden häufig synonym verwendet, doch es gibt einen Unterschied. Das Wetter bezeichnet den Zustand an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitraum. Das Klima dagegen ist die Statistik des Wetters über einen längeren Zeitraum - üblicherweise 30 Jahre. Der Klimanotstand ist eine Erklärung von Parlamenten oder Verwaltungen, in der sie den menschengemachten Klimawandel anerkennen und zudem feststellen, dass die bisherigen Maßnahmen nicht ausreichen, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Dadurch werden die zuständigen Institutionen beauftragt, verstärkt Maßnahmen zum Klimaschutz zu ergreifen.

Bonn, Köln und Düsseldorf, Paris und London, Heidelberg und Konstanz: etliche Städte haben bereits den Klimanotstand ausgerufen. Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) kann sich nur schwer anfreunden mit dem bloßen Begriff: "Es bringt nichts, den Notstand plakativ auszurufen und dann nicht viel zu unternehmen, das funktioniert nicht", sagte der Rathauschef. "Wer die Vokabel will, der muss auch liefern." dpa

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Ähnlich wie andere baden-württembergische Kommunen könne Stuttgart eigene Neubauten klimaneutral gestalten, Flachdächer begrünen und die Zuschüsse an den öffentlichen Nahverkehr erhöhen sowie neue Buslinien mit eigenen Fahrspuren einrichten. Die Infrastruktur soll nach Kuhns Wünschen für die Elektro-Mobilität ausgebaut und Heizpilze verboten werden, weil die neben Wärme etliche Kilogramm Kohlendioxid (CO2) pro Stunde in die Luft pumpen. "Ich lasse zudem rechtlich prüfen, ob wir eine Solardachpflicht für Neubauten einführen können", sagte Kuhn.

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Ebenfalls geplant: ein höherer Bioanteil in den Kantinen und in den Schulen sowie ein umgerüsteter städtischer Fuhrpark. Pro Doppelhaushalt sollten zudem 1000 Bäume und 25 Kilometer Hecken gepflanzt werden. In Stuttgart ist der Klimawandel vor allem im Sommer geradezu körperlich zu spüren: die Stadt kämpft dann mit Hitze und schlechter Luft, wiederholt gibt es Feinstaubalarm im Stuttgarter Kessel.

Ähnliche sichtbare Zeichen für den Klimaschutz haben andere Städte im Südwesten schon gesetzt. In Konstanz und Heidelberg wurde zum Beispiel schon der "Klimanotstand" ausgerufen, Karlsruhe will sich am 16. Juli entscheiden. Ähnlich wie Stuttgart sollen auch Konstanzer Neubauten klimaneutral werden. Zudem prüft die Kommune seitdem jede Entscheidung des Gemeinderats auf ihre Klimarelevanz - dies hat Stuttgart ebenfalls vor.

Auch Heidelberg möchte die Emission von klimaschädlichem Kohlendioxid herunterfahren, bis 2050 im Vergleich zu 1990 um 95 Prozent. Schrittweise will die Stadt ihre Energieversorgung auf erneuerbare Quellen umstellen. "Wir haben mit unserer Klimaschutz-Politik bereits vieles erreicht", sagte Oberbürgermeister Eckart Würzner.

"Von der Reduzierung des CO2-Ausstoßes von über 50 Prozent für kommunale Liegenschaften über den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs bis hin zur Stadt in Baden-Württemberg mit dem höchsten Radverkehrsanteil." Das höchste Einsparpotenzial brächten die Bereiche Bauen/Wohnen, die Verkehrswende und die Energieträgerumstellung, sagte der OB.

In Tübingen ist das Thema fast schon ein alter Hut: Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) brachte nach seinem Amtsantritt 2007 die städtische Klimaschutzinitiative "Tübingen macht blau" auf den Weg. Ihre Etappenziele zur Reduzierung von Treibhausgasen hat die Stadt seither alle erreicht. Die "Fridays for Future"-Bewegung habe aber noch einmal einen Impuls durch alle politischen Gremien hinweg gesetzt, sagte Palmer.

Am Montag beschloss der Tübinger Gemeinderat einstimmig, das Programm zu forcieren: Ziel ist ein klimaneutrales Tübingen von 2030 an. Das heißt, die Stadt soll keine energiebedingten Kohlenstoffdioxid-Emissionen mehr verursachen.

Ort des Geschehens

Palmer zufolge betrifft das die Bereiche Verkehr, Wärme und Strom. Er selbst will unter anderem den städtischen Busverkehr kostenfrei anbieten. Mittragen sollen das die Autofahrer: Palmer will flächendeckende Parkgebühren von 30 Euro monatlich erheben.

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