Mehr Stipendien für Geisteswissenschaftler?

Der Graduiertenförderung werden zwei Millionen Euro gestrichen

Wissenschaftsministerin Theresia Bauer möchte aus der Not eine Tugend machen

01.06.2018 UPDATE: 02.06.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 20 Sekunden

Jubel über den Doktortitel: Zuletzt beendeten in Baden-Württemberg rund 3500 Doktoranden im Jahr ihre Promotion. Foto: Getty Images/iStockphoto

Von Sören S. Sgries

Heidelberg/Stuttgart. Eigentlich ist es ein Schlag für die Wissenschaft: Um 2,0 Millionen Euro werden im Doppelhaushalt 2018/19 die Mittel für die Graduiertenförderung gekürzt. Statt bislang 7,1 Millionen Euro stehen für Stipendien für Doktorandinnen und Doktoranden zunächst nur noch 5,8 (im Jahr 2018) beziehungsweise 5,1 Millionen Euro (2019) zur Verfügung.

Da auf diesem Weg zwischen 1100 und 1800 Euro pro Monat an Wissenschaftler fließen, die an ihrer Doktorarbeit sitzen, geht das Wissenschaftsministerium davon aus, dass künftig zwischen 58 und 94 Stipendien im Land weniger vergeben werden können. Mindestens jedes zehnte Stipendium würde also wegfallen bei einer bisherigen Gesamtzahl von rund 560 Promovierenden an 28 Graduiertenkollegs in Baden-Württemberg.

Wissenschaftsministerin Theresia Bauer. Foto: Hentschel

Ein herber Einschnitt, der jetzt offenbar zu massivem Unmutsbekundungen seitens der Promovierendenkonvente im Land geführt hat. Jedenfalls wendet sich Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) in einem vierseitigen Schreiben vom 30. Mai, das der RNZ vorliegt, an die Vorsitzenden der Konvente, um Aufklärungsarbeit zu leisten. Bauer beruhigt. Sie rechtfertigt. Und sie deutet an, dass sie die geringere Fördersumme auch als Chance sieht, eine "Neujustierung" der Graduiertenförderung anzugehen. Die Hintergründe:

> Bestandsschutz: Besonders groß ist die Verunsicherung bei denjenigen, die derzeit noch von der Landesförderung profitieren. "Das Wichtigste vorab", schreibt Bauer daher: "Für bereits laufende Stipendien gilt selbstverständlich Bestandsschutz." Niemand müsse fürchten, dass bereits erteilte Stipendien vorzeitig beendet werden müssten. "Auf eine Weiterfinanzierung ... können Sie sich gemäß den geltenden Hochschulsatzungen verlassen!"

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> Die Förderlandschaft insgesamt: Generell sieht Theresia Bauer die wissenschaftliche Förderung durch die Mittelkürzung keineswegs gefährdet. Seit 1984, rechnet die Ministerin vor, habe sich die Zahl der Promotionen an den Hochschulen Baden-Württembergs mehr als verdoppelt. Gab es einst 1426 Promotionen im Land, waren es 2015 schon 3581 (jeweils ohne Humanmedizin). Dieser "enorme quantitative Aufwuchs", schreibt sie, sei vor allem dem Ausbau der Promotionsstellen im Rahmen der Grundfinanzierung und der eingeworbenen Drittmittel zu verdanken. Auch gebe es mit Graduiertenkollegs und -schulen "neuartige Förderformate".

Aktuell gibt es laut Wissenschaftsministerium 39 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Graduiertenkollegs, für die jährlich 23,7 Millionen Euro von Bund und Land bereitgestellt werden. 8,5 Millionen Euro davon kommen aus dem Landeshaushalt. Für die Weiterfinanzierung von zwölf Graduiertenschulen aus der Exzellenzinitiative II wird das Land, so die Zusage, "weitere 4,2 Millionen Euro jährlich bereitstellen", wenn die gemeinsame Bund-Länder-Finanzierung Ende 2019 auslaufe. Außerdem werden seit 2016 zehn neue Promotionskollegs gefördert, die Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften (Fachhochschulen) gemeinsam betreiben. Rund 2,2 Millionen Euro jährlich gibt es für diese Einrichtungen. Und das seien nur einige Beispiele, heißt es aus dem Ministerium.

"Baden-Württemberg gibt also heute wesentlich mehr für die Förderung von Promovierenden aus als noch vor zehn oder gar dreißig Jahren", schreibt Bauer. "Die Fördermöglichkeiten sind so gut wie nie", sagt sie auch mit Blick auf weitere Stipendien von Stiftungen und Begabtenförderwerken. Die Mittelkürzung sei "vertretbar", sie vollziehe die veränderte Förderstruktur nach.

> Neue inhaltliche Schwerpunkte: Gemeinsam mit den Rektorenkonferenzen aller promotionsberechtigten Hochschulen laufen schon seit Ende 2017 Gespräche, um Perspektiven für die künftige Verwendung der "verbliebenen LGFG-Mittel" zu erarbeiten, also der 5,1 Millionen Euro für die Landesgraduiertenförderung. Vertreter der Konvente sollen jetzt dazu eingeladen werden. Inhaltlich gibt Bauer aber schon eine Wunschrichtung vor: "Mir persönlich ist es wichtig, dass Promotionen in den Geisteswissenschaften und den kleinen Fächern ... künftig besonders in den Blick genommen werden." Diese würden "von den strukturierten Förderformaten nicht adäquat erfasst". Im Klartext: Stipendien für Naturwissenschaftler kommen beispielsweise auch aus der Wirtschaft, die für Kunsthistoriker eher nicht.

"Wir sehen das als den Bereich, wo die Landesgraduiertenförderung besonders wichtig ist", erklärte eine Sprecherin des Wissenschaftsministeriums auf Anfrage. Deshalb könne man dort eventuell einen fachlichen Fokus setzen, den es bisher nicht gebe. Die Gespräche laufen.

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