Warum Heidelbergs Uni-Rektor Eitel Studiengebühren will

Das Budget der Universität wachse nicht im gleichen Maße wie ihre Aufgaben - Im zweiten Teil des Interviews spricht Rektor Bernhard Eitel vor allem über die Finanzen

22.02.2017 UPDATE: 23.02.2017 06:00 Uhr 3 Minuten, 54 Sekunden

Heidelbergs Universitätsrektor Bernhard Eitel. Fotos: Philipp Rothe

Von Denis Schnur und Holger Buchwald

Im ersten Teil unseres Interviews bezog Universitätsrektor Bernhard Eitel Stellung zu kommunalpolitischen Themen - allen voran das Neuenheimer Feld. Im zweiten Teil geht es heute um Landespolitik, die Wiedereinführung von Studiengebühren und die Exzellenz-Strategie.

Herr Eitel, in Baden-Württemberg gab es vor einem knappen Jahr den Wechsel von Grün-Rot zu Grün-Schwarz. Was hat sich für Sie geändert?

Da die Finanzierung eines Studiums auf hohem Niveau sonst nicht möglich sei, plädiert Bernhard Eitel für Studiengebühren. Foto: Rothe

Dadurch, dass das Ministerium weiter in der Hand von Theresia Bauer liegt und der Hochschulfinanzierungsvertrag uns Finanzsicherheit bis zum Jahr 2020 gibt, sehe ich keine unmittelbaren Veränderungen. Ein neues Thema sind die Studiengebühren.

... die Sie begrüßen?

Das ist richtig. Ich halte die Einführung von Studiengebühren für unvermeidlich, wenn wir eine Ausbildung garantieren wollen, die unsere Absolventen international wettbewerbsfähig macht. Forschungsnahes Studieren schafft einen Vorsprung auf den globalen Arbeitsmärkten, den wir hier in Heidelberg bieten können, aber ein solches Studium verursacht eben auch entsprechend hohe Kosten.

Das Geld reicht zurzeit nicht?

Unsere Ressourcen sind bei zusätzlichen Aufgaben nicht entsprechend mitgewachsen - der Hochschulpakt hat für Entspannung gesorgt, aber nicht für einen Umschwung. Wir bilden zum einen viel mehr Studierende aus als früher, zum anderen sind neue Handlungsfelder hinzugekommen, vom Forschungs- und Wissenstransfer bis hin zum Welcome Centre und zum Career Service. Wenn der Staat keine Finanzmittel für Bildung aus anderen Ressorts abziehen möchte, bleiben zwei Möglichkeiten: Entweder wir fahren unsere Leistungen herunter - das wollen wir natürlich nicht - oder wir erhöhen die Einnahmen.

Um die Internationalität der Universität machen Sie sich keine Sorgen, wenn Nicht-EU-Ausländer künftig Gebühren zahlen?

Ich will Ihnen ein paar Zahlen nennen: Wir haben insgesamt 19 Prozent ausländische Studierende. Im Masterbereich sind es schon 23 Prozent, in manchen Fächern weit über 30 Prozent, überwiegend aus EU-Ländern. Im Doktorandenbereich in der Medizin kommen 30 bis 40 Prozent aus dem Ausland, in den Naturwissenschaften über 50 Prozent. Deshalb ist die Vorstellung, die Internationalität würde an den Studienanfängern aus Nicht-EU-Ländern hängen, schlicht falsch.

Sie gehen also nicht von einem Rückgang der Zahlen aus?

Es wird in den ersten zwei bis drei Jahren sicher einen Rückgang geben. Vielleicht bei den Briten wegen des Brexit. Aus Großbritannien haben wir aber ohnehin nur etwa 100 Studierende. Die größte Gruppe bilden die Chinesen, sie und die Studierenden aus Russland werden aber nach wie vor bei uns studieren, weil sie häufig Stipendien haben, die Studiengebühren einschließen. Junge Menschen aus den weniger entwickelten Staaten sollen ja ohnehin von den Studiengebühren ausgenommen werden. Das halte ich für absolut richtig, wenn sie aus finanziell engen oder durch Armut geprägten Verhältnissen kommen. Aber bei vielen handelt es sich auch um Kinder aus gut situiertem Elternhaus. Es wird also keinen Rückgang in der Masse geben. Wir haben etwa 5800 ausländische Studierende, darunter 1200 Nicht-EU-Ausländer. Ohne die Gruppe der Chinesen bleiben noch 500, die sich auf die anderen 100 Nationen verteilen.

Von den Gebühren dieser kleinen Gruppe bleiben 20 Prozent bei der Uni, die dafür den bürokratischen Aufwand hat. Bleibt da überhaupt Geld übrig?

In nennenswerten Größenordnungen wahrscheinlich nicht. Das jetzige Modell habe ich aber auch deshalb begrüßt, weil ich es für grenzwertig halte, dass wir bislang keine Studiengebühren nehmen dürfen von Ausländern, bei denen deren Staat dafür aufkommt, wie bei vielen Studierenden aus Brasilien oder China. Bislang verbietet man uns, dieses Geld zu nehmen.

Kritiker sehen in den Plänen den ersten Schritt zu allgemeinen Studiengebühren.

Ich habe immer für Studiengebühren für alle plädiert, begleitet von einem Stipendienprogramm und Ausnahmeregeln für diejenigen, die sich sonst ein Studium nicht leisten können. Das alte Studiengebührensystem war ja gar nicht so übel. Sie werden sehen: Die anderen Bundesländer werden nachziehen.

Hintergrund

> Die Exzellenz-Strategie ist der Nachfolgewettbewerb zur Exzellenz-Initiative. Das Programm fördert die Spitzenforschung an deutschen Universitäten mit Bundesmitteln. Ab 2018 sollen jährlich 533 Millionen Euro in zwei Förderlinien an Universitäten

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> Die Exzellenz-Strategie ist der Nachfolgewettbewerb zur Exzellenz-Initiative. Das Programm fördert die Spitzenforschung an deutschen Universitäten mit Bundesmitteln. Ab 2018 sollen jährlich 533 Millionen Euro in zwei Förderlinien an Universitäten fließen: Exzellenz-Cluster und Exzellenz-Universitäten.

Mit den Clustern werden bestimmte Forschungsfelder an Universitäten gefördert. Jede Uni kann bis April 2017 beliebig viele Antragsskizzen dazu einreichen. Entschieden wird im September 2018. Werden an einer Universität mindestens zwei dieser Cluster bewilligt, kann sie sich anschließend für die Förderlinie der Exzellenzuniversitäten bewerben. Diese Förderung soll die komplette Universität nachhaltig stärken. Maximal elf Exzellenz-Universitäten werden in Deutschland gefördert. dns

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Aktuell läuft der Wettbewerb zur Exzellenz-Strategie - ebenfalls eine Möglichkeit für die Uni, an Gelder zu kommen. Rechnen Sie mit einem Erfolg?

Ja! Es arbeiten viele Universitätsmitglieder mit großem Engagement daran, dass wir erfolgreich sein werden.

Ein Wettbewerb beinhaltet aber immer die Möglichkeit des Scheiterns. Welche Folgen hätte das für die Uni?

Es wäre ein Schlag für die Universität, aber was das konkret bedeutet, kann man schlecht abschätzen. Mit Scheitern will ich mich auch nicht befassen. Das wäre so, als würden Sie einen Fußballspieler vor dem Spiel fragen, was es für Konsequenzen hätte, wenn der Verein verliert. Der sagt Ihnen: Ich gehe jetzt in das Spiel und will gewinnen.

Die nächsten Jahre werden klar im Zeichen der Exzellenz-Strategie stehen...

Ja. Nach dem Interview geht es gleich wieder in eine Besprechung mit einer Cluster-Initiative. Die oberste Priorität hat gerade die Vorbereitung der Skizzen für Exzellenz-Cluster bis Ende März. Dann atmen wir durch, bis wir das Ergebnis zur Vollantragsstellung im September erhalten. Dann geht es hoffentlich weiter.

Daneben befasst sich die Uni gerade intensiv mit ihren Doktoranden. Wieso?

Wir haben über unsere Doktorandenregistrierung festgestellt, dass wir statt wie bislang angenommen nicht 5000, sondern zwischen 7000 und 8000 Doktoranden an der Universität Heidelberg betreuen. Die Gruppe ist so groß wie die Studierendenzahl Ende der 1950er Jahre. Und sie wird von niemandem richtig fokussiert. Die Konsequenzen werden jetzt deutlich: Wir müssen differenzieren und wir müssen unsere Förderinstrumente darauf einstellen - in der Universität machen wir das mit unserem Qualitätsprogramm "Heidocs" - aber auch in der Politik. Man spricht häufig von prekären Beschäftigungsverhältnissen und niemand weiß, wie viele das sind. Da frage ich mich: In was für einer Welt leben wir eigentlich? Jeder fordert, dass etwas für die Doktoranden getan wird, aber weder Gewerkschaften noch Politik haben konkrete Vorstellungen davon, über wie viele junge Menschen sie reden.

Die Heidelberger Studenten wünschen sich ein Studierendenhaus, wie es das in anderen Städten auch gibt.

Wie in anderen Universitätsstädten können sie das gerne in Eigenverantwortung bauen oder kaufen.

Das heißt, Sie begrüßen die Idee, sehen die Uni aber nicht in der Pflicht?

Die Studierenden wollen und sollen unabhängig ihre Entscheidungen treffen. Wir stellen bereits in erheblichem Umfang Räume für die Arbeit der Verfassten Studierendenschaft und vor allem über die gesamte Universität verteilt Räume für die Fachschaften zur Verfügung.

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