Luchsmännchen sollen nicht mehr einsam durch Schwarzwald streifen
Kuder sucht Katze: Ein Auswilderungsprogramm soll ab 2024 dem jahrzehntelangen Weibchenmangel abhelfen.

Von Jens Schmitz, RNZ Stuttgart
Stuttgart. Schluss mit dem Singlefrust bei Baden-Württembergs Luchsmännchen: Ein Auswilderungsprogramm im Schwarzwald soll ab 2024 dem jahrzehntelangen Weibchenmangel abhelfen und zum Aufbau eines stabilen Bestands am Oberrhein beitragen.
Wenn die fünf als sesshaft bekannten Schwarzwälder Luchsmännchen, auch Kuder genannt, die charakteristischen Pinselohren spitzen, sollen sie künftig mehr Chancen haben, das Schnurren einer sympathischen Artgenossin zu vernehmen. Bislang waren die Aussichten mager: Der Luchs gilt seit Mitte des 19. Jahrhunderts im Südwesten als ausgestorben. In den vergangenen Jahrzehnten sind gelegentlich Einzelexemplare vor allem aus der Schweiz eingewandert, bis auf eine Ausnahme waren aber alle männlich.
Bekannt wurden 15 Individuen, von denen sich die meisten so samtpfotig wieder verabschiedeten, wie sie gekommen waren. "Klar, wenn du niemanden findest, der dich auf deinem Lebensweg begleitet, wird’s irgendwann langweilig", erklärte der Minister für Ländlichen Raum, Peter Hauk (CDU), am Freitag zum Start des Projekts im Stuttgarter Haus des Waldes.
Da weibliche Luchse weniger wanderfreudig sind als die Männchen, will das Land nun gemeinsam mit Projektpartnern nachhelfen. Die grün-schwarze Koalition löst damit ein Versprechen aus ihrem Regierungsvertrag ein. "Wir werden in enger Zusammenarbeit mit allen betroffenen Akteuren die Chancen für die Rückkehr des Luchses durch ein Programm zur Bestandsstützung verbessern", heißt es darin.
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Beteiligt sind der Zoo Karlsruhe, der Landesjagdverband, der WWF Deutschland und die HIT Umweltstiftung. Organisation und wissenschaftliche Begleitung verantwortet die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) des Landes in Freiburg. Mit der ersten Auswilderung rechnet Hauk im Jahr 2024. Konflikte mit Waldbesuchern oder Probleme für Nutztierhalter befürchten die Beteiligten nicht.
Artenschützer hoffen vielmehr auf eine dauerhafte Population im Schwarzwald, die mit den Beständen in der Schweiz, den Vogesen und dem Pfälzer Wald im Austausch steht. Die Vorkommen könnten sich so gegenseitig stabilisieren. In den kommenden vier Jahren sollen deshalb im Schwarzwald zwischen sechs und zehn Luchse ausgewildert werden, die meisten davon Weibchen. Flexibilität sei notwendig, sagte FVA-Direktor Ulrich Schraml, um auf unerwarteten Zuzug oder auf Verkehrsopfer reagieren zu können. Die Tiere sollen über den Zoo Karlsruhe genetisch passend aus Zuchtprogrammen vermittelt werden. Allenfalls bei geeigneten Waisenfunden wollen man auch in der freien Natur aufgegriffene Exemplare integrieren, sagte Schraml. Die Tiere werden mit Sendern ausgestattet.
Den größten Teil der Arbeit veranschlagt der FVA-Chef aber nicht für die Arbeit mit Luchsen. "Ein wesentlicher Teil der personellen Ressourcen, die wir reinstecken, wird die Auseinandersetzung mit den Menschen sein", von Grundstückseigentümern über die Jägerschaft bis zum Tourismus. Schraml zufolge gibt es noch keine konkreten Zielgebiete für das Projekt, nur Kriterien und den Vorsatz, je einen Freisetzungsraum im Süd- und einen im Nord-Schwarzwald zu finden.
Die eigentliche Auswahl werde in Absprache mit Jägerschaft und den Gemeinden erfolgen. Hans-Jürgen Schneider, Bezirksjägermeister im Regierungsbezirk Freiburg, und Vertreter des Landesjagdverbandes (LJV) erklärte, der LJV verschließe sich dem Vorhaben nicht, sehe aber an zahlreichen Punkten noch Klärungsbedarf.
Das auf vier Jahre angelegte Projekt ist mit 1,87 Millionen Euro veranschlagt. 1,2 Millionen Euro bezahlt aus dem laufenden Doppelhaushalt das Land – genug, um bis zu zehn Freisetzungen zu bewerkstelligen, wie Hauk unserer Zeitung erklärte. Eine Dauerfinanzierung soll aber nicht daraus werden. Bislang haben sich der Umweltverband WWF und die HIT-Umwelt- und Naturschutzstiftung mit Spenden beteiligt. Die Projektpartner hoffen auf weitere Unterstützer. Es gebe schon entsprechende Anfragen von Kommunen, berichtete Hauk: "Der Luchs ist ein Sympathieträger", das lasse sich auch touristisch vermarkten.