Mojib Latif ist Klimaforscher am GEOMAR - Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und Vorstandsvorsitzender des Deutschen-Klimakonsortiums. Foto: dpa
Von Annette Dönisch, RNZ Berlin
Herr Latif, ungewöhnliche Trockenheit bereits im Frühjahr und im Monat April. Droht auch 2020 ein extremes Dürre-Jahr zu werden?
Es besteht die Gefahr. Die letzten beiden Jahre waren außergewöhnlich trocken. Die Böden brauchen nun Regen. Ihre Wasserspeicher sind nur zum Teil wieder aufgefüllt worden. Davon ist mit einigen wenigen Ausnahmen ganz Deutschland betroffen. In Teilen Ostdeutschlands ist die Waldbrandgefahr bereits auf der höchsten Stufe. Der Landwirtschaft droht eine Missernte. Die Bauern haben aber noch Hoffnung. Wenn es in den kommenden zwei bis drei Wochen kräftig regnet, kann dies den trockenen April ausgleichen. Schön wäre jetzt ein richtiger Landregen. Für die kommende Woche sieht es aber nicht nach einer tiefgreifenden Wetteränderung aus.
Ist die Trockenheit ein normales Wetterphänomen oder schon ein Anzeichen für den Klimawandel?
Nach drei Jahren Trockenheit kann man nicht mit Sicherheit vom Klimawandel sprechen. Es ist die Krux: Das Klima entwickelt sich allmählich. Wenn sie heute etwas tun, wissen sie in einigen Jahrzehnten, wie es sich auswirkt. Es deutet aber alles auf den Klimawandel hin, wenn man sich die Trockenheit, Durchschnitts-Temperaturen und die Niederschläge ansieht. Das letzte Jahr war weltweit, aber auch in Deutschland, das zweitwärmste Jahr überhaupt, gemittelt über Europa sogar das wärmste.
Gerät der Klimaschutz in Zeiten der Corona-Krise jetzt mehr und mehr in den Hintergrund?
Ja. Es ist natürlich richtig, dass die Klimakrise hinter der Viruskrise zurücksteht. Der Klimaschutz darf aber nicht vergessen werden. Wir hatten 2007 bereits eine ähnliche Situation. Damals gewannen der Klimaschützer Al Gore und der Weltklimarat den Friedensnobelpreis. Dann kamen die Finanz- und Weltwirtschaftskrise und das Thema war tot. Diese große Gefahr besteht jetzt auch. Die riesigen Summen an Hilfsgeldern sollten nicht dafür benutzt werden, um alte Strukturen zu zementieren. Die Hilfsgelder sollten an Nachhaltigkeitskriterien gebunden werden.
Aber die Corona-Beschränkungen führen auch zu saubererer Luft und niedrigeren CO2-Werten. Wie wirkt sich das auf die Klimaschutzziele aus?
Das ist irrelevant. Das Klima reagiert nur auf die langfristige Strategie, die die Menschheit einschlägt. Wenn nach Corona alles so weiter geht wie bisher, ist nichts gewonnen. Die weltweiten Treibhausgasemissionen müssen nachhaltig deutlich sinken, um einen Klimakollaps zu vermeiden. In den letzten Jahrzehnten sind sie leider immer nur gestiegen.
Die Klimaschutzbewegung "Fridays vor Future" verlegt ihren Protest in der Corona-Krise von der Straße ins Internet. Eine wirksame Alternative?
Das wird sich erweisen. Das Thema Klimakrise steht zwar im Moment nicht im Fokus der Öffentlichkeit. Es wird uns aber wieder einholen, zum Beispiel, wenn 2020 erneut ein Dürrejahr wird.