Der Komet vom Winter 1918, den Matthäus Merian als Erscheinung über Heidelberg darstellte, war für die Menschen damals ein Zeichen kommenden Unglücks. Auf ihn folgte "Krieg, Aufruhr, Blutvergießen, Pestilentz und theure Zeit", wie ein zeitgenössischer Beobachter schrieb. Foto: KMH
Von Birgit Sommer
Heidelberg. Der strahlende Komet mit seinem langen Schweif verkündete in den Augen seiner Beobachter die kommende Katastrophe. Die Himmelserscheinung zum Ende des Jahres 1618, einer der größten Schweifsterne aller Zeiten - heute wird er Komet C/1618 WI genannt -, war für die Menschen in Europa Vorbote kolossaler Umwälzungen und großen Unglücks, das mit dem Dreißigjährigen Krieg denn auch tatsächlich auf dem Fuße folgte. Das grauenhafte Gemetzel hatte sechs Monate zuvor schon ganz klein und weit entfernt von Heidelberg begonnen - mit dem Prager Fenstersturz und einem protestantischen Aufstand in Böhmen.
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Der Schweifstern, vor dessen Bedeutung sich die Menschen damals fürchteten, steht in einem Kupferstich des berühmten Künstlers Matthäus Merian (1593-1650) aus dem Jahr 1618 direkt über Heidelberg. Wie das aussieht, zeigt das "Kunstwerk des Monats" im Kurpfälzischen Museum im Mai in der Abteilung "Kurpfalz".
Es handelt sich um eine Illustration in der von Merian herausgegebenen Zeitschrift "Theatrum Europaeum". Der Kupferstecher listet darin die Denkwürdigkeiten des Dreißigjährigen Krieges auf; der Chronist Johann Philipp Abelin bezeichnet den Kometen in diesem Blatt als "eine schröckliche Fackel".
"Merian greift auf die bekannten Stadtansichten zurück, die er während seines Aufenthaltes in Heidelberg zwischen 1617 und 1620 gefertigt hat", beschreibt Prof. Frieder Hepp, der Direktor des Museums, die Illustration. Die nächtliche Ansicht zeigt den Blick nach Südosten zum Schloss und zur überdachten Neckarbrücke. Der riesige Komet strahlt auf die Terrasse des im Bau befindlichen Hortus palatinus und auf die unbewaldete Kuppe des Königstuhls.
"Auf dem Fluss treibt der einmastige Neckarkahn, der auf keiner Heidelberg-Ansicht von Merian fehlt", schildert Frieder Hepp. Das Museum besitzt den Zeitungsausriss der Erstausgabe von "Theatrum Europaeum" aus dem Jahr 1635. Die falsche Jahreszahl 1619 bei der "Beschreibung denckwürdiger Geschichten" sei in der dritten Auflage von 1662 mit der richtigen Jahreszahl 1618 und ausführlichem Kommentar versehen worden, so Hepp.
Auch der Astronom Johannes Kepler hatte den Kometen in seiner österreichischen Heimatstadt Linz per Teleskop - das wenige Jahre zuvor erst erfunden worden war - betrachtet und 1619/20 darüber in "De cometis libelli tres" geschrieben. Hepp: "Er konnte sogar den Bahnverlauf des Kometen bis zum 7. Januar 1620 bestimmen."
In Hepps Beschreibung des "Kunstwerkes des Monats" erfährt man auch aus den Aufzeichnungen des thüringischen Hofrats Volkmar Happe, dass auf die Kometenerscheinung "in aller Welt Krieg, Aufruhr, Blutvergießen, Pestilentz und theure Zeit und unaussprechlich Unglück erfolget" sei. "In diesem Jahr ist der Böhmische Krieg angangen und starck continuieret worden", schrieb Happe in den Chronicon Thuringiae und reimte gar: "Kein schrecklichen Comet man spürt, der nicht groß Unglück mit sich führt."
Die Illustration vom Kometen über Heidelberg kann man nur in diesem Monat im Museum betrachten. Dann verschwindet sie wieder im Depot - "aus konservatorischen Gründen", wie der Museumsdirektor sagt.