Messerattacke in der Neckarstadt

"Ich wollte ihn nicht töten"

Der Hauptangeklagte im Totschlag-Prozess bricht sein Schweigen und gibt den Messerstich zu.

23.03.2021 UPDATE: 24.03.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 18 Sekunden

Von Olivia Kaiser

Mannheim. Den Abend des 14. Juli 2020 hatten die Freunde noch gemeinsam und einträchtig verbracht, keine 24 Stunden später kam es zu einer dramatischen Schlägerei auf der Mittelstraße, bei der Mohamed K. den 27-jährigen Yasin B. mit einem Messer so schwer verletzt haben soll, dass dieser im Krankenhaus starb. Wegen Totschlags muss sich der 25-Jährige derzeit vor dem Mannheimer Landgericht verantworten. Ebenfalls angeklagt ist der 26-jährige Mohamed L., der an der Schlägerei mit dem Getöteten und dessen Bruder teilgenommen haben soll und deshalb wegen schwerer Körperverletzung angeklagt ist (die RNZ berichtete). Nachdem Mohamed L. sich bereits vor Gericht umfassend geäußert hat, bricht am Dienstag nun auch der Hauptangeklagte sein Schweigen und berichtet von den Ereignissen des Tattags.

Am frühen Nachmittag haben die beiden Angeklagten demnach die Wohnung der Brüder in Ludwigshafen verlassen, wo sie übernachtet hatten. Sie fuhren in die Neckarstadt, wo Mohamed K. in der Wohnung seiner Freundin lebt. Dort hielten sie sich auf, später kamen die Freundin und ein weiterer Freund hinzu. Dieser hatte eine Flasche Whisky und Speed dabei. Die Stimmung war gut, bis der Freund einen wütenden Anruf von Yasin B. erhielt.

Dieser habe ihn, Mohamed K., beschuldigt, herumzuerzählen, dass besagter Freund mit der Frau seines Bruders Geschlechtsverkehr gehabt habe. "Ich habe gesagt, dass das nicht wahr ist", beteuert der Angeklagte. Doch der Streit ließ sich nicht beilegen, es fielen Beleidigungen und Drohungen. Schließlich sei man übereingekommen, sich an einem Lebensmitteldiscounter in der Mittelstraße zu treffen, um die Sache zu klären.

Mohamed L. sei zunächst auf die Brüder zugegangen, weil er vermitteln wollte, wurde jedoch sofort von dem Bruder des Getöteten attackiert. Er selbst sei mit einer vollen Wodkaflasche beworfen worden, die ihn auch am Kopf traf. Auf den Tatortfotos sind die Scherben der Flasche zu sehen. Der Freund habe ihm ein Messer zugeworfen, das er aufhob. "Dann habe ich gesehen, dass Yasin ein Teppichmesser rausgeholt hat", so Mohamed K. "Er hat mich oben an der Jeans gestochen, da habe ich das Messer aus der Scheide gezogen. Als er versucht hat, mich ins Gesicht zu treffen, habe ich zugestochen. Ich wollte ihn nicht töten, ich wollte mich wehren."

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Von einem Teppichmesser habe der Angeklagte zuvor nichts erzählt, wundert sich der Vorsitzende Richter Gerd Rackwitz. Verteidiger Edgar Gärtner begründet das mit Begriffsschwierigkeiten. So habe sein Mandant immer von einem "Messer ohne Griff" gesprochen. Erst kurz vor Beginn der Verhandlung sei man mithilfe des Übersetzers darauf gekommen, dass es sich wohl um ein Teppichmesser handeln muss.

Der Freund bestreitet allerdings, dass er Mohamed K. das Messer zugeworfen hat und dass ihm die Tatwaffe gehört. Das Messer fanden Polizisten nach der Festnahme der beiden Angeklagten an der Haltestelle Neckarstadt-West im Gebüsch. Die Untersuchung ergab, dass neben der DNA-Spur des Hauptangeklagten auch eine "Mischspur enthalten ist, die von Ihnen sein könnte", so Rackwitz. Details der Schlägerei unmittelbar vor der Tat will der Zeuge ebenso wenig gesehen haben wie den Messerstich.

Der psychiatrische Gutachter Joachim Schramm erklärt, der Angeklagte leide nicht unter einer seelischen Störung. Der Konsum von Alkohol sowie Amphetaminen und Cannabis sei zwar erwiesen, allerdings nicht in hoher Konzentration. Schramm informierte auch über die Lebensumstände von Mohamed K. So kam der gebürtige Tunesier im Jahr 2018 nach Deutschland – zunächst ins Patrick Henry Village in Heidelberg. Seinen Lebensunterhalt habe er vornehmlich mit Kleinkriminalität bestritten. Im Juni 2019 hätte der 25-Jährige eigentlich abgeschoben werden sollen, wurde aber nicht zu Hause angetroffen. Im Dezember desselben Jahres saß er in der Justizvollzugsanstalt Mannheim, im März 2020 dann in Abschiebehaft in Heilbronn. Doch aufgrund der Corona-Pandemie gab es keine Flüge nach Tunesien, deshalb wurde der Mann wieder auf freien Fuß gesetzt.