Business as usual

"Keine gute Idee" - "keine Alternative"

Das sagen renommierte internationale Fußball-Experten in Russland über die Entscheidung von Joachim Löw

04.07.2018 UPDATE: 05.07.2018 06:00 Uhr 1 Minute, 31 Sekunden

Joachim Löw. Foto: dpa

Von Hartmut Scherzer

Moskau. Im überfüllten Media Centre des Spartak-Stadions vor den Spielen Schweden gegen Schweiz (Fernseh-Übertragung) und England gegen Kolumbien traf man auch alte Bekannte, renommierte und erfahrene Fußball-Journalisten der vergangenen Jahrzehnte wieder. Was lag also näher, diese Kollegen und Experten nach ihrer Meinung zum Entschluss von Joachim Löw zu fragen, Bundestrainer zu bleiben?

Marcel van der Kraan (55) von der niederländischen Zeitung De Telegraaf berichtet von seiner achten Weltmeisterschaft - auch ohne Hollands Nationalmannschaft. Er hat in 32 Berufsjahren 18 "Bonds-Coaches" erlebt, darunter Ernst Happel und Rinus Michels, Dick Advocaat und Louis von Gaal, ingesamt 24 Wechsel, darunter sechs "Comebacks". Van der Kraan war dabei, als Holland 1988 in Deutschland Weltmeister wurde, 2010 das WM-Finale erreichte und 2014 WM-Dritter wurde.

"Ich halte Löws Entschluss für keine gute Idee. Jede große Mannschaft braucht nach einem Schock einen Trainerwechsel, ein frisches Gesicht. Louis van Gaal war einer der besten Trainer in Holland, aber nach zwei Jahren machte er die Spieler krank mit den immer gleichen Sprüchen und Vorgaben. Sie kannten ihn in und auswendig. Löw ist bestimmt ein sympathischeres Gesicht als von Gaal, aber die deutsche Mannschaft braucht jemanden mit neuer Empathie."

Paul Hayward (53) schreibt für den englischen Daily Telegraph von seiner siebten Weltmeisterschaft: "Ich bin überrascht. Ich hatte Löws Rücktritt erwartet. Er hat seinen Kontakt verloren. Ich hatte gedacht, er würde eine andere Herausforderung suchen. Er hätte jetzt Arsenals Manager werden können, hatte aber bereits den Vertrag verlängert, als der Nachfolger für Wenger gesucht wurde. Jetzt ist es Emery. Löw ist aus derselben Schale wie Southgate. Sie haben eine Gruppe junger Spieler groß gemacht. Es ist wohl sein Stolz, der ihn festhält. Beeindruckt bin ich, wie der deutsche Verband fest zu seinem Trainer steht. So gesehen, ist die Entscheidung wahrscheinlich richtig."

Matthias Erne (61) vom Schweizer Fernsehen (SFR) hat die Erfahrung von acht Weltmeisterschaften. "Ich finde Löws Entscheidung absolut richtig. Sicherlich hat er die Warnzeichen vor der Weltmeisterschaft übersehen. Aber wenn der Kopfball von Hummels gegen Südkorea reingeht, wäre diese Diskussion überhaupt nicht entstanden. Ich habe die bis heute nicht begriffen. Wer soll es den besser machen? "

Francesco Archetti (53) begleitete für die Gazzetta dello Sport seit 1996 in 13 EM- und WM-Turnieren die deutsche Nationalmannschaft. "Ich sage ja zu Löws Entscheidung. Sicher wurden viele Fehler gemacht. Das Deutschland war eben in diesem Monat nicht das richtige Deutschland. Deswegen kann man nicht alles hinwerfen. Außerdem: Es gibt keine Alternative zu Löw."