Der Wieslocher Kinderarzt Dr. Gerhard Veits nutzt seine freie Zeit, um Heimbewohnerinnen und -bewohner gegen Covid-19 zu impfen. Foto: privat
Wiesloch/Mannheim. (stoy) "Wir behandeln den Impfstoff wie ein rohes Ei", erklärt Dr. Gerhard Veits. Der Wieslocher Kinderarzt hat am 31. Dezember 2020 begonnen, mit einem mobilen Team die Bewohnerinnen und Bewohner sowie das Personal der Seniorenheime in Mannheim gegen Covid-19 zu impfen. Der Weg, bis der Impfstoff den Patientinnen und Patienten gespritzt werden kann, ist dem Kinderarzt zufolge sehr komplex und eine große Herausforderung.
Wie Veits im RNZ-Gespräch erläutert, wird der Impfstoff zunächst über einen hoch gesicherten Transport in das Impfzentrum in Mannheim geliefert, dort muss er umgehend bei minus 70 Grad gelagert werden. Vor seinem Einsatz müsse der Impfstoff langsam wieder aufgetaut und mit Kochsalzlösung verdünnt werden. Zudem darf er laut dem Kinderarzt im aufgelösten Zustand nicht geschüttelt werden, er ist stoßempfindlich, verträgt keine längeren Transporte und Silikonoberflächen zerstören ihn genauso wie zu enge Kanülen. "Es muss also alles sehr gut geplant sein und am besten ,just in time’ geschehen", so Veits, der bisher eines der fünf mobilen Impfteams in Mannheim leitete. Zudem gehöre zu jeder Impfung eine Menge Papierkram, sodass es im Team extra jemanden von der Stadt gebe, der für die Dokumentation zuständig sei.
Neben der komplexen Kühlung und Logistik sei der Impfstoff nach Verdünnung nur fünf bis sechs Tage bei Kühlschranktemperatur haltbar. "Im Vergleich: Gewöhnliche Impfstoffe sind Wochen bis Monate haltbar", berichtet Veits.
Grund für die Empfindlichkeit ist Veits zufolge eine besondere Konstruktion: "Ein Stück der Bauanleitung des Virus wird über einen Botenstoff in unsere Zellen eingeschleust", erklärt der Kinderarzt. Dort werde sie abgelesen und die Zelle produziere ein Oberflächenprotein des Virus. "Das wird in die Blutbahn abgegeben, das Immunsystem erkennt es als fremd und bildet Antikörper dagegen." So entstehe der Impfschutz.
Dazu müsse dieser Botenstoff, die mRNA, mit kleinen Fetten (Lipiden) ummantelt werden, sonst sei eine Aufnahme in die Zelle nicht möglich. Und genau das macht den Impfstoff Veits zufolge sehr empfindlich. Deshalb sei der Impfstoff auch nicht für die Impfungen der breiten Massen geeignet. "Damit können wir anfangen, aber wir können nicht in dem Tempo weitermachen", meint der Kinderarzt. Die Impfung über die Impfzentren müssen sich ihm zufolge in Zukunft auf die Hausarztpraxen verteilen, dafür müsse man aber die Zulassungen weniger empfindlicher Impfstoffe abwarten.
Trotz der Fragilität des Impfstoffs, hält der Kinderarzt den Impfstoff für "etwas Besonderes". Er biete einen Schutz von etwa 95 Prozent. Außerdem sei es auch kein neuartiger Impfstoff: "Wir kennen die Funktionsweise schon aus der Krebs-Therapie, das gibt es schon etwa 15 Jahre", berichtet Veits. Zur Vorbeugung einer durch das Coronavirus ausgelösten Covid-19-Erkrankung habe man sich die Wirkungsweise zunutze gemacht.
Inzwischen hat der Kinderarzt um die 250 Personen geimpft, mit seinem Team schafft er etwa 80 Impfungen am Tag. Die Impfbereitschaft sei durchmischt: "Sehr erfreulich ist, dass sich vor allem ältere Menschen den Impfstoff spritzen lassen", schildert Veits. Er vermutet, dass 80 bis 90 Prozent der Seniorinnen und Senioren, die sich impfen lassen könnten, das auch tatsächlich machen.
Das Personal hingegen sei schwieriger zu erreichen, oft ließe sich Veits Erfahrungen nach nur die Hälfte den Impfstoff spritzen. Das liege daran, dass "die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jünger sind. Viele fühlen sich deswegen nicht so betroffen", meint der Kinderarzt. Zwar seien sie nicht grundsätzlich impfablehnend, dafür aber misstrauisch oder ungenügend informiert. "Sie haben vielleicht auch nicht so ein Problembewusstsein dafür", so Veits. Viele würden sich denken, die Bewohnerinnen und Bewohner der Heime seien ohnehin geimpft, und dann nicht die Notwendigkeit für sich selbst sehen. Das bekomme er aber nicht so gut mit, da er meistens nur mit denjenigen Kontakt habe, die sich schon für eine Impfung entschieden haben.
"Das ist ein großes Problem", meint der Kinderarzt, da sich die Seniorinnen und Senioren in den Heimen häufig über die Besucher oder die Mitarbeiter ansteckten. "Da wäre eine Impfung sehr ratsam", appelliert Veits. Denn derzeit sei noch nicht untersucht worden, ob man das Coronavirus auch weitergeben kann, wenn man geimpft ist. In einem solchen Fall würde die Impfung nur einen selbst vor einer Erkrankung schützen.
Veits vermutet allerdings, dass sich das Coronavirus – sobald man geimpft ist – auch nicht mehr auf andere übertragen könne. "Ich bin inzwischen 25 Jahre lang als Kinderarzt tätig, meiner Erfahrung nach gibt es so eine Krankheit nicht, die bei einer Impfung einen selbst schützt, andere aber anstecken kann." Und selbst wenn das der Fall wäre, dann allenfalls beispielsweise durch einen intensiven Kuss. "Aber das ist nur meine persönliche Meinung", so Veits.
Der Kinderarzt selbst wurde Ende Dezember geimpft. Im Abstand von mindestens drei Wochen erfolgt eine zweite Impfung, sieben Tage später besteht Vollschutz. Als Mitarbeiter in einem der Impfteams gehört Veits zur Gruppe mit erster Priorität. "Das war wirklich harmlos, ich hatte nicht einmal eine Lokalreaktion", berichtet er, jede Tetanusimpfung sei schlimmer. Und auch bei den geimpften Patientinnen und Patienten habe es bisher keine Beschwerden gegeben. "Es ist nicht nur ein hochwirksamer Impfstoff, er ist auch gut verträglich", resümiert Veits.