Unter anderem mit einer „Ruhestands-Tüte“ und einer Gießkanne hat sich die Schulgemeinschaft von Thomas Gißmann verabschiedet. Foto: Kegel
Von Tim Kegel
Sinsheim. Wird er Prediger, verliert er sein Herz an die Bienen? Unterstützt er deutsche Schulen im Ausland? Oder besucht er mit seiner Frau Margerita häufiger als bislang sein Lieblingsland – Italien, wie herauszuhören war? Das alles könnte Thomas Gißmann künftig machen, hieß es jetzt bei seinem sehr persönlich gehaltenen Abschied. Nach 13 Jahren als Direktor verlässt er das Wilhelmi-Gymnasium in den Ruhestand.
Gißmann sei einer, der "eine logische Unmöglichkeit" fertig gebracht habe. So charakterisiert ihn Bruno Strnad vom Wilhelmi-Lehrerkollegium. Als Schulleiter habe Gißmann es verstanden, "wenn Chef, dann ganz Chef" zu sein, und wenn "Kollege, dann ganz Kollege". Eine Schülerin – Mia Hummel – erzählt, Gißmanns seriöses, bisweilen als steif wahrgenommenes Auftreten habe auf sie damals als Fünftklässlerin erst mal "einschüchternd" gewirkt, wozu es "keinen Grund" gab, als man schnell warm wurde: Gißmann habe den Neulingen an seiner Schule Kollegen vorgestellt und Pläne und Kürzel erklärt. Und er habe "eigentlich nie nein gesagt", als sich Mia für die Schülermitverantwortung engagierte. Eine Art, mit der er sich unter den Jüngeren den Spitzname "lieber Giesi Gießkann’" verdient habe. Dieses Geheimnis verriet sie Gißmann zum Abschied, und die ihm überreichte grüne Gießkanne kann er durchaus als einen "Orden" vieler Schüler werten. Weitere von ihnen hatten sich mit persönlichen Grüßen in einem Fotobuch verewigt, das ihm Elternbeiratsvorsitzender Michael Dittes schenkte. Hinzu kommt die "Ruhestands-Tüte", die Alexandra Meng-Emmerich übergab, künftig die kommissarische Leiterin am WHG: Die "Schule mit Herz und Verstand", als die sich das Wilhelmi-Gymnasium sieht, habe Gißmann "in höchstem Maße" widergespiegelt.
Unter anderem mit einer „Ruhestands-Tüte“ und einer Gießkanne hat sich die Schulgemeinschaft von Thomas Gißmann verabschiedet. Foto: KegelAls Vielarbeiter beschreibt ihn Gerhard Langer, der geschäftsführende Schulleiter in Sinsheim und inzwischen selbst Ruheständler; als einen, der es verstanden habe, "in schwierigen Phasen klare Kante zu zeigen" sieht ihn Sinsheims Oberbürgermeister Jörg Albrecht. Und als sich die "Griffelspitzer", ein Lehrer-Fußballklub, immer freitags um 16.30 Uhr zum Sport in der Gymnasiums-Halle trafen, sei "Thomas’ Auto immer noch auf dem Parkplatz gestanden", sagt Langer. Aus eigener Erfahrung wisse er, dass das Arbeiten im Corona-Lockdown doppelt so viel und doppelt so unbefriedigend erschien. Zumindest in Vorahnung auf all die Überraschungen und Herausforderungen, die dem deutschen Schulwesen künftig ins Haus stehen dürften, sei der Eintritt in den Ruhestand nicht die schlechteste Perspektive, witzelte Langer. Glücklich fügte sich auch, dass Gißmann kürzlich seinen Abitur-Jahrgang – "mit Ellbogencheck" – verabschieden konnte und die Schüler mit einer Durchschnittsnote von 1,9 das wohl beste Ergebnis Gißmanns 13 Jahren am Gymnasium eingefahren hatten.
"Ich hoffe, Sie haben die richtige Person gemeint" – nach so viel Lob versuchte es Gißmann zunächst mit trockenem Humor. Tatsächlich hat ihn alles sehr gerührt, und einige Gäste erlebten ihn, wie man ihn nicht kennt: verlegen, sich Tränen wegdrückend. Getreu "dem alten Carpendale" gehe man ja "nie so ganz" und "zu dem, das man liebt, kehrt man immer zurück". Im Freundeskreis des Wilhelmi-Gymnasiums will er definitiv Mitglied bleiben und sich bei Veranstaltungen in Sinsheim sehen lassen.
Was Gißmann besonders in Erinnerung bleiben wird? "Menschen, die sich mit mir über Erfolge gefreut haben", aber auch die Corona-Zeit, die er "als Lackmustest" des Schulwesens und von Schulgemeinschaften sieht. Fehlen werden ihm, wie er sagt, "unsere lernwilligen, wunderbaren und netten Schüler" mit deren "Frohsinn und Lachen". Ein Musikensemble spielte The Everly Brothers und Andrea Bocelli. Es gab Stehapplaus für Gißmann. Sein Schlusssatz: "Wenn ich irgendjemandem etwas schuldig geblieben bin, sehen Sie es mir nach. Es war bestimmt nicht meine Absicht."