Ihr Buch stellte Joy Fleming im Oktober 2013 in der Stadtbibliothek vor. Foto: Christiane Barth
Sinsheim. (cba/tk) Joy Fleming war die große weibliche Blues- und Soullady Deutschlands - Janis Joplin nannte sie "die beste Stimme Deutschlands". Sängerin seit sie 14 war, Jazz und Blues in Bars und Kneipen für die in Mannheim stationierten US-Amerikaner, im Jahr 1971 wurde sie mit dem "Neckarbrigge Blues" bekannt. 25 Alben nahm sie auf, vertrat Deutschland im Jahr 1975 beim Grand Prix de la Chanson mit dem Titel "Ein Lied kann eine Brücke sein" und belegte mehrfach vordere Plätze im Vorentscheid des European Song Contests. Sie arbeitete im Jahr 2004 mit Stefan Raab und Thomas Anders für eine Castingshow und erlebte dadurch ihr Comeback bei einem jüngeren Publikum.
All das dürfte den meisten Menschen bekannt sein. Dass Joy Fleming im Kraichgau lebte, sogar Gesangsunterricht gab und ein Buch verfasst hat, wussten manche vielleicht nicht. Am Mittwoch ist sie im Alter von 72 Jahren in Sinsheim-Hilsbach überraschend gestorben.
Die Sängerin, die mit bürgerlichem Namen Erna Liebenow hieß, lebte eher zurückgezogen im Hilsbacher Altort. Am öffentlichen Leben im Kraichgau nahm sie kaum Teil, galt jedoch als offener Mensch mit einem mal feinen, mal rustikalen Humor und großer Direktheit. In Sinsheim war sie im Jahr 2003 als Stargast beim Fohlenmarkt aufgetreten. Ein Clubauftritt zeigte sie drei Jahre später im Waibstadter "Schinderhannes", 2016 rockte sie bei einem Benefizkonzert in Wiesenbach.
In ihrem Haus in Hilsbach fühle sie sich, obwohl Stadtkind, wohl, verriet sie bei einer Lesung in der Sinsheimer Stadtbibliothek: "Ich kann mit Gummistiefeln auf die Straße gehen, und keiner erkennt mich." Seit sie aus Mannheim fortgezogen war, weil man dort ihren Hund nicht gemocht hatte, war sie dem Kraichgau treu geblieben. "Ich liebe die Gegend, die Leute mögen mich", sagte sie dazu. "Highlife" brauche sie zu Hause nicht.
Bei ihrem Gastspiel in der Stadtbibliothek plauderte sie aus dem Nähkästchen - flankiert von Bibliotheksmitarbeiterin Mirjam Schaffer und Buchhandlung Doll-Geschäftsführer Klaus Gaude. Mit "Monnemer Gosch" versteht sich. Früher, da sei sie ein "unerfahrenes junges Ding" gewesen und "so dünn, dass ich beinahe durch den Gullideckel gefallen wäre." Seit sie sich in einem der Amiclubs in Mannheim eine Alkoholvergiftung geholt hatte, habe sie nichts mehr getrunken. Dagegen habe sie aber gegessen, was ihr geschmeckt habe. Ihre schlimme Kindheit, in der sie vom Vater geschlagen wurde, habe sie mit Hilfe der Musik verdrängt. In ihrem Buch "Über alle Brücken" wollte sie endlich erzählen, "was Sache ist".
Mit ihrem Humor gewann sie schnell die Zuhörer für sich. Es gehe ihr gut, sagte sie bei der Lesung im Jahr 2013, trotz Schrumpfniere und Leibesfülle. Ihren Künstlernamen fand sie gut, "weil er schmiert". Die Alternative "Erna Ferrari" hätte sie gerade noch abwenden können.
Sie stand mehrfach in Sinsheim auf der Bühne, unter anderem auch mit dem christlichen Liedermacher Clemens Bittlinger bei der "Nacht der Lieder". Bittlinger füllt inzwischen selbst Hallen, war jedoch neben Joy Fleming ein stiller Sänger im Hintergrund. Und für Dirk Bach habe sie Pudding und Banane gekocht. Dass er vor einigen Jahren bereits verstorben war, konnte sie nicht verwinden.