Die Zeugnisse einer Nacht. Reifengummi auf dem Festplatz. Hier treffen sich junge Leute mit Autos. Nachbarn stört es. Foto: Tim Kegel
Von Tim Kegel
Sinsheim. Ein Dauerthema in Sinsheim kocht zurzeit wieder hoch: Sogenannte "Auto-Poser", meist junge Männer in starken Limousinen mit lauten Stereoanlagen an Bord, die sich damit zu halbstarken Muskelspielchen treffen. Zwar hat die Polizei die Szene seit Jahren im Auge. Groß etwas gegen das Phänomen bewirken, lässt sich aber nicht; die Mitglieder sind hoch mobil und gut vernetzt. Schwerpunktkontrollen haben phasenweise zwar Erfolg gezeigt, sprechen sich jedoch schnell herum. Nun gibt es offenbar wieder eine Häufung – auf dem Festplatz beim Freibad.
Dafür sprechen die Zeugnisse so mancher Nacht: Gummiabrieb heißer Reifen. In kunstvollen Pirouettenformen, manchmal auch in geschlossenen Kreisen. Wer hier aufs Pedal trat – auch Laien können das erkennen – der hatte einen starken Motor, der zum Aktions-Zeitpunkt ziemlich laut gewesen sein muss. Und noch etwas zeigen die Spuren: Nämlich dass sich so etwas ziemlich oft, oder ziemlich lange, oder mit ziemlich vielen Beteiligten abspielt.
Ein Dokument der Verzweiflung hat in diesen Tagen die Stadtverwaltung mit Oberbürgermeister Jörg Albrecht und dem Ordnungsamt, aber auch die Kriminalprävention der Polizei erreicht. Die Verfasserin, die sich mit deutlichen Worten Luft verschafft, lebt in dem Gebiet und war schon öfter wegen Lärmbelästigungen an der "alla Hopp!"-Anlage im Postgarten gegen die Ämter ins Feld gezogen. Als Anwohnerin, deren Wohnzimmer direkt dem Schall ausgesetzt sei, schildert sie ihre Wahrnehmungen.
Und darin ist die Rede vom "Dauertreffpunkt" zu dem der Festplatz allmählich werde. Es entstehe eine "mobile Disco mit lauter Bassmusik", zu der sich "Raser mit dröhnenden Auspuffrohren" beim Freibad versammelten. Seit Wochen, sagt die junge Frau, erlebten sie und viele ihrer Nachbarn die Treffen, mit "An- und Abfahren im Minutentakt". Hiermit verbunden sei auch "das Rasen durch die Stadt". Selbst tagsüber höre man die Motorgeräusche "durch die Stadt heulen", dass es "über Kilometer hinweg" dröhne. Die Ruhestörung, von der sie spricht, finde auch in den Abend- und Nachtstunden statt. "Auch zum Beispiel 3 Uhr nachts" werde man "von dem Lärm geweckt"; abgesehen "von der Gefährlichkeit auf den Straßen", wie es weiter heißt. Die Lage verschlimmere sich nach Ansicht der Frau "zunehmend". An Ostern sei es dann aber "besonders schlimm" gewesen. Sie ist nicht die Einzige, die von den Treffen berichtet. Auch Bewohner der Hochhäuser in der Kurpfalzstraße nehmen eine Häufung akustisch wahr; ein Bewohner des sechsten Stocks des Westturms spricht von "lautem Aufröhren" über der Oststadt und davon, nicht unterscheiden zu können, ob es sich "um Autos oder Motorräder" handelt. Eine Häufung stellt der Mann fest, davon gestört fühle er sich aber nicht.
Ähnlich geht es Karl Schramm, der in der östlichen Innenstadt lebt, im Wiesental oft als Naturfotograf seine Runden dreht und danach oft am Festplatz vorbei kommt, meistens in den frühen Morgenstunden. Nächtliche Eskapaden bekommt Schramm "nicht mit", allerdings fällt ihm auf, "was oft auf dem Platz zurück bleibt", nämlich reichlich Verpackungsmüll, Reste von Fast-Food, Tetrapacks. Schon des Öfteren hat Schramm Teile der "Sauerei" weggeräumt. Fairerweise müsse man aber dazu sagen, dass der Abfall "oft um die Mülleimer verstreut" liege. Schramm vermutet, dass auch Wildtiere, "wie etwa die vielen Krähen" sich an den Tonnen zu schaffen machen, sodass es vielleicht auch deswegen hinterher wild aussehe. Dass sich junge Leute auf dem Festplatz treffen, kann Schramm "auch irgendwie" verstehen: "Es tut sich ja sonst nichts."
Werden Ruhestörungen im benachbarten Seniorenwohnen im Katharinenstift bemerkt? "Bislang nicht", heißt es bei der Leitung des Heims, allerdings bemerkt die Mitarbeiterin auf ihrem Nachhauseweg, dass sich auf dem Festplatz "oft viele Leute treffen". Krach und Raserei sind ihr hierbei "nicht aufgefallen", was aber nicht viel bedeuten müsse: "Wenn’s nachts passiert, bin ich nicht hier."
"Versteckte Patrouillen am Parkhaus" bei der Stadthalle und an der Hauptstraße aufzustellen, hierzu rät die Anwohnerin. "Treffer sind dort garantiert", ist sie der Überzeugung. "Die Sache ist uns bekannt", sagt Ordnungsamtsleiter Florian Zangl. Es sei schwierig, Ordnungswidrigkeiten in diesem Deliktbereich zu ahnden, räumt er ein. Weil man quasi im selben Moment eingreifen müsse, in dem sie passieren. Es habe in der Vergangenheit aber "vereinzelt auch Platzverweise" gegeben. Diese auszusprechen, sei nicht immer möglich. Zwar treffe man öfter auf motorisierte Grüppchen, allerdings verhielten diese sich dann meist unauffällig, verstießen beispielsweise "nicht gegen Corona-Auflagen".