Der Arbeitsplatz von Müller alias „DJ Timo Cervezza“ im Sinsheimer „Kinki Palace“. Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 2017. Foto: Kinki Palace
Von Hans-Joachim Of
Sinsheim-Waldangelloch. Seine Leidenschaft für Musik wurde schon im Kindesalter geweckt. Später tauschte er das Klavier gegen den Plattenteller. Jetzt ist der 25-jährige Timo Müller aus Waldangelloch, der sich aus einer Bierlaune heraus den Künstlernamen "DJ Timo Cervezza" zulegte, Deutschlands bester Discjockey im Bereich "Electro". Beim Finale, das kürzlich in Leipzig stattgefunden hat, setzte er sich gegen 20 Konkurrenten aus allen Ecken der Republik durch und gewann mit einer Darbietung aus eigens zusammengestellten, bekannten Liedern aus dem Genre "Bass-House" den Titel.
Vorausgegangen war die Qualifikation im bayrischen Deggendorf, bei der der Waldangellocher gegen 38 Kollegen antrat und sich den zweiten Platz und damit die Finalteilnahme sicherte. Dabei sah es zunächst nicht rosig aus für Müller, der seit zwei Jahren an der Heidelberger Universität studiert, um irgendwann Wirtschaftsingenieur zu sein. Nachdem er von einem befreundeten Musikkollegen und DJ erfuhr, dass die Meisterschaft – trotz Corona – ausgetragen wird, war sein Interesse geweckt. Er informierte sich über die Wettbewerbskriterien und meldete sich für die süddeutsche Meisterschaft an.
Timo Müller wurde als einer der besten DJs in Deutschland gekürt. Foto: privatEin DJ-Set mit Tricks und Raffinessen wurde aufgebaut und einstudiert: "Kurz vor der Veranstaltung hat mein Equipment gestreikt und guter Rat war teuer", blickt er zurück. Kein Geringerer als "DJ Klubbingman" Tommy Schleh von der bekannten Dance-Formation "Masterboy", den Müller als Betreiber des Sinsheimer Clubs "Kinki Palace" kennt, half ihm kurzfristig aus. "Dadurch konnte ich mein Training fortsetzen."
Trotz wenig Schlaf und "stressigen Tagen" gelang später der große Wurf, und "DJ Timo Cervezza" hatte allen Grund zum Strahlen. Bei seiner erstmaligen Teilnahme hatte er die Fachjury aus Szene-Kennern und Musikproduzenten überzeugt. Aus 18 Liedern bastelte er zuvor ein Grundgerüst mit Intro, verbaute in 15 Minuten bestimmte Sound-, Ton- und Gesangssequenzen, kombinierte sie – oder komponierte gleich neu: Mit dabei war Material von weltbekannten Künstlern, darunter David Guettas "Memories", Daft Punks "One More Time" oder das – in die Zeit passende – "Rhythm Of The Night" der "Neunziger"-Formation "Corona".
Kommst du mit deiner Technik tadellos klar? Wie reagierst du in Stresssituationen? Schaust du nur auf deinen Laptop oder ist dein Fokus auch auf die Tanzfläche gerichtet? So und ähnlich hieß es in der Wettbewerbsausschreibung. Und: Bringst du das nötige Charisma und die Coolness mit? Die Jury habe "keinen Turntables-Weltmeister" gesucht, sagt Timo, "sondern einen Discjockey, bei dem das Gesamtpaket stimmt", der live und kreativ arbeiten kann. Letztlich brachte er im angesagten Leipziger Club "L 1" – aber "leider ohne Publikum" – die Jury hinter sich.
Müller, der seit sechs Jahren als jüngstes Mitglied auch im Ortschaftsrat von Waldangelloch sitzt, hatte als Jugendlicher nie den Wunsch nach einer DJ-Karriere. Erste Schritte gingen in der Gartenlaube eines Freunds über die Bühne, als er mit eigenen CDs für Partystimmung sorgte. Ein Laptop und einen "DJ Controler" bekam er dann zum 17. Geburtstag von den Eltern geschenkt.
Danach eignete er sich alles an, was man zum "Auflegen" braucht, kaufte sich von den Gagen professionelle Ausrüstung und veranstaltete in der Mehrzweckhalle in Waldangelloch seine eigene Reihe mit der "Last Saturday Party" am Samstag, wurde daraufhin in Bars und Discos in Sinsheim oder Mosbach gebucht. "Natürlich kommt man dann am ,Kinki Palace‘ nicht vorbei, und mein Traum, dort zu spielen, wurde wahr."
Seit drei Jahren agiert Müller, der auch das beliebte "Unplugged-Open-Air" auf dem Schlossbuckel in Waldangelloch organisiert hat, dort als sogfenannter "Resident DJ" und war fast jedes Wochenende in der Sinsheimer Diskothek am Start. "Bis im März Corona kam, und alles anders wurde."
Jetzt hofft Müller, seit 2014 Solo-Selbstständiger, "dass der Corona-Spuk bald vorüber ist und die Clubs wieder öffnen dürfen". Im Moment fehlt ihm "die Interaktion mit den Menschen, die tanzen und ausgiebig feiern möchten".