Kämmerer Ümit Kusanc in seinem Zimmer im Rathaus. Die Webseite der Gemeinde ist das Tor zum Bürger und muss aufgrund von EU-Richtlinien barrierefrei gestaltet werden. Den „Umbau“ übernimmt eine lokale Agentur. Foto: Christiane Barth
Von Christiane Barth
Reichartshausen. Die Gemeinde wird eine neue Webseite bekommen: Grund ist die Vorgabe der EU, dass kommunale Internetauftritte barrierefrei sein sollen. "Keiner wird ausgeschlossen", machte Bürgermeister Gunter Jungmann in einem Satz das Motiv deutlich, das hinter einer neuen EU-Richtlinie steckt. Die technischen Möglichkeiten, dass alle Menschen an der Kommunikation teilhaben können, müssen nämlich geschaffen werden. Und dafür gibt es eine Frist. Doch: "Das haben wir nicht ganz geschafft", räumte Jungmann die Verzögerung gleich von vornherein ein.
Sie hat einen sperrigen Namen, diese gesetzliche Vorgabe: die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung. Nach ihr müssen sich die Internetauftritte der Kommunen richten. Der Frist, die die EU-Richtline vorgibt, nämlich Webseiten und mobile Anwendungen öffentlicher Stellen bis zum 23. September 2020 barrierefrei zugänglich zu machen, hinkt die Gemeinde etwas hinterher. Doch nicht nur Reichartshausen ist zu spät dran. Vielen anderen Kommunen geht es genauso.
Die Umsetzung des barrierefreien Webauftritts soll bis spätestens 23. Juni 2022 überprüft werden. Dabei gelten für unterschiedliche Gruppen von Behinderungen unterschiedliche Vorgaben bei der Erstellung des Internetauftrittes. Berücksichtigt werden soll eine Vielzahl von Behinderungen, damit nahezu jeder Mensch mit Einschränkungen die öffentlichen Internetseiten bedienen kann. Verankert sind diese Richtlinien, die nun zur Pflicht werden, auch im Landesbehindertengleichstellungsgesetz. Die Gemeinde beauftragte deshalb bereits im vergangenen Jahr das ortsansässige Designstudio "Planet Patsec" mit der Prüfung, inwieweit die bestehende Webseite "aufgerüstet" werden kann, und gab ihm nun den Auftrag, die Nachbesserungen des Webauftritts zu realisieren.
Um die Vorgaben zu erfüllen, muss die Webseite auf ein neues Content-Management-System (CMS) umgestellt werden – ein Programm, mit dem die Internetseite mit Inhalten wie Texten, Bildern oder Videos bestückt wird und das auch ohne Programmierkenntnisse bedient werden kann. Das bisherige System unterstützt die Barrierefreiheit-Gestaltung nämlich nicht. Und der Umzug auf ein neues System – die gängigsten sind beispielsweise "Wordpress" oder "Typo3" – zieht wiederum Kosten für den "Hoster", also die Bereitstellung eines Platzes einer Adresse im Internet, nach sich. Darüber hinaus sollen die Mitarbeiter im Rathaus, die mit der Pflege der Webseite befasst sind, dann auch in diesem neuen System geschult werden.
All das sind Kosten, die nun auf die Gemeinde zukommen, zusätzlich zu den Kosten für die Herstellung der Barrierefreiheit. Der Angebotspreis für Umstellungsarbeiten liegt bei geschätzten 5550 Euro, die Kosten für die Schulung werden mit rund 420 Euro angegeben. Der Hostingplatz für das neue CMS liegt bei 1070 Euro.
Patrick Eckert vom Designstudio "Planet Patsec" war im Gemeinderat per Video zugeschaltet und erklärte dabei die Notwendigkeit des Vorhabens: "Die Deadline hierfür ist schon verstrichen", sagte er, "es gibt definitiv Handlungsbedarf." Bei der Produktion der aktuellen Version der Internetseite vor einigen Jahren sei er auf die Vorgaben, wie sie mit der neuen EU-Richtline nun gelten, nicht vorbereitet gewesen. "Wir konnten technisch abfangen, was im Rahmen des Vorstellbaren ist, aber hier haben wir es mit Änderungen zu tun, die so gravierend sind, dass unser System dies nicht leisten kann."
Der gesamte Inhalt der Webseite müsse nun in ein barrierefreies System gepackt werden. Vorteil des Umzuges zu einem öffentlichen Anbieter sei zudem, dass dieser somit auch die deutschen Gesetze und technischen Änderungen, die diese erfordern, berücksichtigt. "Das kann dieser öffentliche Anbieter besser, als wir das jemals könnten als kleine Agentur", verdeutlichte Eckert. "Es entsteht dadurch definitiv ein Mehrwert." Er sprach von einer "sauberen Internetseite", die weiterhin von der Gemeinde bedienbar bleiben solle.