Die damals 18-Jährige soll dem Mann entglitten sein. Ihre Beine gerieten ins heiße Wasser. Dabei erlitt sie schwere Verbrühungen. "So einen Vorfall wollen wir nie wieder", heißt es bei der Verwaltung in Eppingen. Kochende Kessel sind künftig verboten. Foto: Guzy
Von Anika von Greve-Dierfeld und Carsten Blaue
Heilbronn. Noch nie in 16 Jahren war beim Eppinger Nachtumzug etwas passiert. Närrisch und heftig ging es immer zu. Aber ohne wirklich ernste Folgen. Bis zum 3. Februar dieses Jahres. Eine damals 18-jährige Zuschauerin wird in den Zug gezerrt und über einen Kessel mit kochend heißem Wasser gehalten, in das ihre Beine geraten. Wochenlang wird sie in einer Spezialklinik in Stuttgart behandelt. Derweil sucht die Polizei nach den "Verursachern".
Das Wort "Täter" vermeidet Jens Brockstedt, Eppingens Polizeirevierleiter, wann immer er im Frühjahr über den Fall reden muss. Absicht wird noch niemandem unterstellt. Die Ermittlungen gestalten sich schwierig. Die meisten Naren im Zug sind ja als Hexen maskiert gewesen. Die Ermittler nutzen alles, was sie bekommen können: Bilder, Videos, Zeugenaussagen. Und sie nehmen Personalien von rund 40 Teilnehmern auf. Und jetzt scheint es so zu sein, als gebe es doch einen Täter. Ein 32-Jähriger wird angeklagt. Wegen fahrlässiger Körperverletzung. Das teilt die Staatsanwaltschaft in Heilbronn am Montag mit.
Die Anklage muss dort allerdings noch vom Amtsgericht zugelassen werden. Ein Gerichtssprecher sagt, dass der Prozess dann frühestens Mitte August beginnen würde. Der 32-Jährige, heißt es am Montag noch vonseiten der Staatsanwaltschaft, habe sich zu dem folgenschweren Vorfall bislang nicht geäußert. Und ob ihm ein Verschulden nachgewiesen werden könne, "müsse abgewartet werden". Einfach scheint die Aufklärung wirklich nicht zu sein. Gleichwohl geht die Anklagebehörde davon aus, dass er es gewesen ist, der die junge Frau zunächst über den Kessel gehalten hat. Dann sei sie ihm entglitten und mit den Beinen ins kochende Wasser geraten.
Auch der Mann sei als Hexe verkleidet gewesen. Nicht nur gegen ihn ermittelt die Polizei anfangs, sondern auch gegen 18 weitere Mitglieder der "Bohbrigga Hexenbroda", einer Narrengruppe aus Kraichtal. Doch das Verfahren gegen sie wird eingestellt. Eine eindeutige Identifizierung von Beteiligten sei nicht möglich gewesen, heißt es vonseiten der Polizei, die nach dem Zwischenfall im Februar auch den Kessel auf dem Bollerwagen unter die Lupe nimmt.
Solche Gerätschaften wird es künftig nicht mehr geben, wenn in Eppingen die Narren los sind: "Wir werden definitiv keinen Umzug mit einem Kessel mit heißem Wasser mehr genehmigen", sagt am Montag eine Sprecherin der Stadtverwaltung. Zudem werde künftig noch sorgfältiger geprüft, was Gruppen im Fastnachtsumzug dabei haben dürfen: "Wir werden das sehr genau in Augenschein nehmen", so die Sprecherin: "Denn so einen Vorfall wollen wir nie wieder."
Und auch nicht die Folgen. Zwar gibt es in den Tagen danach eine große Solidarität. Etwa in der Nachbarstadt Bad Rappenau, wo beim Umzug Glöckchen als Zeichen gegen Gewalt verteilt werden und Volker Daunquart von der Narrenzunft "Sulmtäler Rumpelhex" stellvertretend für alle betont: "Wir sind keine wilde Horde, denn unter den Masken haben wir Herz und Verstand." Doch es gibt auch die üble Hetze in Internetforen. Gegen Eppingen, gegen die Hexenzünfte und den Nachtumzug. Auch damit muss sich die Polizei beschäftigen.
Bisher haben die beiden örtlichen Hexenzünfte die Traditionsveranstaltung gemeinsam mit dem Verkehrsverein der Stadt organisiert. Ob die Fastnachter überhaupt noch einen Nachtumzug stemmen wollen, ist völlig offen: "Dazu geben wir keine Auskunft", sagt der Zunftmeister der Eppinger Hexen, Bernd Henke, auf Anfrage. Man wolle jetzt den Ausgang des Verfahrens abwarten.