Die Schnell-Ladesäulen an der Autobahn-Raststätte "Kraichgau Süd" hält Jörg Fürstenberger für absolut praxistauglich. Foto: Christian Beck
Von Christian Beck
Sinsheim. Eine Million Elektroautos möchte Bundeskanzlerin Angela Merkel bis zum Jahr 2022 auf deutschen Straßen sehen. In Sinsheim ist deren Zahl bis jetzt überschaubar. Geringe Reichweite, ein hoher Preis und zu wenig Ladesäulen sind Kritikpunkte, die häufig genannt werden. Die RNZ hat bei zwei Besitzern von Elektroautos nachgefragt und sich in Sachen Ladeinfrastruktur informiert.
> Reichweite: "Ich traue mir zu, mit dem Auto kreuz und quer durch Europa zu fahren", erklärt Dr. Thorsten Seeker sofort. Mit seinem Tesla beschränke er sich auf Autobahnen auf eine Höchstgeschwindigkeit von 130 Kilometer pro Stunde, so komme er mit einer Akkuladung bis zu 350 Kilometer weit. "Und nach zweieinhalb Stunden sollte man ohnehin eine Pause machen", findet Seeker. Dann könne man an einer Autobahnraststätte eine Schnellladestation ansteuern. Und während des Ladevorgangs auf die Toilette gehen, etwas trinken und weiter fahren. Genauso macht es auch Jörg Fürstenberger mit seinem VW e-Up. Beide haben mit ihren Elektroautos schon Urlaub gemacht, Seeker war sogar im 684 Kilometer entfernten Travemünde.
> Ladesäulen: Sowohl Seeker als auch Fürstenberger laden ihre Autos vor allem zu Hause. Beide betonen aber, dass es bei der Raststätte Kraichgau-Süd Schnellladestationen gibt. "In 20 Minuten ist der Akku zu etwa 80 Prozent voll", berichtet Fürstenberger. Weitere Ladesäulen gibt es unter anderem am Technik-Museums, an der Badewelt oder im Parkhaus Grabengasse.
> Werden sie genutzt? "Am Anfang waren im Parkhaus meist beide Plätze frei", berichtet Andreas Uhler, Leiter der Stadtwerke. Mittlerweile seien sie aber häufig belegt. Etwas verzerrt ist diese Beobachtung, da der Strom dort momentan noch nichts kostet - wer sein Elektroauto lädt, zahlt lediglich Parkgebühren. "Das ist für uns ein Übungsobjekt", erklärt Uhler. Irgendwann werde fürs Tanken auch etwas verlangt werden. Weitere vier Ladesäulen sind im Stadthallen-Parkhaus vorgesehen, das momentan gebaut wird. Falls diese rege genutzt werden, könne man dort kurzfristig weitere Säulen installieren, ergänzt Uhler.
> Wie wird gesucht und bezahlt? Wer eine Ladesäule sucht, findet sie am schnellsten über Apps, erklärt Fürstenberger. Zur Auswahl stehen mehrere, häufig werde aber nur ein Teil der Lademöglichkeiten angezeigt. Für Nutzer sei es deshalb aktuell noch schwierig, sich ein vollständiges Bild zu verschaffen. Fürstenberger empfiehlt die ENBW-App "mobility+" sowie die "newmotion app". Bezahlt werde meist auch per App, teilweise noch per Karte. Hier sei in den letzten Jahren aber zu beobachten, dass Betreiber sich zusammenschließen und Modalitäten rund ums Laden und Bezahlen vereinheitlicht werden. Was eine Übersichtskarte der Ladestationen anbelangt, rechnet Fürstenberger ebenfalls mit einer Vereinheitlichung.
> Der Preis: Ein Tesla ist teuer, das weiß auch Seeker. Er verweist darauf, dass das Modell 3 der Marke günstiger sei. Es wird zu Preisen ab etwa 31.000 Euro angeboten. Zudem gebe es bei Tesla mittlerweile Gebrauchtwagen mit Garantie zu kaufen. Der VW e-Up, ein Kleinwagen, kostet neu rund 27.000 Euro.
> Das Umweltargument: Hier scheiden sich die Geister. "Ich sage nicht, dass ich das ökologisch besser Auto fahre", betont Seeker. Vor Ort würden zwar keine Emissionen produziert, Umweltschäden, die bei der Produktion der Akkus in anderen Teilen der Welt hervorgerufen werden, sind ihm aber durchaus bewusst. Warum er sich dann für ein Elektroauto entschieden habe? "Der Komfort", sagt er bestimmt. "Man gleitet und hört nur Reifen- und Windgeräusche." Fürstenberger betont hingegen, dass Elektroautos durchaus umweltfreundlicher sein können. Der Strom, mit dem er unterwegs ist, wird von einer Fotovoltaikanlage auf dem Dach seines Hauses produziert.
> Das Gesprächsthema: "Jeder meiner Freunde fängt an, mit mir über mein Elektroauto zu diskutieren" berichtet Seeker. Dass das Thema offenbar viele bewegt, freut auch Fürstenberger. Wer freundlich fragt, bekommt in der Regel den Schlüssel seines elektrischen VW für eine Probefahrt in die Hand gedrückt.