Von Armin Guzy
Ittlingen. "Muss man denn jetzt sogar schon aufs Kleingeld gucken?" Reinhard Dold dreht zwei Münzen zwischen den Fingern und schwankt zwischen Verärgerung und Belustigung. Ja, muss man offenbar. 49 Cent hat Reinhard Dold und seine Frau Sonja diese Erfahrung gekostet. Und weil sie andere daran teilhaben lassen und auch ein bisschen warnen wollen, stand der Ittlinger jetzt in der Sinsheimer RNZ-Redaktion und legte uns den ersten "Löwen" seines Lebens auf den Tisch, 14 Jahr alt und etwas angekratzt.
Nicht, dass er über das Portemonnaietierchen besonders glücklich wäre, der da seiner Frau beim Einkaufen zugelaufen ist. "Wo, wissen wir nicht mehr so genau", sagt er und schiebt nach, dass seine Sonja anfänglich ja sogar richtig stolz war: "Guck mal, ein ganz besonderer Euro!" Der wurde dann zunächst im Bekanntenkreis rumgezeigt, bestaunt und natürlich nicht wieder ausgegeben.
Bis Reinhard Dold dann doch "irgendwie stutzig" wurde und den seltsamen, etwas eckigen "Euro" mit der pfeilgeraden und serifenlose "1" genauer betrachtete. "Ich hab erst gedacht, das ist Falschgeld", schildert er.
Die Recherche im Internet brachte Klarheit: Die Münze ist ein Lew, stammt aus Bulgarien und ist, weil ihr Wert einst an die D-Mark gekoppelt war, inzwischen umgerechnet 51 Cent wert, sieht aber der Ein-Euromünze täuschend ähnlich. "Nur halt etwas päpstlicher", zeigt Dold auf das Heiligenporträt auf der Rückseite.
Abgesehen von der kyrillischen Schrift sind Euro und Lew - der Name der Währung geht auf eine veraltete Form des Wortes Löwe zurück - nahezu identisch. Beide haben einen goldglänzenden Rand aus Messing, einen Kern aus einer Kupfer-Nickel-Legierung, zeigen den Wert 1 auf der Vorderseite und sind in der Flüchtigkeit des Alltags schnell mal verwechselt. So landete und klimperte der Löwe dann auch im Geldbeutel von Sonja Dold.
"Das muss man erst mal wissen", sagt ihr Mann Reinhard, den nicht der Verlust von 49 Cent schmerzt, sondern die offenbar allgemeine Unkenntnis des Problems: In seinem Bekanntenkreis wusste jedenfalls bisher keiner um die Ähnlichkeit - und auch ein Schnelltest in unserer sonst von berufswegen kritischen Redaktion zeigte: Die meisten fallen sofort auf den Doppelgänger aus dem Balkanstaat rein. "Das muss man doch den Bürgern mitteilen", meint Dold.
Angesichts des geringen Wertes sind Betrügereien im größeren Stil aber ausgeschlossen. Schon eine Handvoll Lewmünzen wäre dann wohl doch zu auffällig. Und auch moderne Automaten spucken die Münze schnell wieder aus. Der stolze Löwe ist schlicht zu fett und zu schwer: Der knapp einen Millimeter größere "Bauchumfang" des Lew bleibt dem Automaten nicht verborgen - dem eiligen Vorweihnachtseinkäufer an der Kasse dagegen wohl schon. Familie Dold will ihren Klimperlöwen jedenfalls aus dem hiesigen Zahlungsverkehr ziehen und als Erinnerungsstück behalten.
Es hätte ja auch noch "schlimmer" kommen können. Wäre statt des Lew ein brasilianischer Real im Geldbeutel gelandet, hätten die Dolds deutlich mehr verloren: Diese Münze sieht dem Euro ebenfalls zum Verwechseln ähnlich, ist aber nur 28 Cent wert - das größte Land Lateinamerikas steckt in massiven Wirtschaftsproblemen und seine Währung befindet sich seit Monaten im Sinkflug.
Irgendwie haben die Dolds also sogar ein bisschen Glück gehabt. Ihre Münze ist vergleichsweise wertstabil und passt sogar in manche Einkaufswagen. Und vielleicht wird sie irgendwann ja sogar zum Grundstock einer Bulgarienreise.