In der Kümmelbachstraße ersetzt ein neuer Kanal künftig die Abwassergruben. Foto: Alex
Von Christoph Moll
Neckargemünd. Der Stadt sind fast 600.000 Euro durch die Lappen gegangen. So hoch waren nämlich in den Jahren 2013 und 2014 die Verluste bei der Abwasserentsorgung. Weil sie nicht regelmäßig die Abwassergebühren neu kalkuliert hat, kann die Stadt dieses Geld nun nicht mehr von den Gebührenzahlern eintreiben. Auch deshalb können sich die Bürger rückwirkend für das laufende und das kommende Jahr auf deutlich niedrigere Abwassergebühren freuen: Die Schmutzwassergebühr sinkt um 25 Prozent von bisher 2,18 auf nun 1,65 Euro pro Kubikmeter Frischwasserverbrauch. Bei der Niederschlagswassergebühr ist der Rückgang mit sechs Prozent nicht so stark: Sie sinkt von 0,79 auf 0,74 Euro pro Quadratmeter überbaute und befestigte Fläche. Diese Gebühren beschloss der Gemeinderat in seiner jüngsten öffentlichen Sitzung bei einer Gegenstimme.
Robert Häuser musste zunächst einmal "Vergangenheitsbewältigung" betreiben. Der Inhaber der "Wirtschaftsberatung für kommunale Einrichtungen Schmidt und Häuser" aus Nordheim bei Heilbronn nahm die vergangenen fünf Jahre unter die Lupe und "kalkulierte nach", wie er erklärte. Er hielt zunächst einmal fest, dass die Stadt im Jahr 2014 eine Kalkulation für das Jahr 2015 und im Jahr 2016 eine Kalkulation für das Jahr 2017 beschlossen habe. Für die Jahre 2013, 2014 und 2016 gebe es keine Berechnungen. "Es wurde also nicht jedes Jahr kalkuliert und beschlossen - und das hat Auswirkungen", sagte Häuser.
Grundsätzlich müssen Gewinne aus der Abwasserentsorgung innerhalb von fünf Jahren ausgeglichen werden - sie müssen also an den Verbraucher "zurückgegeben" werden. Und das unabhängig davon, ob jedes Jahr kalkuliert wurde oder nicht. Verluste hingegen müssen nicht, sondern können auf die Verbraucher umgelegt werden. "Wenn es keine Kalkulation gibt, gilt der Verlust als politisch hingenommen und wird von der Stadt getragen", erklärte Häuser.
Der Fachmann ermittelte zunächst, in welchen Jahren welche Gewinne und Verluste entstanden sind. Bei der Schmutzwasserentsorgung ist die Stadt mit einem blauen Auge davon gekommen. Hier gab es nur im Jahr 2017 einen Verlust von rund 61.000 Euro, den sie noch umlegen kann. Sonst gab es nur Gewinne zwischen 7000 und 165.000 Euro, die ohnehin ausgeglichen werden müssen.
Im Bereich des Regenwassers ist das anders: Hier schlagen in den Jahren 2013 und 2014 satte Verluste von 309.000 und 256.000 Euro zu Buche, die nicht auf die Verbraucher umgelegt werden dürfen. Mit den Verlusten aus den Jahren 2015 und 2017 - 37.000 und 90.000 Euro - ist dies anders. In diesen Jahren gab es wie erwähnt Kalkulationen. Nur im Jahr 2016 gab es hier einen Gewinn von 22.000 Euro. Robert Häuser verteilte nun die Gewinne und Verluste so auf die Jahre 2018 und 2019, dass für beide Jahre die gleichen Gebührensätze herauskamen.
Für die Abfuhr von Abwasser aus Abwassergruben kam der Fachmann auf Werte, die mit etwa 110 Euro je Kubikmeter Abwasser doppelt so hoch wie bisher waren. Dies liegt daran, dass die Stadt immer mehr der betroffenen Grundstücke ans Kanalnetz anschließt. "Die Fixkosten für die Abfuhr bleiben gleich, aber die Abwassermenge wird geringer", erklärte Häuser den steigenden Preis. Der Fachmann empfahl der Stadt, im nächsten Jahr wieder die Gebühren zu kalkulieren.
Bürgermeister Frank Volk sprach von einer "komplizierten Sache". Bei den Kosten für die Abwassergruben sei er erschrocken. Es würden Eigentümer von Grundstücken benachteiligt, die wegen der Lage nicht an einen Kanal angeschlossen werden können. Von zuletzt noch 32 Grundstücken seien inzwischen neun an Kanäle angeschlossen, vier in der Kümmelbachstraße folgen aktuell. "Die Preise sind jenseits von Gut und Böse", meinte Volk und schlug vor, die bisherigen Sätze beizubehalten.
"Wir sehen Sie in Zukunft jährlich" - mit diesen Worten verabschiedete der Bürgermeister den Fachmann. "Hätten wir 2013 und 2014 auch kalkuliert, hätte uns das viel Geld gespart."