Rundum-Sevice: René Richter vom Familienzentrum fuhr Kathrin Gerling zum Impftermin und betreute sie vor Ort. Foto: Alex
Von Benjamin Miltner
Bammental. Es ist ein rares, wertvolles und sehr begehrtes Gut: ein Impftermin gegen das Coronavirus. Obwohl derzeit nur die Altersgruppe über 80 Jahre, Pflegepersonal und weitere Personen mit höchster Priorität dran sind, versuchen viele Menschen vergeblich an einen Termin zu kommen. Und zwar teils seit Ende Dezember. Aus Bammental gibt es dagegen erstaunliche Erfolgsmeldungen: Einem Team aus Ehrenamtlichen ist es gelungen, in den vergangenen zwei Wochen Impftermine für rund 70 Senioren zu buchen.
"Für sie haben wir alle einen Termin und eine Lösung gefunden", freut sich René Richter, Leiter des Familienzentrums. In den vergangenen Tagen sind weitere Anfragen reingekommen. Insgesamt rund 100 Senioren nehmen den Service in Anspruch, 90 von ihnen benötigen zudem Hilfe bei der Fahrt. In der Bammentaler Einrichtung in der Hauptstraße laufen die Fäden zusammen, kommen die Anfragen der Senioren rein, die dann aufgenommen und koordiniert werden. "Die Terminbuchung überfordert viele Senioren", weiß Richter.
Diese erste große Hürde nimmt die Einrichtung den Bammentalern komplett ab – dank eines großen Netzwerks an Freiwilligen. Die sieben Mitarbeiter im Familienzentrum, die DLRG um deren Ersten Vorsitzenden Albrecht Schütte, die DRK-Bereitschaft Neckargemünd/Wiesenbach um deren Leiterin Alexandra Erni, die Gemeindeverwaltung sowie viele weitere Ehrenamtliche sind beteiligt. Dank dieses Teams von rund 20 Personen habe man relativ schnell viele Termine zusammenbekommen und sei auf dem Laufenden, freut sich Richter. Kommende Woche sind bereits die ersten mit der Impfung dran.
"Gerade Bürgermeister Holger Karl hat sich die Nächte um die Ohren geschlagen und zur Geisterstunde fleißig am Rechner Termine gebucht", erzählt er. Das sei auch der Kniff: Um Mitternacht werden die Termine über www.impfterminservice.de online freigeschaltet. Über die Nummer 116.117 waren die Bammentaler ähnlich erfolglos wie andere. "Tagsüber am Telefon kriegst du nix", meint auch Richter – und wer sich einen Online-Zugang für über 80-Jährige ausgedacht hat, würde er gerne wissen ...
Das Angebot des Familienzentrums geht über die Terminbuchung hinaus, ist vielmehr ein Rundum-Paket: Neben der Beratung, Infos und der Buchung werden auch das Abholen von zu Hause und die Betreuung vor Ort samt Rückfahrt bis an die Haustür organisiert – falls gewünscht. Und das hält Richter auch für nötig – er hat die Erfahrung als Begleitung selbst bereits zweimal gemacht. "Sowohl in Sinsheim als auch in der Heidelberger Patrick-Henry-Village war alles sehr gut organisiert, es gab klare Abläufe sowie viel und freundliches Personal", betont er und verteilt Lob. Aber die Menge an Eindrücken, Infos und verschiedenen fremden Personen – mindestens zehn in 45 Minuten – überfordere eine über 80-jährige Person. "Da hilft ein bekanntes Gesicht sehr, dass mit dem zu Impfenden alle Stationen von A bis Z durchläuft und ihn an die Hand nimmt", so der Pädagoge.
"Wir haben schon über 40 Leute zusammen, die so eine Fahrt übernehmen, suchen aber noch händeringend nach Ehrenamtlichen", sagt Richter. Der Zeitaufwand liege insgesamt bei etwa zwei Stunden, für die Fahrt könne das E-Carsharing-Angebot der Gemeinde genutzt und müsse zum Schutz vor Trickbetrügern eine Verpflichtungserklärung unterschrieben werden. In der Regel fahren nur zwei Personen pro Auto, Ausnahmen gebe es nur, wenn für ein Ehepaar zwei zeitnahe Termine gebucht werden konnten oder eine Person eine Begleitung brauche, weil sie körperlich nicht fit ist. Stets gilt: maximal zwei Haushalte und Maskenpflicht.
Auch Personen, die bereits selbst einen Impftermin organisiert haben, biete das Familienzentrum Fahrten an – vergangene Woche haben bereits deren fünf stattgefunden. "Die Leute haben sich richtig gefreut", berichtet derweil Bürgermeister Karl, der mit Richter die Aktion initiiert hat. "Das ist eine tolle Geschichte für den Ort."
Die Gemeinde hat alle über 80-Jährigen – insgesamt 550 – vergangene Woche angeschrieben. Zieht man die Bewohner von Pflegeeinrichtungen und Betreutem Wohnen ab, wo mobile Teams die Impfung vor Ort übernehmen, habe man in Bammental für über die Hälfte der Personen mit höchster Priorität einen Termin. "Es ist schön zu sehen, dass es vorwärts geht und so viele mithelfen", freuen sich Karl und Richter. So lange Leute Unterstützung brauchen, werde man das Angebot aufrecht erhalten – bei Bedarf auch bei den nächsten zu impfenden Gruppen.
Info: Das Familienzentrum ist für Helfer und Hilfesuchende per E-Mail an solidarisch@bammental.de sowie aktuell täglich von 9 bis 18 Uhr unter Telefon 0 62 23 / 9 72 54 70 zu erreichen.