Region Heidelberg. (luw) Es sind schwere Vorwürfe, die gegen große Discounter-Ketten im Raum stehen: Werden Kunden mit sogenannten Lockvogelangeboten über absichtlich in kleiner Stückzahl bestellte "Aktionsartikel" in die Märkte gelotst, damit sie dort statt der viel zu schnell vergriffenen Ware andere Dinge des täglichen Bedarfs kaufen? Im konkreten Fall eines Neckargemünders wies "Aldi Süd" diesen Vorwurf auf RNZ-Anfrage jedenfalls entschieden zurück. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg aber berichtet, dass sich derartige Fälle bei großen Discountern seit einigen Wochen häufen würden: Man prüfe juristische Schritte, sagte ein Sprecher nun.
"In jeder Filiale nur drei ,Aktionsartikel’?" titelte die RNZ am Wochenende – und traf damit offenbar einen Nerv. In über 100 Kommentaren allein im Sozialen Netzwerk Facebook beschäftigten sich die Leser mit der Geschichte eines verärgerten Neckargemünders, der am vergangenen Donnerstag kurz nach Öffnung in drei Aldi-Filialen vergeblich ein bestimmtes Hochbeet gesucht hatte. Dieses war als ab Donnerstag erhältlicher "Aktionsartikel" im Prospekt beworben worden – laut Rückmeldungen aus den einzelnen Filialen seien aber von Beginn an jeweils nur drei Stück davon erhältlich gewesen. Bereits um 8.05 Uhr – also fünf Minuten nach Öffnung – habe er etwa im Neckargemünder Aldi kein Hochbeet mehr ergattern können.
Auf den Bericht reagierten im Internet zahlreiche Leser, die von ähnlichen Erlebnissen in verschiedenen Discounter- und Supermarkt-Ketten berichteten. Andere rieten dem Betroffenen, lieber ein vergleichbares, aber wohl etwas teureres Hochbeet im Fachhandel zu kaufen, "wo es dauerhaft verfügbar ist".
Von "vermehrten Beschwerden" dieser Art wegen "verschiedenster Produkte" in den vergangenen Wochen berichtete nun auf RNZ-Anfrage ein Pressesprecher der Verbraucherzentrale. "Das ist kein Einzelfall. Es scheint strukturell so zu sein, dass regelmäßig von allen Aktionsartikeln zu wenig vorhanden ist." Allerdings sei die Rechtsprechung zu sogenannten Lockvogelangeboten "etwas schwammig", weshalb sich ein juristisches Vorgehen dagegen schwierig gestalte. Doch die Verbraucherzentrale prüfe hierzu derzeit verschiedene Möglichkeiten. Demnach versuche man, möglichst viele Fälle dieser Art zu sammeln, "um diese Lockvogelangebote nachzuweisen".
Update: Dienstag, 16. März 2021
In jeder Filiale nur drei "Aktionsartikel"?
Der Konzern dementiert: Es gebe kein "Lockvogelangebot".
Region Heidelberg. (luw) Donnerstag, 8.05 Uhr im Neckargemünder Aldi-Markt: Karl Leibl ist sauer. Doch auf der Suche nach einem im Prospekt beworbenen und demnach seit Donnerstagmorgen erhältlichen Hochbeet des Discounters gibt er nicht so schnell auf. Nach den Fahrten in zwei weitere Filialen muss er allerdings feststellen: Von diesem "Aktionsartikel" gab es selbst bei Ladenöffnung an jedem Standort scheinbar nicht einmal eine Hand voll. Die RNZ hat bei "Aldi Süd" dazu nachgefragt – die Antwort dürfte Karl Leibl kaum zufrieden stellen.
"Es waren nur drei Beete vorhanden", ärgert sich Leibl unter Berufung auf eine Frau, die bereits um kurz vor 8 Uhr in der Filiale gewesen sei. Diese drei seien bei seinem Eintreffen bereits vergriffen gewesen. Die Dame habe ihm den Tipp gegeben, dass in der Ziegelhäuser Filiale noch Hochbeete vorhanden seien. Also dorthin. "Die Aussage der Kassenkraft: ,alle drei schon weg’", berichtet Leibl.
Dann fuhr er weiter in den Bammentaler Aldi: "Alles leer." Danach sei er in die Neckargemünder Filiale zurückgekehrt und habe den stellvertretenden Filialleiter angesprochen: Leibls Aufforderung, diesen Aktionsartikel nachzubestellen, habe er nicht nachkommen können. Zuständig für die zu geringe Lieferung sei die Zentrale in Ketsch, fasst der Neckargemünder die Antwort zusammen. Zudem ärgert er sich: "In diesem Beispiel geht aus der Werbung nicht hervor, dass der Verkäufer auch damit rechnet, dass das Gerät bereits nach wenigen Stunden oder Minuten ausverkauft sein wird." Ob dies rechtens sei, stellt Leibl in Frage.
Die RNZ konfrontierte die Pressestelle des Discounters mit dem Fall. "Wir bedauern, dass die Hochbeete zum Teil bereits nach kurzer Zeit ausverkauft waren, und verstehen die Enttäuschung des Kunden", heißt es in der Antwort. Die "Aktionsartikelangebote" würden "sehr sorgfältig" geplant, wobei man sich vor allem nach den Erfahrungen aus vergangenen Aktionen richte. "Dennoch wird die Kaufentscheidung unserer Kunden letztendlich von vielen Faktoren beeinflusst, von denen wir einige kaum vorhersehen können." So könne es passieren, dass die Nachfrage unter- oder überschätzt werde.
Kunden würden unter anderem auf der Internetseite des Konzerns darauf hingewiesen, "dass trotz sorgfältiger Planung einzelne Aktionsartikel aufgrund hoher Nachfrage schon am Vormittag des ersten Aktionstages, kurz nach Aktionsbeginn, ausverkauft sein können". Auf den Hinweis, dass in diesem Fall bereits um 8.05 Uhr, also fünf Minuten nach Öffnung – und nicht erst vormittags – alles vergriffen war, wird nicht eingegangen.
Zur Frage, ob Kunden mit derartigen Angeboten in die Filialen "geködert" würden, damit diese auch anderes dort einkaufen, teilt die Pressestelle mit: "Den Vorwurf eines Lockvogelangebotes weisen wir ausdrücklich zurück, da er eine Täuschung unserer Kunden und eine bewusste Minderkalkulation der Warenmenge unterstellt." Abschließend wird auf eine App von Aldi verwiesen, die bis zu 14 Tage nach einer derartigen Aktion eine "Verfügbarkeitsabfrage" biete.
Die Frage, was Kunden tun können, um bessere Chancen auf derart begrenzt verfügbare Artikel zu haben, blieb ebenso unbeantwortet wie jene nach dem Grund dafür, dass hier keine Nachbestellung möglich ist. Auch antwortete das Unternehmen nicht auf die Frage, ob es Sorge habe, Kunden wie Leibl durch derartige Erfahrungen auf Dauer zu verlieren.