Die Arbeit der Landwirte vor Ort begutachtete Regierungspräsidentin Sylvia M. Felder bei einem Besuch der Bio-Musterregion Neckar-Odenwald-Kreis. Im Bioenergiedorf Heidersbach erhielt die Regierungspräsidenten auf dem Hof der Familie Hemberger Einblicke in die moderne Milchviehhaltung – inklusive Biogasanlage. Foto: Peter Lahr
Von Peter Lahr
Neckar-Odenwald-Kreis. "Ich wollte diesen Sommer auf die Höfe raus, um zu zeigen, was die Landwirte tun. Sie leisten nicht nur einen großen Beitrag zum Erhalt der Kulturlandschaft, sie produzieren auch für die Menschen." Um die Arbeit der Landwirte vor Ort persönlich kennenzulernen, startete Regierungspräsidentin Sylvia M. Felder eine Hoftour, die insgesamt durch drei Landkreise gehen wird.
Dass als erstes die Bio-Musterregion Neckar-Odenwald-Kreis auf dem Fahrplan stand, darüber freute sich Landrat Dr. Achim Brötel sichtlich. Im Bioenergiedorf Heidersbach erhielt die Regierungspräsidentin auf dem Hof der Familie Hemberger Einblicke in die moderne Milchviehhaltung – inklusive Biogasanlage. Auf dem Heimentaler Biohof der Familie Kunzmann bei Schefflenz hatte die Politikerin dann richtig Schwein. Denn auf dem Bioland-Betrieb bekam sie ein quiekendes Ferkel zum Knuddeln.
"Biogas funktioniert wie eine große Kuh, aber Kühe sind komplexer und nicht jede Kuh ist gleich", zog Alexander Hemberger einen zunächst überraschenden Vergleich. Der technisch versierte Landwirt hat 2011 den Hof von seinem Vater Alois übernommen und ist dann gleich die Biogasanlage angegangen. Widerstände von Seiten der Bewohner habe es keine gegeben – im Gegenteil. Denn die Anlage produziert nicht nur Strom, sondern die freiwerdende Wärme wird zudem in ein Nahwärmenetz eingespeist. "Sie brauchen einen hohen Kuhbestand?", hakte die Regierungspräsidentin mit Blick auf die beeindruckenden Ausmaße der Anlage nach. "Als ich den Hof übernahm, hatten wir 70 Kühe, jetzt sind es 180", erklärte Alexander Hemberger.
Nötig wurde deshalb auch ein neuer, großer Kuhstall. Im Zentrum des Boxen-Laufstalls, in dem sich die Wiederkäuer der Rassen Fleckvieh und Holstein sichtlich entspannt tummelten, steht ein Melkroboter. "Wir melken 2,8-mal am Tag", wusste der Hausherr auch hier detailliert Bescheid. Das "Andocken" an die Zitzen der Kuh beeindruckte Sylvia Felder spürbar. Sie, die zunächst schon manche Kuh gekrault hatte, wunderte sich über die Geduld der Tiere: "Da hat doch eine Kuh erst mal Angst davor?"
Dass das Thema "Kuhwohl" hier gelebt wird, zeigte ein Blick nach unten. Denn Alexander Hemberger setzt auf "Eco-Boden" aus den Niederlanden. Großer Vorteil der aus Gummi gearbeiteten Module: Sie haben keine Kanten, die Klauengeschwüre gingen deshalb stark zurück. Das Material werde hier erstmals Deutschland eingesetzt, weshalb es derzeit Gegenstand von wissenschaftlichen Untersuchungen sei.
Für Innovationen ist Hemberger durchaus offen. Weshalb auch ein autonom beweglicher Roboter für Sauberkeit im Stall sorgt. In der so gesparten Zeit bewirtschaftet Hemberger mit seinem Team die Flächen. 200 Hektar Ackerland und 100 Hektar Grünland wollen gepflegt werden.
"Das war nicht nur interessant, sondern auch schön. Sie sind rund um die Uhr im Einsatz und leben im Einklang mit der Natur", lobte Felder die Arbeit des Landwirts. "Warum sollte ich meine Böden kaputt machen? Der Boden ist mein Kapital, das muss erhalten, wenn nicht gar verbessert werden", merkte der Hausherr zu einem häufig in der Öffentlichkeit angeprangerten Thema an.
"Es geht nicht darum, Biohöfe und konventionelle Landwirte gegeneinander auszuspielen. Wer umstellen will, den unterstützen wir", erläuterte Landrat Brötel die Motivation zur Bio-Musterregion. Die von Bernhard Heim vom Landwirtschaftsamt ausgesuchten Höfe seien beide "echte Vorzeigehöfe".
"Wir waren zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort", erinnerte sich Simon Kunzmann an die Umstellung auf Bio vor vier Jahren. Denn nicht erst seit Corona dächten immer mehr Menschen darüber nach, woher ihre Nahrungsmittel denn kämen.
Auf dem Heimentaler Biohof der Familie Kunzmann bei Schefflenz bekam die Regierungspräsidentin ein Ferkel zum Knuddeln. Foto: LahrBei den Schweinen vom Heimentaler Bioland-Hof ist das ganz leicht nachzuprüfen. "Von der Produktion bis zum Kunden", lautet das Ideal von Simon Kunzmann. Angefangen beim Ackerbau für das Futter bis hin zum Direktvermarkten auf mittlerweile vier Wochenmärkten zwischen Heidelberg und Heilbronn. Aber auch an Edeka werde geliefert.
Wie der Umstellungsprozess genau abgelaufen sei, wollte die prominente Besucherin wissen – und lernte im Lauf der Führung die gesamte Kreislaufwirtschaft kennen. Vom "Kopf des Betriebs", der vollautomatischen Steuerungszentrale für die passgenaue Futterrationen, über das großzügig bemessene "Herzstück" mit den Kojen für die Muttersauen und ihre Ferkel, bis hin zum neu errichteten Auslaufstall für 450 Mastschweine der Rasse Viktoria. Dass man auch hier nichts roch, überraschte die Regierungspräsidentin angenehm. Kein Wunder, dass ihr Fazit lautete: "Hier würde man auch Schwein sein wollen."
Dass auch das schönste Schweineleben einmal zu Ende geht, daran erinnerte der Imbiss, mit dem Familie Kunzmann die Gäste bewirtete. Beim Leberkäsweck ging es dann auch um die Frage, wie regionale Ware am besten ins Supermarktregal kommen könne. Oder weshalb es derzeit nur eine einzige Bio-Fachschule im Land gebe.
Dass mittlerweile auch Vater Edgar Kunzmann, der sich bis heute als "Schweinflüsterer" betätigt, von Bio überzeugt ist, lag am Getreide: "Das hat beim Dreschen erstmals wieder nach echtem Getreide gerochen." Dass Bio und Konventionell auch künftig zwei parallele "Ligen" bilden werden, davon zeigte sich Simon Kunzmann überzeugt. Er plädierte zudem an die Macht des Verbrauchers: "Jeder Einzelne hat es in der Hand."
Präsenz vor Ort zeigten bei den Besuchen die beiden Bürgermeister. In Heidersbach lud Thorsten Weber zu einem "offiziellen Antrittsbesuch" ein, in Schefflenz beschrieb Rainer Houck die aktuellen finanziellen Herausforderungen.