„Die Freiheit, umzuplanen, genieße ich.“ Der Münchener Holzbildhauer Heiko Börner zeigt im Alten Schlachthaus die Ausstellung „Spannungsfelder“. Für das Mosbacher Domizil des Kunstvereins Neckar-Odenwald entwickelte er eine raumgreifende Installation. Foto: Peter Lahr
Von Peter Lahr
Mosbach. Die einen erinnert die raumgreifende Installation im Alten Schlachthaus an die gespannten Saiten einer Riesengitarre. Bei anderen weckt sie Assoziationen an ein XXXL-Spinnennetz oder die Takelage eines abstrakten Segelbootes. Die raumbezogene Installation, die der Münchener Bildhauer Heiko Börner im Alten Schlachthaus geschaffen hat, ist gleichzeitig offen und doch äußerst präzise geschaffen. Bereits bei der gut besuchten Eröffnung der Ausstellung "Spannungsfelder" waren sich die Gäste des Kunstvereins Neckar-Odenwald einig: "Das muss man mit eigenen Augen gesehen haben." Nicht nur, weil es sich bei der Schau um einen originären Programmpunkt des Mosbacher Sommers handelt, der dieses Jahr wegen der Coronakrise zum Großteil abgesagt wurde. Sondern auch, weil Fotografien das tatsächliche Raumerlebnis nur ansatzweise wiedergeben können.
Ummalt von Windrauschen, Wassergeplätscher und leisem Gelächter aus dem Park begrüßte Kunstvereinsvorsitzender Harald Kielmann im Freien zur "dritten Ausstellung seit Corona". Er zeigte sich erleichtert darüber, dass auf kulturellem Sektor wieder "ein bisschen was passiert".
"Zwei von 30 geplanten Veranstaltungen können stattfinden", verwies Bürgermeister Michael Keilbach auf den stark geschrumpften Mosbacher Sommer. Am vergangenen Samstag startete zudem das Open-Air-Kino im Großen Elzpark. Die Resonanz sei am ersten Abend "sehr verhalten" gewesen, erklärte Kulturamtsleiterin Christine Funk.
"Nur was schwingt, klingt." Mit diesem musikalischen Grundsatz eröffnete Michael Diedrich das Künstlergespräch. Dem kunstaffinen Gitarrendozenten der Musikschule Mosbach war das Werk Börners positiv aufgefallen, weil ihn die vielen gespannten Elemente an die Dynamik erinnerten, die auch das Betrachten von Gitarrensaiten hervorrufe. Zudem habe Heiko Börner eine "wahnsinnig interessante Biografie": Der 1973 im thüringischen Arnstadt Geborene studierte zunächst Bauingenieurwesen. Nach dem Zivildienst kam er zur Holzbildhauerei.
Nach dem Besuch der Münchener Meisterschule studierte Börner an der Wiener Akademie. "Die Technik ist zum Niederknien, und es entwickelt sich daraus eine eigenständige Kunst", anerkannte Diedrich. Beim ersten Betrachten der großen Rauminstallation habe er "richtig Gänsehaut gekriegt".
"Spannung generiert sich nicht nur aus den tatsächlichen physikalischen Bedingungen. Ich will auch Spannungsfelder zwischen gegensätzlichen Dingen thematisieren", umschrieb der Künstler sein Ansinnen. So setze er die Pole Ruhe und Statik gegen Bewegung und Prozess. Aus einem gedachten Bewegungsfluss wolle er mit seinen Werken einen bestimmten Moment herausfiltern und "festhalten". Deshalb gefielen ihm auch die eigentlich aus den Bereichen der Fotografie stammenden Begriffe wie "Flash" für blitzlichterhellte Momentaufnahmen oder "Film stills" für Filmstandbilder.
Die große Mosbacher Installation zeichnet sich durch einen weiteren überraschenden Kontrast aus: "Ich habe mit dünner Folie gearbeitet, die sehr fragil aussieht, aber doch so gut hält, dass man sie um scharfe Kanten führen kann." Apropos Material. Heiko Börner verrät auch dieses: einfache Frischhaltefolie von Edeka. Deren Vorteil: "Die kann man schön verweben im Raum." Das Ganze sei eigentlich "Arte Povera", eine Kunstform, die sich ganz bewusst einfacher Materialien bedient.
Ausgehend von zwei dynamischen Holzrauten am Boden und an der Decke des Alten Schlachthauses, verspannte Börner die "Folienseile" über alle vier Wände. Dazu benutzte er nicht nur eine Leiter, er ließ sich auch mithilfe eines Kletterseils durch den Raum schwingen, den er wortwörtlich bis unters Dach "bespielte". Im kleinen, hinteren Raum zeigt Börner drei Holzskulpturen, die ebenfalls die Wände hochklettern können. Bei diesen aus jeweils einem Stück Holz gearbeiteten Werken wird seine Prämisse, von ungegenständlichen Dingen auszugehen, noch einen Tick deutlicher. "Das hat nichts mit Figürlichem, Gegenständlichem zu tun. Ich lasse es dadurch auch relativ offen."
Info: Die Ausstellung im Alten Schlachthaus ist bis 6. September zu sehen; samstags und sonntags ist jeweils von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.