Die Kemmerers gehen so oft es geht an die frische Luft. Besonders gerne in den Wald, wo man nur selten auf andere Leute trifft. Foto: privat
Von Ursula Brinkmann
Balsbach. Tag zehn seit der Schulschließung: Das Deutsch-Blatt und verschiedene Mathe-Blätter sind vormittags um elf Uhr erledigt. Greta, die die vierte Klasse der Grundschule in Laudenberg nun nur noch virtuell besucht, hat die Blätter von dort online übermittelt bekommen, und Mama Helen Kemmerer hat sie ausgedruckt. "Einiges ist Wiederholung", sagt Greta, "wenn’s noch nicht alle verstanden haben." Der Ehrgeiz, mit der die beiden Schulkinder in den ersten Tagen der eingeschränkten Bewegungsfreiheit zum Erstaunen der Eltern ans Pflichtwerk gegangen waren, hat im Hause Kemmerer allerdings ein wenig nachgelassen. "Ich muss jetzt dabei bleiben", berichtet Helen.
Die "Wie-geht’s"-Frage beantwortet unsere RNZ-Beispielfamilie in Balsbach aber immer noch mit "gut", auch wenn es langsam hart werde. Das Motivieren werde schwerer, erzählt Helen, und auch die vorsorglich mit viel Tatendrang erstellte To-do-Liste wurde noch nicht angegangen. "Da steht zum Beispiel ‚Nähen mit Greta‘ drauf, doch daraus ist noch nichts geworden." Greta aber hat das Fußballspielen entdeckt, denn insbesondere Leonard liebt das Kicken, spielt im Verein. Diese sportliche Betätigung fällt nun weg. Schwester Greta, Bruder Laurenz und Papa Matthias sind willkommene Spielpartner im heimischen Garten. Ein Spiel dauert dann gern 90 Minuten.
Leonard besucht das Nicolaus-Kistner-Gymnasium in Mosbach und wurde mit Aufgaben versorgt, als die Schule noch im Präsenzbetrieb war, bekommt aber auch "nachgeliefert". In Französisch ist es für ihn in unterrichtslosen Zeiten schwerer. "Das geht mit Lehrern und Mitschülern einfach besser." Online läuft auch der Musikunterricht – sowohl der, den Helen ihren Querflöten-Eleven anbietet, als auch der, den Leonard (Gitarre über die Musikschule Mosbach) und Greta (sie hat mit Gesangsunterricht begonnen) in Anspruch nehmen. Mit der Mama als Musikerin haben die Kinder außerdem die direkteste Quelle im Haus, und das Vorhaben des gemeinsamen Musizierens, von dem im ersten RNZ-Artikel die Rede war, wird ebenso umgesetzt.
So haben auch die Kemmerers am vergangenen Sonntag beim deutschlandweiten musikalischen Flashmob mitgemacht, bei dem von Balkonen und aus Fenstern Beethovens "Ode an die Freude" erscholl. "Wir hier in Balsbach haben aber nur einen Nachbarsjungen gesehen, der uns zugehört und -geschaut hat."
An einem anderen Vorhaben – rauszugehen, wann immer es passt – halten die Kemmerers fest. Da kommt Laurenz das neue Fahrrad zugute, das er zu seinem sechsten Geburtstag im Februar bekommen hatte. Gefeiert wurde der auch noch. Ein Kindergartenfreund von Laurenz aber hat sein Geburtstagsfest in diesen Tage verschieben müssen, was beide Jungs natürlich bedauern. Und bestimmt nicht nur die… Mit gelegentlichen Telefonaten bleiben die Kindergartenkinder in Verbindung.
Laurenz weiß sich aber zu beschäftigen. Er liebt es zu malen und hat daher die Fensterscheiben im Haus auf Ostern vorbereitet, indem er mit Kreide Häschen gemalt hat. Wenn er draußen ist und nicht gerade durch den Wald spaziert, radelt oder kickt, dann bietet der Garten mit Schaukel und Trampolin Gelegenheit zur körperlichen Betätigung. Ebenso für die Geschwister.
Wenn aber all das getan ist, dann, ja, dann "wird’s langsam doch ein bisschen langweilig", findet Greta. Die im Hause Kemmerer eigentlich aufgestellten Mediennutzungsregeln sind schon ein bisschen aufgeweicht, gesteht Helen. Und weil außerdem Leonards Handy kaputt ist, darf der Zwölfjährige nun täglich, was sonst nur am Wochenende erlaubt ist: an die Konsole. "Aber nur für eine Stunde." Für den einzigen Tablet-Computer im Hause, über den beispielsweise der Online-Musikunterricht läuft, gilt es Nutzungsregeln aufzustellen.
Die Eltern bleiben bei ihrer Maxime, die Corona-Krise so gut es geht im Griff zu haben. Von Versorgungsmängeln noch keine Spur, aber einen Mangel registriert Helen doch: "Zeit für mich und ein Einkaufsbummel."