Von Marion Gottlob
Schwetzingen. Wie geht es jetzt weiter? Diese Frage stellen sich zurzeit viele Menschen, deren Leben durch die Corona-Krise auf den Kopf gestellt wurde. Das gilt auch für Margrit Jäger. Seit sieben Jahren ist sie die Seele der Schwetzinger Obdachlosenhilfe "Die Brücke". Von Montag bis Freitag kocht die Rentnerin und zweite Vorsitzende des Vereins für ihre bedürftigen Gäste in Räumen der Südstadtschule in der Moltkestraße 2.
Eigentlich. Denn seit des achtwöchigen Lockdowns, der Mitte März zur Eindämmung der Corona-Pandemie verhängt wurde, darf sie das nicht mehr. Stattdessen verteilt Margit Jäger nun Stofftaschen mit Lebensmittelpaketen. "Ich bin eine Kämpferin", erklärt sie und lächelt. "Und ich wünsche mir, dass ich wieder für arme und bedürftige Menschen kochen darf." Margrit Jäger ist den hygienischen Umgang mit Lebensmitteln gewöhnt und kann auf diesem Gebiet als gelernte Bäckereifachverkäuferin viel Erfahrung vorweisen. Zur "Brücke" kam sie über ihren Mann, der für den Verein arbeitete. Nach seinem Tod übernahm Margrit Jäger seinen Job. "Ich habe mir immer Mühe gegeben, die Aufgabe in seinem Sinne fortzuführen", erzählt sie.
Unter der Woche kaufte sie jeden Tag frisch ein und kochte für die Obdachlosen ein Mittagsmenü mit Vorspeise, Hauptgang und Nachtisch. Der Mittagstisch kostete 1,70 Euro. Kaffee und Tee jeweils 30 Cent, eine Cola 20 Cent. "Ich koche hier für eine große Familie", sagte sie vor einem Jahr gegenüber der RNZ. Doch schon damals waren die Räume der "Brücke" zu eng und nur schwer zugänglich. Um zur Suppenküche zu gelangen, mussten die Gäste eine steile Treppe bewältigen. Mit einer Gehbehinderung war das vielen nicht möglich. Und so wurden vor allem jene Menschen ausgeschlossen, die die Hilfe der Ehrenamtlichen besonders dringend benötigten.
In der Corona-Krise musste die "Brücke" schließen, um Margit Jäger und ihre Gäste vor der Gefahr einer Infektion mit dem Virus zu schützen. Von einem Tag auf den anderen gab es kein günstiges Mittagessen mehr. Doch schon bald hatte Jäger eine andere Idee: Der Verein "Heavens Figther – Obdachlosen- und Bedürftigenhilfe Schwetzingen", spendete Stofftaschen, die Margrit Jäger mit haltbaren Lebensmitteln wie Nudeln, Reis, Kartoffel-Püree und Dosen füllt. Hinzu kommen ein paar Hygiene-Artikel wie Zahnbürste und Zahnpasta, Duschgel, Shampoo oder Seife.
Die Initiative "Schwetzingen hilft" hat außerdem Geld und Masken gespendet. Mit Unterstützung der Supermarktkette "Real" und des Mannheimer Vereins "Alles-Retter" wurden weitere Spenden gesammelt. Die kostenlosen Lebensmittel-Taschen können die Gäste fast jeden Mittwoch gegen 12.30 Uhr abholen. Die aktuellen Termine werden jeweils über den Facebook-Kanal der "Heavens Fighter" veröffentlicht. "Das Angebot wurde sofort akzeptiert", berichtet Margit Jäger. Es kommen Stammgäste, vor allem aber neue Gäste wie Familien und Rentner. Jeder Haushalt erhält jeweils eine Tasche. Nur in Ausnahmefällen gibt es zwei Taschen, zum Beispiel wenn eine bedürftige Frau für sich und ihre Mutter Essen holt.
Die Aktion wird über Sach- und Geldspenden finanziert. Die Stadt Schwetzingen hat eine Gefriertruhe und einen Gefrierschrank gespendet. Regelmäßig besucht Jäger die Räume der "Brücke" und prüft, ob alles in Ordnung ist. Der Verein versucht schon seit Jahren, neue Räume zu finden. Dennoch überlegt Jäger, ob sie schon in den alten Räumen wieder den Betrieb aufnehmen könnte – unter Einhaltung der Hygieneregeln. "Ich bin eine Kämpferin, und ich möchte meine Gäste nicht allein lassen", sagt sie.