Ein Chianina-Rind (r.) und ein Ochse der Rasse Sayaguesa sind für die Kreuzung vorgesehen. Foto: Anspach
Lorsch. (lhe) Der Auerochse war nach der Eiszeit der größte Pflanzenfresser in Europa und inspirierte schon vor mehr als 2000 Jahren Höhlenmaler in Frankreich. Wissenschaftler der Unesco-Welterbestätte Kloster Lorsch wollen die ausgestorbenen Rinderrasse zu neuem Leben erwecken. Der Leiter des anspruchsvollen Zuchtprojekts, Claus Kropp, rechnet damit, dass dabei in zehn bis 15 Jahren Tiere geboren werden, "die dem Auerochsen schon sehr nahe kommen".
Das letzte bekannte Exemplar der imposanten Ur-Ochsen war 1627 in Polen erschossen worden. Die Herden hätten mit ihrem Fressverhalten besonders artenreiche Landschaften geschaffen, die so inzwischen in Europa so gut wie ausgestorben seien, erläutert Kropp. Ein Ziel des Zuchtprojekts für die ökologische Vielfalt: "Aus mittelalterlicher Perspektive sollen Antworten auf die Fragen des 21. Jahrhunderts geleistet werden."
Einer Ausstellung mit dem Titel "Der Auerochse - eine Spurensuche" stellt die wilden Pflanzenfresser und das Zuchtprojekt vor. Die Schau ist noch bis 6. Mai am Welterbe zu sehen und wird vom Unesco Global Geopark Bergstraße-Odenwald unterstützt. Bei Fahrradtouren können die Rinder des Zuchtprojekts kennenlernen. Die Wissenschaftler wollen Rassen züchten, "die dem Auerochsen möglichst nahe kommen", sagt Kropp. Dies gelte sowohl für das Aussehen als auch für das Verhalten der Tiere und für ihre Genetik. Eine besonders zuverlässige Quelle dafür seien Knochenfunde. "Das Genom ist entschlüsselt", ergänzt der Leiter der Welterbestätte, Hermann Schefers.
So könne das genetische Erbe des Auerochsen in lebenden Rinderrassen bestimmt und durch Kreuzung ein dem Auerrind nahekommender großer Pflanzenfresser gezüchtet werden, erläutert eine Sprecherin des Wissenschaftsministeriums in Wiesbaden. Um den Auerochsen möglichst genau zu treffen, würden derzeit nur fünf Rassen für die Züchtung herangezogen, sagt Kropp. Die Rindergruppen in Lorsch, Einhausen und dem nordrhein-westfälischen Bielefeld bestünden daher immer aus einem bestimmten Bullen und etwa drei ausgewählten Kühen. Rund 20 Tiere sind es insgesamt.
Unter den in Lorsch genutzten Rassen sind Chianina aus Italien, eine der größten Rinderrassen der Welt. "Sie sind zwar weiß, nehmen aber beim Kreuzen schnell Wildfarbe an", sagt Kropp. "Ihre Horngröße muss aber noch verbessert werden", beschreibt der Wissenschaftler eine Herausforderung der Züchtung. "Die Sayaguesa, eine spanische Rasse, gleicht dem Auerochsen ungemein, hat aber noch ein bisschen zu kleine Hörner." Die anderen drei Rassen seien die Maremmana (südliche Toskana), Watussi (Ostafrika) und das Ungarische Steppenrind mit seinen imposanten Hörnern. "Wir wollen keine aggressiven Tiere züchten." Das spanische Kampfrind werde daher nicht verwendet, "egal wie nah es am Auerochsen ist".