RNV holt sich Hilfe von außen und suspendiert nächsten Mitarbeiter
Die Mannheimer Rechtsanwältin Ruhan Karakul übernimmt ehrenamtlich die Rolle der Ombudsfrau

Ruhan Karakul ist Ombudsfrau der RNV. F: PD
Von Alexander Albrecht
Mannheim. "Das Material ist unerträglich", sagt Martin in der Beek. Der Technische Geschäftsführer der Rhein-Neckar-Verkehr (RNV) hat sich nicht vorstellen können, "dass so etwas in unserem Unternehmen passiert. Wir werden das auf keinen Fall dulden." Rechtsradikale Ausfälle, rassistisch motiviertes Mobbing, sexuelle Nötigung - die von einem ehemaligen Mitarbeiter erhobenen und mit Videos dokumentierten Vorwürfe haben sich erhärtet. Inzwischen ist ein dritter Fahrer vom Dienst suspendiert worden. In der Beek spricht bei der Pressekonferenz am Freitag von "konkreten Hinweisen auf Fehlverhalten". Der RNV lägen Erkenntnisse vor, wonach der "Täterkreis" sogar noch größer sein könnte.
Der ehemalige Mitarbeiter hatte im Mai letzten Jahres der Geschäftsführung der Verkehrsgesellschaft auf seinem Handy Videos mit dem brisanten Material gezeigt. Dem Fahrer mit Migrationshintergrund war wenige Wochen zuvor wegen schwerer Verfehlungen gekündigt worden. So soll er unter anderem einen Blinden aus der Bahn geworfen haben. "Das Display des Handys war allerdings stark beschädigt", berichtet in der Beek.
Er bat den Ex-Angestellten darum, die Aufzeichnungen dem Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Der ließ jedoch mehrere schriftliche Anfragen der RNV unbeantwortet. Im August stellte der frühere Mitarbeiter dann Videos mit den mutmaßlichen Entgleisungen seiner Ex-Kollegen im Internet auf Youtube ein. Die RNV intervenierte, um die Persönlichkeitsrechte der Angestellten und Fahrgäste zu schützen.
Youtube löschte die Videos, der Verkehrsbetrieb sicherte sich aber rund 50 Dateien. Laut in der Beek waren die Aufnahmen wahrscheinlich heimlich durch ein Loch im Sakko gemacht worden. Nachdem sie von einem weiteren Handy oder einem iPad abgefilmt worden waren, wanderten die Filme zusammenhangslos ins Netz - in schlechter Ton- und Bildqualität.
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In der Beek beteuert, damals schon "allgemein" und gemeinsam mit dem Betriebsrat für die Themen Rassismus oder Mobbing sensibilisiert zu haben. Aus dem Kollegenkreis seien allerdings keine entsprechenden Rückmeldungen gekommen. Die Geschichte nahm wieder Fahrt auf, als der ehemalige Mitarbeiter jetzt der "Bild"-Zeitung Filme zuspielte, die größtenteils nicht mit dem der RNV vorliegenden Dokumente übereinstimmten. Darauf und bei den Youtube-Clips soll zu sehen sein, wie Bus- und Straßenbahnfahrer gegen Ausländer gehetzt sowie den Hitler-Gruß gezeigt haben.
Das Unternehmen ließ die vorhandenen Dateien von einem externen Studio transkribieren und erhielt die Aussagen in den Videos in schriftlicher Form. Und zog danach erste personelle Konsequenzen. Um auch an die der "Bild" vorliegenden Aufzeichnungen zu gelangen, will die RNV einen Antrag auf Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft stellen. Eine Anzeige gegen den Filmer wegen "falscher Verdächtigungen" hat der Verkehrsbetrieb gestern zurückgezogen. Das Unternehmen greift nun auf weitere externe Hilfe zurück. "Wir schaffen das nicht alleine", so in der Beek.
Die Mannheimer Rechtsanwältin Ruhan Karakul übernimmt ehrenamtlich die Rolle der Ombudsfrau. Ihre Untersuchungen unterstützen werden Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young, die sich auf firmeninterne Ermittlungen spezialisiert haben. Karakul, die als Justiziarin des Zentralrats deutscher Sinti und Roma in Heidelberg tätig ist, war Mitglied in der vom Landtag eingerichteten Enquetekommission "Konsequenzen aus der Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU)". Sie kündigt an, Korrespondenzen einzusehen und Gespräche mit den Beteiligten zu führen.
Die RNV will in der nächsten Woche eine Telefon-Hotline einrichten, an die sich sowohl Mitarbeiter als auch Kunden wenden können. In der Beek hofft auf zügige Ergebnisse. "Ich habe viele schlaflose Nächte hinter mir", sagt er.