Gerhard Klotter hat mit Vertretern der Polizei und der Stadt Maßnahmen auf den Weg gebracht, die das subjektive Sicherheitsgefühl der Mannheimer verbessern soll. Foto: Gerold
Von Alexander Albrecht und Julie Dutkowski
Rhein-Neckar. Als Gerhard Klotter von 2007 bis 2011 das Mannheimer Polizeipräsidium leitete, hatte er eine Wohnung im Quadrat G 7. Multikultiviertel. Er hat schon vor seiner Haustür miterlebt, wo Chancen und Probleme der Zuwanderung liegen. Heute, sagt Klotter, arbeite die Polizei in Mannheim unter erschwerten Bedingungen. Heute ist er Landespolizeipräsident. In Zeiten der Flüchtlingskrise. Am Mittwoch ist Klotter im Auftrag des baden-württembergischen Innenministeriums nach Mannheim zurückgekehrt, um mit Vertretern der Stadt und der Polizei die aktuelle Sicherheitslage vor Ort zu bewerten und Konsequenzen zu ziehen. Hinterher sprach er mit der RNZ.
Die Ausgangslage: Klotter warnt davor, Straftaten von Flüchtlingen zu verallgemeinern. Schwierigkeiten bereiteten den Behörden vor allem die nicht registrierten Menschen, deren Anteil auf zwischen 10 und 20 Prozent geschätzt wird. Deutliche Worte findet Klotter zu den Erstaufnahme-Einrichtungen für Flüchtlinge in Mannheim, Heidelberg oder Schwetzingen, wo es regelmäßig zu Konflikten unter den Bewohnern kommt. "Dort ist keine Integration möglich", sagt er. Wenn die Asylsuchenden anschließend in andere Städte und Gemeinden verlegt würden, verlagerten sich mitunter die Brennpunkte. Dass die Flüchtlinge wie früher am Rande einer Kommune untergebracht seien, sondern im Kern, erleichtere aber deren Eingliederung.
Die Belastung: Nicht nur die Flüchtlinge bereiteten den Beamten viel Arbeit. Auch die vom islamistischen Terror ausgehenden Gefahren oder Einsätze bei NPD-Demonstrationen und -parteitagen wie in Weinheim bringen die Polizei mitunter insgesamt an den Rand der Belastbarkeit. Damit sie sich aufs Wesentliche konzentrieren kann, plädiert Klotter dafür, Polizeiarbeit dort abzubauen, wo es ihm nicht unbedingt notwendig erscheint. Er denkt dabei etwa an die Begleitung von Schwerlast-Transportern oder Selbstverteidigungskurse für Frauen ("Das können andere genauso gut"). Außerdem will er die Polizeipräsenz bei Fußballspielen der obersten drei Ligen eindämmen. "Wir setzen bereits heute bundesweit die wenigsten Beamten ein - ohne, dass es zu Gewalt-Eskalationen gekommen wäre", sagt Klotter. Weniger Polizei wäre ihm zudem bei Mammutprozessen lieber. Diese Aufgaben könnten auch Wachtmeister übernehmen - dafür müsse die Justiz allerdings entsprechend aufgestellt sein.
Polizeiwachen in Flüchtlingsunterkünften: Klotter bekennt, kein Fan davon zu sein. "Es bindet Kräfte und geht zu Lasten unserer Flexibilität", sagt der Polizeichef. Deshalb ist es ihm lieber, die Beamten würden bei Problemen zu den Unterkünften fahren. Klotter räumt allerdings ein, dass es im Heidelberger Patrick Henry Village deutlich weniger Probleme gibt, seitdem dort eine Wache existiert. Deshalb hat er auch dem Polizeiposten im Mannheimer Benjamin Franklin Village zugestimmt, der demnächst seinen Betrieb aufnimmt. Die personelle Ausstattung erfolgt über Umschichtungen. Sie soll aber nicht - wie befürchtet - auf Kosten des Reviers in der Neckarstadt-West gehen, das durch die Zuwanderung aus Südosteuropa schon sehr belastet ist.
Personalstärke: Der Landespolizeipräsident hat Oberbürgermeister Peter Kurz 60 neue Stellen bei der Mannheimer Polizei im Laufe dieses Jahres zugesagt. Außerdem sollen die Mannheimer Beamten bei Sondereinsätzen durch die Bereitschaftspolizei personell unterstützt werden. In ganz Baden-Württemberg sollen 2016 insgesamt 1100 neue Stellen geschaffen werden, 200 mehr als geplant. 2017/2018 sollen noch einmal 1400 Stellen dazukommen. Auch dank des doppelten Abiturjahrgangs aus dem Jahr 2012, der jetzt seinen Dienst antritt, rechnet Klotter in diesem Jahr mit einem größeren Personalzuwachs.
Subjektives Sicherheitsgefühl: Eine veränderte Einsatzkonzeption soll in Mannheim für mehr Polizeipräsenz besonders in der Innenstadt sorgen, zum Beispiel durch verstärkte Streifentätigkeit. Dazu wird Personal umgeschichtet. Was die Sicherheitslage im gesamten Land - vor allem während der Faschingszeit - angeht, verweist Klotter auf den Fünf-Punkte-Plan des Innenministeriums, der das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung stärken soll. So sollen Großereignisse stärker videoüberwacht oder durch mobile Einheiten begleitet werden. Platzverweise sollen konsequenter durchgesetzt und Interventionskräfte bereitgestellt werden. Klotter arbeitet auf Weisung des Innenministeriums auch an einem Gesetzentwurf für die Einführung von Körperkameras. Diese sind in Baden-Württemberg bislang nicht erlaubt. In Rheinland-Pfalz werden sie bereits eingesetzt, so auch beim gemeinsamen Fasnachtsumzug der Städte Ludwigshafen und Mannheim am 7. Februar in Ludwigshafen.
Bürgerwehren: "Als Polizei halten wir nichts von Bürgerwehren", sagt Klotter. "Wir glauben nicht, dass es der Sache dient." Rocker oder Hooligans eigneten sich definitiv nicht dazu, die Sicherheit aufrechtzuerhalten. Andere wiederum versteckten hinter einer Bürgerwehr nur ihre fragwürdige politische Gesinnung.
Falschmeldungen: Immer schneller und häufiger machen Gerüchte und Falschmeldungen in sozialen Netzwerken die Runde. "Diese Bewegung wurde durch die sozialen Medien ermöglicht. Das führt zu einem Verlust der Glaubwürdigkeit der Institutionen, auch der Medien selbst", so Klotter. "Polizei und Medien unterstellt man, nicht ausreichend zu informieren oder zu lügen." Die Polizei müsse darauf reagieren und "zu bestimmten Themen klar Position" beziehen.