Von Marco Partner
Mannheim. Die Schönau ist besser als ihr Ruf. Sanierter, modernisierter – und vor allem mit bezahlbarem Wohnraum. Viel Grün, im Viertel und außerhalb. Herausgeputzte Schulen und zentrale wie dezentrale Treffpunkte für die Jugend. Die "Tschänau" wie sie im Volksmund gerne genannt wird, ist oft als der soziale Brennpunkt Mannheims schlechthin verschrien. Tatsächlich ist die Arbeitslosenquote dort mit 7,8 Prozent noch immer am höchsten in der Quadratestadt. Wer etwas genauer hinschaut, findet aber einen Stadtteil, der sich so rasant verändert wie kaum ein anderes Viertel.
Als Susanne Aschhoff hierher zog, wusste sie gar nicht, welcher Ruf der Schönau vorauseilt. 20 Jahre ist das nun schon her. Bereut hat es die Tierärztin und Bezirksbeiratssprecherin der Grünen nie. Dabei wohnte sie zuvor in Köln, Nürnberg und München. "Warum gerade Mannheim?", wird sie oft von Bekannten gefragt. "Ich mag diese offene, direkte Art. Geradeheraus statt drumherum, ich habe mich hier schnell wohlgefühlt", sagt sie, und nimmt uns mit auf einen Spaziergang durch die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft der Schönau.

Im südlichen Teil stehen noch die alten Siedlungshäuser aus den 1930er-Jahren – mit viel Fachwerk, umgeben von Kieferbäumen. Die Kiefer, das Wappen der Schönau, wurde auf dem neugestalteten Lena-Maurer-Platz in Form von kunstvollem Gestein samt Brunnen verewigt. Langfristig soll sich der Platz zum Mittelpunkt des Stadtteils entwickeln, mit Supermarkt, Bäckerei-Café, und dem ersten Bunkermuseum Deutschlands. Dort bekommt man einen Einblick in die bewegende und lebendige Geschichte des Stadtteils. Federführend ist die Kultur- und Interessengemeinschaft, die Dachorganisation der mehr als 30 Schönauer Vereine. Auch das Siedlerheim wurde saniert. "Es ist von der Fastnacht bis zu Konzerten ein beliebtes Haus", erklärt Susanne Aschhoff.
Bezirksbeirätin Susanne Aschhoff . Fotos: Gerold (2), Partner (1)"Wichtig ist, dass alles mit Bürgerbeteiligung entstanden ist", betont sie. Bei der Qualitätsentwicklung des Stadt-Trabanten sollte die Bevölkerung mitgenommen und nichts am Reißbrett entworfen, sondern vor Ort, mit den Bürgern entwickelt werden. "Somit bekommt man hier auf der Schönau wirklich das Gefühl: Politik beginnt im Kleinen und kann auch etwas bewirken", sagt Aschhoff.
Und das fängt wirklich bei den Kleinsten an, etwa mit Kinderworkshops für Spielplätze. Auch die Jugend konnte in den letzten Jahren ihre Ideen einbringen. Herausgekommen sind dabei ein 3700 Quadratmeter großer Skaterpark, ein moderner Fußballkäfig, viele Graffiti-Projekte sowie die Aufwertung des beliebten Jugendhauses.
"Die Stadt hat viel investiert", erzählt Aschhoff. Damit meint sie 800 renovierte Wohnungen in 15 Jahren sowie die Sanierung von Kinderhäusern und einigen der insgesamt 13 Kindergärten. Mehr als 60 Millionen Euro sind seit 2005 in die Aufwertung von Schönau-Mitte geflossen. Da im Stadtteil ein "besonderer Entwicklungsbedarf" festgestellt wurde, gaben Bund und Land über das Förderprogramm "Soziale Stadt" zwölf Millionen Euro. Und noch immer rollen die Bagger an. Die Generalsanierung des Johanna-Geissmar-Gymnasiums liegt in den letzten Zügen, insgesamt 45 Millionen Euro wurden zusätzlich in die Aufwertung der Bildungseinrichtungen gesteckt.
Nicht nur in die Bausubstanz, auch in die soziale Struktur wurde investiert. "Laut einer Sicherheitsbefragung war die gefühlte Sicherheit sehr gering. Mit der tatsächlichen Sicherheit sieht es anders aus, aber es musste etwas unternommen werden", berichtet Aschhoff. Ein Netzwerk für Senioren und Projekte für die Nachbarschaft wurden gegründet. Auch Kochgruppen und ein Urban-Gardening-Projekt für Senioren und Kita-Kinder sind entstanden.
Aber natürlich gibt es immer noch die andere Seite. Im Nordwesten der Schönau sind ganze Straßenzüge mit deutlich in die Jahre gekommenen Plattenbauten aus den frühen 1960ern gesäumt. Vor allem im Herbst wirken die langen, fahlen Gebäude mit ihren verrosteten Wellblechbalkonen traurig und trist. Hier bestätigen sich auch die Klischees: Kinder und Jugendliche, die auf dem Nachhauseweg von der Schule aus Chipstüten naschen. Ein junger Mann, der zur Mittagszeit mit Tarnjogginghose und Kampfhund um den Block spaziert.
Auch in der Rastenburger Straße sieht es wüst aus: Bäcker, Drogerie und Metzger sind längst verschwunden, nur ein Döner-Laden und ein türkischer Supermarkt halten sich. Sonst gibt es in diesem Teil der Schönau nichts zu sehen. Aber auch hier soll die vergessene Gegenwart von der Zukunft eingeholt werden. Ein großes Bauschild verrät es schon: 1700 moderne, barrierefreie und bezahlbare Wohnungen sind geplant.
Die Kiefer ist für die Schönauer ein wichtiger Baum, weil er das Stadtteil-Wappen ziert. Fotos: Gerold (2), Partner (1)Die Sanierungsarbeiten des auf zehn Jahre angelegten Projekts haben bereits begonnen. Während der Bauphase kommen die Bestandsmieter in "Drehscheibenwohnungen" der GBG unter. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft rechnet mit Kosten in Höhe von 132 Millionen Euro für das auf zehn Jahre angelegte Großprojekt. Beim Wiedereinzug sollen die Mieter nicht mehr als 6,50 Euro pro Quadratmeter zahlen.
Im Neubaugebiet im Nordosten zeigt sich eine ganz andere Seite der Schönau: Hier gibt es viele freistehende Einfamilienhäuser und Spielstraßen, hinter der Eisenbahnlinie bietet der Käfertaler Wald ein wenig Erholung. Nur mit der Nahversorgung ist das so eine Sache. Im Ortskern gibt es Discounter, Textilläden, Ärzte, Banken, Apotheken und ein wenig Gastronomie. Zweimal wöchentlich findet zudem ein Wochenmarkt statt. Darüber hinaus gibt es kaum Angebote. "Eine Buchhandlung sucht man hier vergebens", erzählt Aschhoff. Zumindest eine Zweigstelle der Stadtbibliothek gibt es.
Die Besiedlung der Schönau begann in den 1910er-Jahren, zu Zeiten des Luftschiffbaus. Daran erinnern Straßenschilder wie Ballon- oder Lilienthalstaße. 110 Jahre später wartet auf das einstige Arbeiterviertel noch immer viel Arbeit.
"Ein Luftkurort ist es nicht. Aber man spürt, dass sich hier viel bewegt", meint Aschhoff. Es gebe Schwachstellen wie Kinderarmut und Erwerbslosigkeit. Daher sei es wichtig, Bildungsgerechtigkeit zu schaffen. "Es ist noch viel zu tun", sagt die Bezirksbeirätin.