Der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurg Professor Jürgen Hoffmann stellte sein spannendes Fachgebiet vor. Foto: Rothe
Von Birgit Sommer
Heidelberg. Natürlich hätte Professor Jürgen Hoffmann noch viel beeindruckendere Bilder davon zeigen können, wie er ein Gesicht operiert. Oder wie sein Team Patienten nach schrecklichen Unfallverletzungen in vielen Arbeitsstunden das alte Aussehen zurückgibt. Doch solche Ansichten verträgt nicht jeder im Publikum; seine Frau, sagte der Ärztliche Direktor der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (MKG), habe ein paar Bilder aus seinem Vortrag für "Medizin am Abend" im Hörsaal der Kopfklinik aussortiert.
Was übrig blieb, war spektakulär genug. Es zeigte die großen Fortschritte der Chirurgie in den letzten Jahrzehnten. Kriegsverletzungen so zu therapieren, dass Nase, Mund und Augen Funktion und Aussehen möglichst gut wieder zurückbekamen - das stand am Beginn dieser ärztlichen Kunst. In der rekonstruktiven Chirurgie steckt auch viel Herzblut von Prof. Hoffmann, wie er sagte. 159 Fälle wurden in seiner Klinik im Jahr 2017 operiert. Vor 100 Jahren schon wurden Hautbrückenlappen aus anderen Körperteilen zum Stiel geformt auf Hautdefekte aufgebracht. Schrecklich sah das aus, es dauerte lange bis zur Heilung und war für Patienten auch unangenehm. Heute wird Gewebe mikrochirurgisch an᠆geschlossen. Aus Wadenbeinen bildet man Unterkiefer, Haut und Gewebe dazu werden etwa aus dem Oberschenkel entnommen.
Ein Unterkiefer aus dem 3D-Drucker? Das ist in Hoffmanns Augen allerdings noch weit entfernt. Neues Gewebe aus Zellkulturen? Das ergebe nur kleine Volumen, und die Gefäße zur Durchblutung fehlten, meinte er auf eine Frage aus dem Publikum: "Es wird noch ein bis zwei Generationen dauern, bis hier eine Lösung gefunden wird." Bis dahin, so Hoffmann, brauche es weiterhin gute Epithetiker, die naturgetreue Nachbildungen fertigten, wenn etwa wegen Tumoren Teile des Gesichts entfernt werden müssten.
Die Zusammenarbeit mit Kollegen wie Kinderärzten, Kieferorthopäden, Logopäden ist gefragt, wenn es um Kinder mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalten geht. Jedes 500. Baby wird mit einem solchen Defekt geboren. Von der Trinkplatte für das neugeborene Kind bis zum Verschluss des Gaumens nach etwa einem Jahr und möglicherweise weiteren Operationen bis fast zum Erwachsenenalter sind die Mediziner eingebunden. In Bildern zeigte der MKG-Chirurg, welch gute Ergebnisse man erreichen kann.
Ein weites Feld sind die Schädelfehlbildungen und Kieferfehlstellungen - am bekanntesten ist der vorstehende Unterkiefer der Habsburger -, bei denen Gesichtsschädel verlagert und Kiefer gegeneinander verschoben werden müssen. "Form und Funktion gehen hier Hand in Hand", erklärte Prof. Jürgen Hoffmann. Was aus der trockenen Theorie in der Praxis werden kann, zeigte das Bild einer jungen Frau, die plötzlich schön und selbstbewusst in die Welt schaute. Oder des arabischen Jungen, der wegen eines nicht entwickelten Oberkiefers mit riesigen Froschaugen lebte und der nach der Operation ganz normal aussieht.
Fehlbildungen von Schädel und Gesicht zu korrigieren, ist ein Schwerpunkt am Universitätsklinikum. Heute werde das dezidiert vorgeplant und, von computergenerierten Bilddaten gestützt, operiert, sagte Hoffmann. Ein hochgerüsteter OP-Saal, Titanplatten und eine "Werkzeugkiste" mit Schrauben und Zangen, um die Platten zu biegen, sind das Instrumentarium der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen. Der Anspruch: Operieren, ohne Narben zu hinterlassen.