Im Herbst will Lehramtsstudentin Uta Karger das Staatsexamen ablegen – doch an Lernen ist nicht zu denken. Denn die 29-Jährige muss ihren Sohn Milan betreuen. Foto: pr
Von Anica Edinger
Heidelberg. Uta Karger steht kurz vor dem Staatsexamen in Latein und Französisch. Im Herbst will die Lehramtsstudentin das Examen ablegen. Zwei Latein-Klausuren muss sie in diesem Semester deshalb dringend bestehen. Es sind schwere Klausuren. Die Durchfallquote ist hoch. Eigentlich müsste die 29-Jährige Tag und Nacht übersetzen. Doch daran ist während der Corona-Krise nicht zu denken. Denn Uta Karger ist nicht nur Studentin an der Universität Heidelberg. Sie ist auch Mutter.
Ihr kleiner Sohn heißt Milan. Er ist vier Jahre alt – und gerade vermisst er seine Freunde so sehr wie noch nie. Sein Kindergarten in der Altstadt ist seit dem 17. März geschlossen – einmal abgesehen von der Notbetreuung. "Es schmerzt mich für Milan und alle anderen Kinder, dass sie keinen Kontakt zu anderen Kindern haben können", sagt Karger. Denn das bräuchten sie dringend – Milan im Besonderen. Denn er ist Einzelkind. "Kinder haben auch Grundrechte", sagt Karger, "und die werden gerade mit Füßen getreten." Ebenso die Belange von Studierenden mit Kindern, wie Karger findet. Rund fünf Prozent der Studentinnen an der Ruperto Carola haben ein oder mehrere Kinder, davon sind etwa zehn Prozent alleinerziehend. "Während der Semesterferien war das mit der Betreuung noch kein Problem", sagt Uta Karger. Doch jetzt, da das Semester wieder gestartet ist, steht sie so wie viele andere Studentinnen mit Kind nicht nur in Heidelberg, sondern überall im Land vor schier unüberwindbaren Barrieren.
Kargers Mann ist Doktorand am KIT in Karlsruhe – in Vollzeit. Anspruch auf einen Platz in der Notbetreuung hat die Familie nicht. Die Kriterien dazu sind in der Landesverordnung zu infektionsschützenden Maßnahmen gegen die Ausbreitung des SARS-CoV-2 Virus geregelt. Demnach müssen entweder beide Elternteile in Berufen tätig sind, die zur sogenannten kritischen Infrastruktur zählen, und/oder eine Präsenzpflicht bei ihrem Arbeitgeber außer Haus vorlegen. Beides trifft auf die junge Familie nicht zu. Zweimal haben sie es dennoch versucht, Anträge gestellt und E-Mails geschrieben – ohne Erfolg. Offenbar bedauert das auch das Studierendenwerk, das vier Kindertagesstätten mit 280 Plätzen betreibt. Auf RNZ-Anfrage heißt es: "Studierende haben derzeit leider (noch) keinen Anspruch auf eine Notbetreuung."
Große Hoffnungen setzt Uta Karger jetzt in die neue Landesverordnung. Laut Kultusministerin Susanne Eisenmann sollen ab dem 18. Mai Kindertagesstätten und Kindergärten wieder schrittweise öffnen können – eventuell mit einer reduzierten Anzahl von Kindern in einem rollierenden System. Ministerpräsident Winfried Kretschmann allerdings will die große Kinderstudie in Bezug auf das Coronavirus abwarten, die in der kommenden Woche vorgestellt werden soll – und dann entscheiden. Uta Karger jedenfalls sagt: "Wenn Milan nur zwei Tage in der Woche wieder betreut werden könnte, würde das schon sehr helfen." Aktuell werden auch Milans Großeltern in die Betreuung eingespannt. "Es geht nicht anders", so die Mutter.
Von Universitätsseite aus werde häufig darauf verwiesen, dass es aktuell keine Präsenzveranstaltungen gebe und die digitalen Angebote ja zeitlich flexibel einsehbar seien. Karger ärgert sich über solche Aussagen. "Wenn man den ganzen Tag ein Kind betreut hat, dann ist man abends völlig k.o. – körperlich wie auch nervlich." Da reiche die Konzentration nicht mehr aus, um schwierige lateinische Texte zu übersetzen. Auch Tanja Modrow, Geschäftsführerin des Studierendenwerks, sagt: "Der Verweis auf die Onlineveranstaltungen ist für Studierende mit Kindern mit Sicherheit unbefriedigend." Überhaupt beklagt auch Modrow: "Von der Politik vermissen wir nach wie vor einen Ansatz, der die Problemlage von Studierenden mit zu betreuenden Kindern entschärft."
In der Landeshauptstadt Stuttgart ist die Problematik nun offenbar in Teilen angekommen. Jedenfalls hieß es am Freitag von der zuständigen Wissenschaftsministerin Theresia Bauer auf RNZ-Anfrage: "Wir haben in einem ersten Schritt erreicht, dass jetzt auch die alleinerziehenden Studierenden und jungen Wissenschaftler für ihre Kinder einen Platz in der Notfallbetreuung bekommen." Und sie versprach: Sollten Kitas weiter geschlossen bleiben "werde ich mich dafür einsetzen, dass Studierende mit Kind, die eine Prüfung ablegen müssen, in der Notfallversorgung berücksichtigt werden."