Von Sebastian Riemer
Heidelberg. Diese letzte Ruhestätte wird bundesweit einmalig sein: Auf dem Bergfriedhof in der Südstadt entsteht gerade ein "Erinnerungsgarten der Kulturen". Dort schlängeln sich dann die Wege wie in einem Park rund um bepflanzte Felder, die so gestaltet sind, dass sie verschiedene Kulturen, Regionen und Religionen widerspiegeln. Ein kleines Bächlein fließt durch die Anlage, eine riesige alte Fichte spendet Schatten - und mittendrin stehen, ganz locker verteilt, Grabsteine. Für 380 Gräber ist Platz. Schon in gut vier Monaten soll alles fertig sein.
Das neue Grabfeld im westlichen Teil des Bergfriedhofs - an der Rohrbacher Straße - wird in vier Bereiche eingeteilt, die unterschiedliche Stile verkörpern: alpin, asiatisch, mediterran und orientalisch. Während im asiatischen Bereich Bambus und japanische Kirschen gepflanzt werden, gibt es im mediterranen Bereich winterharte Olivenbäume und Palmen. Der orientalische Bereich wendet sich natürlich auch an Muslime - allerdings nicht an solche, welche die Begräbnisregeln streng auslegen. Denn dort, wo der Erinnerungsgarten entsteht, war die letzten Jahrzehnte zwar eine Wiese - davor aber einmal ein Reihengrabfeld. Das widerspricht dem Gebot des Islam (und des Judentums), in jungfräulicher Erde bestattet zu werden.
Der Erinnerungsgarten ist Norbert Hornigs letztes großes Projekt. Der Mann, der beim Landschafts- und Forstamt seit zwölf Jahren für alle Friedhöfe zuständig ist, geht im Mai in Ruhestand. "Das ist schon etwas ganz Besonderes zum Schluss", sagt er. Hornig regte das Projekt selbst an - und setzte es durch. Bei der Landesgartenschau in Mühlacker vor zweieinhalb Jahren sah er ein multikulturelles Grabfeld, von Gärtnern als Idee vorgestellt. "Da dachte ich: Genau so etwas brauchen wir in Heidelberg, das passt perfekt zu unserer Stadt."
Hornig geht es bei seiner Arbeit schon immer um ein Ziel: "Jeder soll die Bestattungsform wählen können, die er will." Und nun könne der Opa, der sein Leben lang gerne nach Italien in Urlaub fuhr, eben in einem mediterranen Umfeld seine letzte Ruhestätte finden.
Der Erinnerungsgarten ist aber auch eine Reaktion auf einen ganz konkreten Wandel in der Bevölkerung: Denn viele Menschen können oder wollen sich um die Pflege der Gräber ihrer Angehörigen nicht mehr selbst kümmern. "Deshalb gibt es immer mehr anonyme See- oder Friedwaldbestattungen", sagt Hornig.
Darauf reagierte man in Heidelberg schon vor Jahren - und bot an, die Pflege von Gräbern in bestimmten Bereichen des Friedhofs für bis zu 25 Jahre von Gärtnerfirmen übernehmen zu lassen. Falls der Gärtner pleite geht, hat der Angehörige kein Risiko: Denn der Vertrag wird mit der Genossenschaft badischer Friedhofsgärtner geschlossen. Die Kosten für solche Gräber belaufen sich auf 900 bis 6500 Euro - für einen Zeitraum von 18 bis 25 Jahren. Der Preis variiert je nach Grabform: Vom Urnen-Reihengrab bis zum Erd-Wahlgrab ist alles möglich. "Das klingt teuer, ist auf’s Jahr gerechnet aber nicht so viel - und deutlich günstiger, als wenn man einen Friedhofsgärtner für ein einzelnes Grab engagiert", sagt Hornig. Das ist auch der Vorteil des Erinnerungsgartens: Die Pflege des 2200 Quadratmeter großen Areals und Gräber dort wird komplett von Gärtnern übernommen. Diese sind dabei natürlich schneller, als wenn sie einzelne, weit voneinander entfernt liegende Gräber pflegen müssten - und das macht es günstiger.
Wichtig war Norbert Hornig ein weiteres Element des neuen Grabfeldes: "Wir planen eine Wiese mit einem Pavillon", so Hornig. Neben kleinen Trauerzeremonien sollen dort auch Lesungen und andere kulturelle Veranstaltungen stattfinden. "Die Leute sollen nicht immer nur mit traurigen Augen über den Friedhof gehen." Denn Hornigs Credo lautet: "Der Friedhof ist in erster Linie für die Lebenden da."