Gesundheitspsychologin Monika Sieverding. Foto: privat
Von Julia Lauer
Heidelberg. Noch gibt es in Deutschland keinen Corona-Impfstoff. Wissenschaftler der Universität Heidelberg wollen aber schon jetzt herausfinden, wie eine Impfung angenommen würde. Die Gesundheitspsychologin Monika Sieverding zu Einstellungen zum Thema Impfen, zur Risikoabwägung – und dazu, was das Impfen mit dem Straßenverkehr zu tun hat.
Frau Prof. Sieverding, in aller Welt wird nach einem Corona-Impfstoff geforscht. Sie untersuchen, wie es um die Impfbereitschaft bestellt ist. Machen Sie sich Sorgen, dass sie zu niedrig ist?
Hinter unserem Forschungsvorhaben steckt vor allem die Hoffnung auf Erkenntnisgewinn: Welche psychologischen Barrieren stehen einer Impfung im Weg, welche Faktoren können sie begünstigen? Das wollen wir wissen. Wir hoffen, Stellschrauben zu erkennen, mit denen sich das Vertrauen in die Impfung erhöhen lässt.
Gerade kürzlich haben Ihre Kollegen, Heidelberger Psychologen, mit einer Umfrage ermittelt, dass die Skepsis gegenüber der Impfung größer ist, wenn man Verschwörungstheorien anhängt. Welche Ursachen vermuten Sie hinter der Skepsis?
Es gibt mehrere gesundheitspsychologische Modelle, die das Impfverhalten erklären. Dazu gehört beispielsweise, wie sich andere für uns wichtige Menschen verhalten. Denn Impfen kann eine Sogwirkung entfalten, wie wir sie zum Beispiel von roten Ampeln kennen: Gehen die anderen über die Straße, gehe ich selbst auch eher hinüber. Eine wichtige Rolle spielt auch, wie wir die Risiken einschätzen. Das gilt sowohl für das Gefahrenpotenzial, das ich hinter einer Erkrankung vermute wie auch für befürchtete Nebenwirkungen einer Impfung .
Bisher zeigen Umfragen zum Thema, dass die Skepsis der Menschen gegenüber einer Impfung seit April zugenommen hat – obwohl es in Deutschland noch gar keinen Impfstoff gibt.
Das kann man sicher auch mit der Risikowahrnehmung erklären. Die Infektionszahlen steigen zwar wieder an und damit auch das Risiko einer Ansteckung, aber es gibt immer mehr Genesene, und die Zahl der Todesfälle ist seit längerer Zeit vergleichsweise niedrig – zumindest in Deutschland. Das kann dazu führen, dass man die Gefahr einer Erkrankung als nicht mehr so gravierend einschätzt.
Sie haben nun einen umfangreichen Fragebogen entwickelt. Sie fragen auch nach anderen Impfungen.
Uns interessiert die Einstellung zur Impfung gegen Corona sowie zu Impfungen im Allgemeinen. Aber auch wie diese spezielle Impfung eingeführt wird, wird relevant sein. Bei der Schweinegrippe damals gab es einige kritische Berichte, was die Impfung bringt. Außerdem wurde schnell klar, dass sich nur wenige Menschen haben impfen lassen. Letztendlich mussten viele Dosen des Impfstoffs vernichtet werden.
Interessiert Sie auch, ob die Impfung später tatsächlich angenommen wird?
Wir fragen die Teilnehmer in dieser ersten Erhebung auch, ob wir sie zu einem späteren Zeitpunkt erneut kontaktieren dürfen – um genau das herauszufinden.
Hatten Sie denn als Gesundheitspsychologin in der Vergangenheit schon mit anderen Impfungen zu tun?
Mit Impfungen nicht, aber mit anderen präventiven Verhaltensweisen wie der Teilnahme an Krebsfrüherkennungsuntersuchungen. Auch hierbei ging es darum, was begünstigt, sie in Anspruch zu nehmen. Wir fanden heraus, dass soziale Normen eine sehr zentrale Rolle spielen. Hört man etwa die Botschaft: "Nur ein Fünftel der Männer war im vergangenen Jahr bei der Früherkennung", wirkt das demotivierend auf andere Männer, zum Arzt zu gehen. Heißt es dagegen: "Zwei Drittel aller Männer waren schon bei der Früherkennung", ist es andersherum. Beide Aussagen sind richtig, aber sie haben einen unterschiedlichen Effekt. Beim Impfen ist das sicher ähnlich. Bald wissen wir das hoffentlich genauer.
Info: Das Forscherteam sucht Teilnehmerinnen und Teilnehmer für die Studie. Der Fragebogen findet sich im Internet auf der Seite: www.soscisurvey.de/impfencorona/